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„AfD-Sprech“: Die CSU fordert Verbote, Enteignungen & Erschießungen!

von | Mrz 7, 2020 | Aktuelles, Kolumnen, Schwer verpetzt

Die CSU fordert Erschießungen!?

Die CSU hat gestern gestern wieder tief in die Populismus-Kiste gegriffen – und ein Eigentor geschossen. Nachdem von der bayerischen Partei zuletzt auch bemerkenswert positive Signale gekommen sind, wie der Auftritt von Ministerpräsident Söder bei einer Anti-Rechts-Demo in München (Quelle), griff sie auf Twitter wieder in die unterste Schublade. Mit reinsten AfD-Fake News und Vorurteilen sprach sie davon, dass „die SPD Enteignungen“ fordert, die Grünen „Verbote“ und die Linken „Reiche erschießen“ lassen will.

Hier bauen Fake News auf Vorurteile auf und Vermischen sich zu reinstem Rechtspopulismus – der wirklich nach hinten los geht.

Nichts davon stimmt (so)

Die CSU spielt zum einem auf eine aus dem Kontext gerissene und konstruierte Aussage von Kevin Kühnert auf, die wir schon seinerzeit als Fake entlarvt haben:

Faktencheck: Nein, Kühnert hat nichts „gefordert“, auch keine „Verstaatlichung“ von BMW

Außerdem wüsste ich von keinen echten Forderungen nach „Enteignungen“ (von wem eigentlich?) von der SPD. Auch die Grünen fordern weitaus weniger „Verbote“ als die Medien uns glauben lassen. Eine Faustregel: Wenn du ein vermeintliches Beispiel eines gefordeten „Verbots“ der Grünen kennst – es ist wahrscheinlich falsch oder anders, als du denkst:

Keine Enteignungen, keine 3-Flüge pro Jahr: 15 Lügen & Fakes über die Grünen

Grünen-Bashing: 3 Gründe, warum das Gerede von „Verbotspartei“ Schwachsinn ist

Und warum niemand, auch kein unbekanntes, lokales Parteimitglied der LINKE „Erschießungen von Reichen“ gefordert hat und auch aus dem Kontext gerissene Videoschnipsel nichts anderes zeigen, haben wir hier erklärt:

Fake: Die LINKE will Reiche NICHT „erschießen“ – Irreführende Schlagzeilen

Besonders lustig: Die Heuchelei der CSU

Besonders absurd ist jedoch, dass die CSU nicht nur mit höchstens halbwahren Fake News Stimmung gegen „linke“ Parteien macht, sondern darüber hinaus ALLES selbst tut, was sie der „linken Kolonne“ vorwirft. Kein Scherz.

Enteignungen

„Enteignungen“, sprich Verallgemeinerungen, sind laut Grundgesetz ausdrücklich erlaubt. „Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig“, heißt es in Artikel 14, der zugleich aber auch Entschädigungen vorschreibt. Und sie sind heutzutage auch Gang und Gäbe. Siehe beispielsweise beim Bergbau. Für den Tagebau Garzweiler wurden 370 Gemeinden umgesiedelt, insgesamt 125.000 Menschen. Das ging nur mit Enteignungen. Und hier auch von Privatpersonen.

Auch für Straßen werden Menschen enteignet, für den 1,3 Kilometer langen Ausbau der A7 bei Hamburg wurden 44 Anwohner zum Verkauf gezwungen, da anderweit eine Enteignung gedroht hätte. Das gleiche trifft auf die Bahn zu. Im bayerischen Fürth mussten für zusätzliche S-Bahn-Gleise Bewohner*innen ihre Grundstücke abgeben und vor Gericht um die Höhe der Entschädigung streiten.

Für Airbus wurde vor 15 Jahren die Landebahn ihres A380 Werkes Finkenwerder um 600 Meter verlängert, dafür wurden die Grundstücke einiger Bauern enteignet. Obwohl das eigentlich nur für Militär- und Verkehrsflughäfen möglich ist. Dafür hat der damalige Bundeskanzler Schröder das betreffende Gesetz ändern lassen. Und es gibt noch viele weitere Beispiele (Mehr dazu beim Spiegel).

Und ja, natürlich auch in Bayern, wo die CSU regiert. Die CSU hat seit 15 Jahren das Verkehrsministerium inne – und damit in den letzten Jahren ziemlich sicher mehr Enteignungen nicht nur gefordert, sondern vollzogen, als alle anderen Parteien zusammen.

Verbote

In Deutschland sind viele Dinge verboten. Die meisten Sachen nicht wegen der Grünen. Und das ist auch gut so. Man darf nicht bei Rot über die Straße, man darf keine Menschen umbringen und nicht Klauen. Und noch tausende andere Dinge. Ein paar davon stehen auch in der Bibel und Parteien mit “C” im Namen finden das auch ganz toll. Will sagen: Dinge zu verbieten ist per se nichts Schlechtes.

Zu versuchen, daraus ein negatives Label zu konstruieren, ist an sich schon Blödsinn. Aber natürlich ist der Subtext: Es sind Verbote von guten und tollen Sachen. Aber was das ist, ist auch Ansichtssache. Und auch von Land zu Land und Zeit zu Zeit völlig unterschiedlich. Jedem fallen sicher selbst Beispiele ein, was in der Vergangenheit alles erlaubt war, was es heute nicht mehr ist. Und genau deshalb wollen auch unterschiedliche Parteien unterschiedliche Sachen verbieten. Es ist Ansichtssach und man kann darüber streiten.

Und die CSU ist doch somit auch eine „Verbotspartei“: Sie ist für ein Tanzverbot an Feiertagen (Quelle), Cannabisverbot (Quelle), war für ein Verbot der Ehe für Alle (Quelle), ein Burka-Verbot (Quelle) und vieles mehr. Also CSU – Verbotspartei? Dinge verbieten zu wollen ist ein lächerlicher Vorwurf, wenn an nicht darüber diskutiert, was verboten werden soll und warum.

Erschießungen

Während aus einer ungeschickten, ironischen Überspitzung der Kritik an linken Klassenkampf-Fantasien einer unbekannte Lokalpolitikerin der LINKE die Fake News „Linke fordern Erschießungen“ gebastelt wurde, warum dann nicht aus der ernst gemeinten Aussage des (Ex-)Parteivorsitzenden der CSU? „Bis zur letzten Patrone“ werde sich die Berliner Koalition dagegen sträuben, dass „wir eine Zuwanderung in die deutschen Sozialsystem bekommen“, hatte Seehofer 2011 gesagt (Quelle).

Will die CSU etwa auf Einwanderer schießen? Natürlich nicht. Genauso wenig wie die LINKE „linksextreme Erschießungsfantasien“ verbreitet, die SPD „Enteignungen“ (von wem) fordert oder die Grüne „Verbote“ (von was denn ist hier die Frage). Und umso lächerlicher wird es, wenn ausgerechnet die CSU es ist, die diese Vorwürfe formuliert. Eine Partei, die Enteignungen betreibt, Verbote fordert und aufrecht erhält und von der ebenfalls Aussagen (diesmal von wichtigen Mitgliedern) zu Forderungen nach Erschießungen konstruiert werden könnten.

CDU-Politiker Polenz hat es hier wohl am besten gesagt:



Artikelbild: Screenshot twitter.com