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Umwelthilfe & SUV: Grüne instrumentalisieren so schlimm wie die AfD?

von | Sep 9, 2019 | Aktuelles, Kolumnen, Schwer verpetzt, Umwelt/Klima

Die Instrumentalisierung von toten

In der Berliner Invalidenstraße wurden am Freitag vier Personen bei einem schrecklichen Verkehrsunfall getötet. Mein Beileid für die Angehörigen der Opfer. Das betreffende Fahrzeug war ein SUV. Die Deutsche Umwelthilfe twitterte daraufhin:

Ein Politiker der Grünen forderte heute eine „Obergrenze“ für SUVs in Innenstädten.

Tote als Anlass zu nehmen, um ein politisches Ziel zu bekräftigen? Von „Obergrenzen“ sprechen? Das klingt doch irgendwie bekannt. Das fällt auch gleich einigen auf.

Screenshot twitter.com

Und damit keine Missverständnisse entstehen: Ja, das ist eine Instrumentalisierung. Aus einem Unfall, dessen Ursache noch ermittelt wird, einen „Raser-Unfall“ zu machen ist polemisch und populistisch. War es überhöhte Geschwindigkeit, ein medizinischer Notfall? Es gibt einen Grund, warum man abwartet, bevor man sich äußert.

Das Problem ist nicht, politische Konsequenzen zu fordern, wenn aufgrund einer Tragödie das jeweilige Thema mediale Aufmerksamkeit erhält. Das Problem ist Pietätlosigkeit und Timing. Und Kausalität. Insbesondere die Deutsche Umwelthilfe sollte sich schämen, dass sie es nicht abwarten konnte. Nicht einmal eine Beileidsbekundung vorneweg zu formulieren. Aber aus einer bestimmten Ecke kommt besonders drastische Kritik.



instrumentalisierung von rechts instrumentalisiert?

Im Focus steht „SUV-Panikmache der Linkspopulisten ist genauso schäbig wie die Hetze der Rechten“, die BILD bringt „Lobby“ und „Propaganda“ ins Spiel, Jan Fleischhauer hält „grünen Populismus“ für nicht „sehr viel weniger eklig“ als rechten. Und wie bereits erwähnt, den Tod von Menschen für politische Zwecke zu nutzen ist schamlos und eklig.

Aber wenn die Kritik von Fleischhauer kommt, der nach den Übergriffen in Silvester in Köln härtere „Abschiebegesetze“ forderte oder nach Kandel härtere Asylkontrollen ist das anders? Von der BILD brauchen wir natürlich gar nicht erst anzufangen. Und natürlich ist das ein Whataboutismus, deswegen will ich da gar nicht mehr verweilen. Instrumentalisierungen sind „eklig“, da hat Fleischhauer Recht. Aber dann gilt das auch für alle. Und das richte ich auch an alle. Aber die wichtigere Frage:

Grüner Populismus so schlimm wie „blauer“ Populismus?

Das „Alle Extreme gleich schlimm“-Narrativ muss ich auch zurückweisen. Denn so pietätlos die Instrumentalisierung der DUH auch ist, gegen die Hetze der AfD und einiger rechtskonservativer Medien ist sie gar nichts. Und genau wie bei Straftaten von Extremisten gilt: Beides ist schlimm, aber beides ist nicht gleich schlimm.

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Denn einmal ist „Hetze“ gegen einen Fahrzeugtyp schon von der Skala überhaupt nicht mit der Hetze gegen Menschen anderer Hautfarbe zu vergleichen. Ein SUV kann nicht diskriminiert werden. Ein SUV hat keine Rechte. Und ja, man mag an dieser Stelle um die armen SUV-Fahrer weinen, aber es ist etwas anderes, ob man als reicher Deutscher (Wer kann sich denn so einen Wagen leisten…) wegen seiner Fahrzeugwahl kritisiert wird oder als armer Schutzsuchender, wegen seiner Existenz, dem die Abschiebung in ein Kriegsgebiet droht? Also wirklich.

Zweitens haben wir hier die DUH und vielleicht eine Handvoll Grünen-Politiker, die meines Wissens zum ersten Mal wirklich diese Debatte derart angestoßen haben. Ich bewege mich in der „grünen Filterblase“ – was man mir sonst als Kritik vorwirft – und mir war das „SUV-tötet“-Narrativ nicht bekannt. Ich wüsste nicht, dass bei jeder Meldung eines Verkehrsunfalls Grünen-Trolle über den Fahrzeugtyp spekulieren und von „Lindners Killer-SUVs“ faseln oder wasweißich. Und Punkt Nummer drei: Wenn Grüne anfangen würden, Verkehrstote durch SUVs genau so populistisch auszuschlachten wie die AfD Straftaten von Schutzsuchenden, hätten die Rechten ein Problem.

Ist an der Kritik an SUVs ist etwas dran?

Während die AfD und die BILD verzweifelt mit Falschmeldungen, Lügen und Fake News z.B. das „Messer-Narrativ“ ausschmücken müssen (Mehr dazu), müssten grüne Populisten gar nicht so lange suchen, um Verkehrstote zu finden. Während wir für das Jahr 2018 höchsten 20 Tötungsdelikte mit mindestens einem tatverdächtigen „Zuwanderer“ finden, bei einem gleichzeitigen Rückgang jeglicher Kriminalität in Deutschland (Mehr dazu), gab es 2018 3.275 Verkehrstote – Ein Anstieg von 3% (Quelle).

Und einige Studien führen das auch auf den SUV-Boom zurück (Quelle). Unaufmerksamkeit, nicht genügend abgesicherte Fußwege und Alkohol sind Gründe für mehr Todesopfer unter Fußgängern – und SUVs, mit dem die Überlebenschancen geringer seien. Überhöhte Geschwindigkeit sind allerdings unabhängig vom Fahrzeugtyp gefährlich. Als 2017 ein BMW X5 auf einen Opel Corsa crashte, starben fast alle Insassen des Opels (Quelle). Und wenn man die Meldungen durchgeht, findet mehr solcher Fälle (Hier z.B.)

Für Fußgänger sei aber laut Unfallforschung der Versicherer (UDV) die höhere Tödlichkeit nicht belegt, es liegt dabei weniger am Fahrzeugtyp als an der Höhe des Fahrzeugs und der der Passanten. Hier spielt die „Abwickellänger“ eine Rolle, und ob man den harten Scheibenrahmen trifft. Während ein deutscher 25-Jähriger dreimal wahrscheinlicher kriminell ist als ein 25-jähriger anerkannter Flüchtling, scheinen SUVs wirklich aufgrund ihrer Masse im Straßenverkehr gefährlicher zu sein. Hier gibt es wohl mehr Substanz.

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Instrumentalisierung

Ja, wenn „Grüne“ die Toten der Invalidenstraße dafür instrumentalisiert, um Stimmung gegen SUVs zu machen, weniger, weil diese wirklich tödlicher sind, sondern wegen ihrer Umweltbilanz, ist das schäbig. Es ist ein Spielen mit Emotionen und mit Leid. Um politisches Kapital daraus zu schlagen, das nicht wirklich etwas mit dem Vorfall zu tun hat. Deshalb ist die Herkunft eines Täters völlig egal, wenn es nichts mit der Tat zu tun hat. Und die Art des PKWs, wenn der Unfall wegen anderer Dinge geschehen ist. Ein medizinischer Notfall oder eine Geschwindigkeit, die unabhängig vom Fahrzeug tödlich wäre.

Wenn die Toten in Berlin noch leben würden, wenn das Fahrzeug kein SUV gewesen wäre, aber sonst alle anderen Umstände gleich – Dann können wir darüber reden. Alles andere ist Instrumentalisierung. Und hier kann die AfD etwas lernen: Wenn eine Schreckenstat begangen worden wäre, auch wenn es die „Willkommenskultur“ nicht gegeben hätte, dann hatte sie wohl nichts damit zu tun. So war es nämlich beispielsweise am Frankfurter Hauptbahnhof. Und das ist dann Instrumentalisierung und Hetze.

Der endgültige Beweis, dass alle Frankfurt-Hetzer nur Rassisten sind

 

Und das gilt dann in alle Richtungen. Die Motoren werden zwar immer sparsamer, aber wer sich immer größere und leistungsstärkere Autos kauft, zieht die Co2-Bilanz des Verkehrs trotzdem weiter herunter (Quelle). Deswegen müssen wir auch über diesen Trend reden und wie man ihn rückgängig machen kann. Ein SUV ist sicherlich schlechter für die Umwelt und verdient eine Debatte. Aber Verkehrstote haben dann damit nichts zu tun. Und die Hetze von Rechtspopulisten und -extremisten aber auch nicht.

Artikelbild: pixabay.com, CC0, Screenshot twitter.com