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Du wirst nicht glauben, wie dumm die linksgrünen Gutmenschen wieder sind!

von | Nov 9, 2018 | Schwer verpetzt

Gutmensch*innen!

Du hast schon viele Sachen über linke oder grüne Gutmenschen gelesen – Fast jeden Tag siehst du in deinem Feed oder einer Facebookgruppe einen Screenshot oder ein Zitat von einem Politiker oder einem dieser linksgrünen Leute, die dir mal wieder zeigen, dass sie es einfach überhaupt nicht verstanden haben. Und fragst du dich nicht auch manchmal, wie man so unsinnige Dinge fordern kann?

Gendern zum Beispiel. Sie schreiben „Kinder und Kinderinnen“! Wie dämlich! Die Grünen Politikerin Katrin Göring-Eckhardt hat das mal in einer Rede gesagt. Doch pass auf: Das war ein Witz von ihr (hier steht die ganze Geschichte). Aber das eine Mal, auf dem Spielplatz, der für Kinder und Kinderinnen war? Leider eine Fälschung.



Warte, warte! Klick noch nicht weg!

Ja, ja ich weiß. Das sind nur zwei Beispiele, wahrscheinlich auch einfach extra von uns so herausgepickt. Du hast schon von vielen anderen dämlichen Fällen gehört. Du kennst ja genug andere Beispiele, die echt sind. Ok, aber frag dich selbst: Weißt du jetzt konkrete Beispiele? Kannst du uns konkrete Fälle nennen? (Wenn ja, schick sie uns doch an [email protected]!) Und wenn nein: Kannst du dir wirklich sicher sein, dass es nicht vielleicht auch Missverständnisse oder gar Fälschungen waren?

Wir lieben es, wenn andere unserer Meinung sind. Wenn ich meinen Facebook-Feed anschaue, möchte ich meine Weltsicht nicht in Frage stellen müssen. Ich möchte Beiträge von meinen Freunden sehen, die die gleichen (politischen) Ansichten haben wie ich. Ich möchte mich gut fühlen, ich möchte mich bestätigt sehen. Denn Social Media besteht ja zu einem großen Teil doch daraus: Selbstbestätigung.

Und was ich noch möchte, ist zu sehen, wie falsch diejenigen liegen, die nicht meiner Meinung sind. Denn je lächerlicher, dümmer und widersprüchlicher mein politischer Gegner ist, desto schlauer, aufgeklärter und fester ist meine eigene Überzeugung. Zusammen mit meinen gleichgesinnten Freunden suchen wir uns die schlechtesten Argumente unserer Gegner und lachen solange über sie, bis wir völlig immun gegen etwaige gute Argumente werden.

Das große Problem der Filterblasen: Stammesbildung

Warte, warte, ich will dich jetzt nicht fertig machen, lies bitte noch weiter! Ich mache das auch ständig, aber kannst du dir sicher sein, dass alle Beispiele, die du über die dummen, linksgrünen Gutmenschen gesehen hast, wirklich echt waren? Und selbst wenn sie echt waren, bist du dir sicher, dass das nicht einfach nur die dümmsten Beispiele waren und du vielleicht die guten Sachen, einfach nicht zu Gesicht bekommen hast? Verpasst du nicht vielleicht was?

Ok: Was passiert hier? Was kritisiere ich? Es gibt ein erstaunliches Phänomen im Internet: Tribalismus. Stammesbildung. Nicht länger ordnen sich Gruppen geographisch zu Stämmen zusammen, sondern im Internet über gemeinsame Ideale, Sichtweisen und nicht zu vergessen: Feindbilder. Das machen wir alle, Ich, und auch du.

Um den Zusammenhalt zu stärken, erschaffen wir uns ein Feindbild, das wir gemeinsam hassen können

Nichts schweißt eine soziale Gruppe mehr zusammen, als ein gemeinsamer Feind. Wenn „Wir“ gemeinsam gegen „Die“ kämpfen, sind wir stärker verbunden. Und dieses Feindbild entwickelt sich immer weiter: Es muss immer schlimmer, grotesker, dümmer und hassenswerter werden. Wir sammeln die schlechtesten Eigenschaften und dümmsten Aussagen unserer (politischen) Gegner und basteln uns daraus unser eigenes Bild dieses Feindes. Du hast vielleicht jetzt schon ein paar Beispiele im Kopf. Das ist ok, das muss auch nicht komplett falsch sein! Aber wie viel davon ist wahr und wie viel davon ist Übertreibung?

Dieses aufgeblasene Feindbild können wir mit aller Inbrunst hassen, auslachen und verurteilen. Dieses Totem, dieser Strohmann(-Argument) widerspricht uns nicht (wirklich) und stellt unsere Ansichten nicht in Frage. Das Problem: Wir fangen irgendwann an zu glauben, dass dieses fiktive Bild echt ist. Natürlich gibt es auch im „anderen Lager“ dumme Leute, die dumme Sachen sagen und die bestätigen uns in unserer Sicht. Aber genau wie wir uns ein Feindbild basteln, das übertrieben und stellenweise unfair ist, macht das „andere Lager“ das auch.

Wir reden nur noch übereinander, niemals miteinander

Falls du noch weiter liest: Die „anderen“ halten dich für dumm und suchen sich auch deine schwächsten Argumente und Beispiele heraus. Aber du hältst dich selbst ja nicht für dumm, oder? Und genauso wenig wie du und deine Gleichgesinnten dich für dumm halten, halten die „anderen“ das auch nicht. Gib ihnen vielleicht eine Chance und lass sie selbst erklären, warum sie zum Beispiel gendern wollen. (Und: Niemand will wirklich „Kinder“ gendern, wirklich. Also ich zumindest nicht, versprochen!)

Aber getrennt und unabhängig voneinander diskutiert jeder seine Ideen und Ideale nicht mehr mit dem politischen Gegner, sondern nur noch mit seinen selbst erstellten Feindbildern. Und was auf der anderen Seite passiert, kriegen wir gar nicht mit, dabei ist es da genau das Gleiche, nur verkehrt herum. Nachdem wir erstens völlig selbstsicher in unseren Überzeugungen geworden sind, weil sie nie jemand wirklich hinterfragt hat, oder unsere eigenen Widersprüche oder Fehler aufgezeigt hat und zweitens felsenfest glauben, der andere habe selbstverständlich sowieso Unrecht, endet letztlich jede echte Konfrontation nur im gegenseitigen Anschreien.

Ja, es tut gut, sich über die Denkfehler und Doppelmoral „der anderen“ auszulassen. Wenn wir jedoch nur weiter an einem Feindbild basteln, tragen wir lediglich zur Spaltung unserer Gesellschaft bei. Erstens wirst du nie jemanden überzeugen können (oder sogar wollen!), weil keiner sagen wird: „Oh? Du hast mich als dummen Gutmenschen beschimpft? Oh, du hast Recht, ich werde sofort meine Ansichten ändern!“ Und außerdem gibt es doch nicht nur zwei Seiten in dieser Debatte, oder?

Unsere politischen Gegner sind nicht so dumm, wie wir denken

Zweitens zerstören wir so die Grundprinzipien der Demokratie. Politik ist eigentlich dazu da, um Kompromisse zu finden und sich in der Mitte zu treffen. Natürlich ist nicht immer die Mitte von zwei Extremen das Richtige, aber wenn wir nicht miteinander reden, können wir auch niemanden überzeugen. Wenn du dich fragst, warum jemand gendern möchte, denk nicht an die dümmsten Beispiele, die dir einfallen, sondern frag jemanden selbst. Und hör ihm zu. Du möchtest doch auch echte Argumente hören, oder?

Und drittens müssen wir bereit sein, eigene Fehler einzugestehen. Müssen wir bereit sein, anzuerkennen, dass unser politischer Gegner vielleicht auch mit etwas Recht haben könnte und nicht (zwingend) dumm oder böse ist. Die anderen denken von uns doch genau das gleiche. Sie denken, wir machen dumme Sachen aus dummen Gründen. Aber stimmt das? Nein, würden wir sagen. Also denkt das auch nicht sofort von den anderen.

Ja, toll und worauf will ich jetzt hinaus?

Das hier ist keine Anklageschrift. Ich selbst bin genauso schuldig, wenn nicht gar mehr. Das ist auch eine Selbstkritik. Mich an den Argumenten „der anderen“ abzuarbeiten, die keine Substanz haben, ist einfach, fühlt sich gut an und macht mich immun gegen gute Argumente und Logik. So hab ich gelernt: Was der Gegner sagt, muss falsch sein, es kommt ja von meinem dummen Gegner. Das ist ein Problem. Wenn ich einen Mitdiskutierenden als Feind ausgemacht habe, dann höre ich auf, sachlich zu diskutieren, dann bin ich in einem Kampf um Leben und Tod. Oder halt… um Deutungshoheit. Dann werden sich nur noch Beleidigungen an den Kopf geworfen. Und am Ende gehen beide Seiten zu ihrem Stamm zurück und denken, sie hätten gewonnen und lassen sich dafür feiern.

Du findest es doch auch ungerecht, einfach als „Nazi“ abgestempelt zu werden, oder? Dann sei doch besser und stempel niemanden gleich als Gutmensch ab. Mach doch nicht das, was du bei den anderen kritisierst. Es gibt auch nicht nur „die anderen“. Die streiten sich untereinander auch ständig und sind sich in vielen Sachen nicht einig. Wenn du sie alle in eine Schublade steckst, verpasst du vielleicht ein paar gute Argumente.

Denn, auch wenn du mir vielleicht nicht glauben magst, aber die meisten von uns wollen weder Weihnachten noch Deutschland abschaffen, noch alles mögliche gendern oder so etwas, wirklich, versprochen! Hör dir einfach mal ein paar echte Argumente an, anstatt nur ständig Karikaturen dieser Argumente zu sehen. Und wenn du davon überzeugt bist, Recht zu haben: Ok, dann versucht die anderen zu überzeugen. Aber sei auch bereit, selbst von guten Argumenten überzeugt zu werden. Du willst ja nicht irrational und dumm sein, oder?

Oh, und falls du Katzen in diesem Beitrag erwartet hast, will ich dich natürlich nicht enttäuschen. Wenn ich schon Clickbait mache, dann halte ich auch, was ich verspreche!

Artikelbild: pixabay.com, CC0. Dieser Text erschien zuerst bei der Volksverpetzer-Kolumne bei Mimikama