1.850

Fake-Artikel über Claudia Roth: Warum rechte Fakes keine Satire sein können

von | Mrz 4, 2019 | Aktuelles, Kolumnen, Schwer verpetzt, Social Media

Neues Fake-Zitat

Derzeit wird ein neuer Fake in rechten Kreisen verbreitet: Ein Screenshot in der Aufmachung eines BILD-Artikels unterstellt, dass die Grünen-Abgeordnete Claudia Roth sich angeblich durch permanente Blicke von AfD-Abgeordneten „sexuell belästigt“ fühle. Das ist offensichtlich frei erfunden. Frau Roth hat wirklich „Sexismus im Bundestag“ angeklagt, jedoch im Zusammenhang der Diskussion um ein Paritätsgesetz, das dafür sorgen soll, dass Frauen proportionaler im Bundestag vertreten sind. Auch Frau Merkel hat sich positiv dazu geäußert (Quelle).

Screenshot #DieInsider

Bei der Begründung der Notwendigkeit zählt Frau Roth unter anderem auch die Abgeordneten der AfD auf, die den größten Männeranteil aller Parteien im Bundestag haben (Auf jede AfD-Frau kommen 8 Männer, Quelle). Sie beschuldigt die AfD-Abgeordneten, durch sexistische Aussagen und eine „permanente Häme gegen Frauen“ „offenen Sexismus wieder hoffähig zu machen“ (Quelle). Sexistische Aussagen und Haltungen von AfD-Abgeordnete sind lange bekannt (Quelle).



rechte Fakes hält man für wahr

Erfundene Zitate zu PolitikerInnen der SPD oder der Grünen, die man meistens in rechten Kreisen für wahr hält, sind nichts neues. Heiko Maas soll gesagt haben, die Kinderehe sei gerechtfertigt (FAKE) oder Aydan Özoğuz, dass Schutzsuchende klauen, weil sie nicht genug Spenden bekämen (FAKE). Stefanie von Berg, dass sie es gut fände, wenn die Deutschen eine Minderheit wären (FAKE) und Claudia Roth, dass man sich statt einem Haustier einen „Flüchtling zulegen“ sollte (FAKE) UND UND UND. Danke an die Kollegen von Mimikama:

https://www.mimikama.at/allgemein/frei-erfundene-politiker-zitate/

Verkauft wird das oft als „Satire“, um sich vor Kritik für die Lügen zu schützen. Doch damit etwas Satire ist, braucht es mehr als nur das Label „Satire“, was anscheinend viele nicht begriffen haben. „Satire“ ist nicht einfach nur ein anderes Wort für „Witz“, sondern ein Stilmittel, mit der Personen oder Zustände kritisiert werden sollen oder Missstände angeprangert werden. Meistens durch Übertreibung oder durch Sagen des Gegenteils dessen, was gemeint ist.

Der Hauptgrund, warum diese rechten Fake News keine Satire sein können, ist, weil sie alle für wahr gehalten werden. Selbst wenn eine subtile, pointierte Kritik versteckt sein sollte, wird sie unbrauchbar, wenn sie nicht erkannt wird.

Screenshots #DieInsider

Sehen wir einmal von der Objektifizierung von Frauen und dem Lookismus ab: Es ist durchaus ironisch, dass diejenigen, die gerade auf eine Lüge hereinfallen, von „Wunschdenken“ und „Dummheit“ sprechen.

Darum sind die Fakes keine „Satire“

Das Problem, warum es sich bei diesem Fake nicht um Satire handelt, ist natürlich, dass hier keine offensichtliche Überspitzung stattfindet. Sondern hier wird eine Karikatur des politischen Gegners gezeichnet, die aber in diesen Kreisen als wahr und realistisch empfunden wird. Es ist keine Übertreibung, weil es nicht echte Aussagen oder Positionen überspitzt, sondern Aussagen einfach erfindet, die nichts mit dem zu tun haben, was diese Personen wirklich (sagen) wollen.

Gerade in diesen Gruppen wird sich nicht mit konkreten politischen Positionen der politischen Gegner auseinandergesetzt. Man versucht gar nicht erst, das Gegenüber zu verstehen. Die einzige politische Auseinandersetzung folgt über aus dem Kontext gerissene Aussagen und solche Fake News. Deswegen ist es keine Übertreibung, sondern genau das, was diese Menschen für wahr halten.

Das ist Mobbing

Es wird von diesen Personen als lustig empfunden, nicht, weil es auf Missstände oder Widersprüche hinweist, sondern weil es Frau Roth erniedrigt und diese Menschen Wohlbefinden, ja Schadenfreude empfinden. Das hat nichts mit Satire zu tun, welche dazu gedacht ist, Kritik zu üben. Das ist die gleiche Art Humor, die im Mobbing verwendet wird, um das Opfer bloßzustellen. Und damit sich die Täter besser fühlen können.

Das ist übrigens auch der Grund, warum der „Witz“ Annegret Kramp-Karrenbauers über Inter*Sex-Personen heftig kritisiert wurde. Sie hat nicht Missstände kritisiert, sondern für einen Lacher eine Minderheit lächerlich gemacht. Noch dazu als jemand, der als „Miss Homophobia“ bekannt für eine diskriminierende Einstellung solchen Personen gegenüber ist.

Kramp-Karrenbauers „Witz“ ist kein Witz, sondern Diskriminierung

Es spielt keine Rolle, dass es Fake ist

Der Beweis, dass es diesen Personen gar nicht um Kritik, nicht einmal um einen Witz geht, findet sich in den Kommentaren. Auf den Hinweis, dass es sich um „Satire“ handelt, reagiert eine Person so:

Diese Person hat zugegeben, dass sie denkt, Frau Roth würde wirklich so etwas sagen oder glauben. Einen Fake, von dem man glaubt, dass er genau so gesagt werden könne, kann per Definition schon nicht mehr Satire sein. Es geht auch gar nicht darum, einfach nur einen Spaß zu machen. Allein schon deswegen nicht, weil die meisten ja nicht wissen, dass es nicht echt ist.

Ziel ist Erniedrigung

Es geht darum, seinen politischen Gegner zu erniedrigen. Ihn auszulachen, um ihn bloß zustellen. Dadurch stärkt man das eigene Selbstbewusstsein in Relation dazu. Und man genießt den „Luxus“, sich nicht in der Sachebene mit dessen Positionen auseinandersetzen zu müssen. Wenn sie als lächerlich und merkwürdig dargestellt wird, muss man nicht mehr Frau Roths echten Aussagen und Vorwürfe ernst nehmen. Das ist fatal und zerstört jeglichen politischen Diskurs.

Echte Satire zeigt durch Karikatur auf, wo ein Fehler liegt. Über echte Satire kann im besten Fall auch der Karikaturierte lachen, da sie Aussagen und Taten zum Thema hat. Nicht zum Beispiel das Aussehen. Die Pointe bei Satire ist nicht: „Haha, sie ist dumm und hässlich“. Das ist die Pointe von Leuten, die sich politisch anderweitig nicht zu helfen wissen. Und nicht begriffen haben, was Satire sein soll.

Artikelbild: Screenshots facebook.com, #DieInsider