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Skandal! Flüchtling fordert Auswanderung einer Deutschen! (Was die AfD unter Meinungsfreiheit versteht)

von | Mai 3, 2019 | Aktuelles, Kolumnen, Schwer verpetzt, Social Media

Flüchtlinge, Palmer, die Grünen und memes

Ah, ich komm darauf nicht klar. An dieser Geschichte ist so vieles absurd und dämlich. Die AfD ist die Personifizierung der Doppelmoral und des Fehlen jeglicher Logik. Und die Königin der Absurdität. Und diese Geschichte zeigt, dass die AfD weder die Meinungsfreiheit verstanden hat, noch das man nicht alle Probleme damit lösen kann, dass man sie aus dem Land wirft. Aber holen wir erst einmal ein wenig aus. Es fing alles mit dem (noch?) Grünen Boris Palmer an.

Vor einigen Tagen machte Boris Palmer, Tübingens (eigentlich) grüner Oberbürgermeister, wieder einmal mit einer rassistischen Äußerung auf sich aufmerksam. In vollem Bewusstsein, dass er einen „Shitstorm“ (auch bekannt als legitime Kritik) lostreten würde, bemängelte er zu (einem kleinen Ausschnitt) der Startseite der Deutschen Bahn, dass zu wenig weiße Menschen auf dem Bild abgebildet seien.

Screenshot facebook.com

Den Rassismus in seiner Kritik versuchte er dadurch zu rechtfertigen, dass er der Bahn unterstellte, sie hätte die Models eben aufgrund ihrer „nicht weißen“ Hautfarbe ausgewählt. Er unterstellte, die Bahn würde aus Repräsentationsgründen weiße Menschen unterrepräsentieren. Doch Palmers Pseudo-Kritik beziehungsweise gezielte Provokation ging aus zwei Gründen völlig nach hinten los.

Nicht nur beinhaltet die DB-Startseite, wenn man weiter herunterscrollt. durchaus viel mehr weiße Menschen als Nicht-Weiße (nicht, dass das wichtig wäre), die Auswahl aus seinem Screenshot erfolgte nachweislich nicht aufgrund der Hautfarbe. Denn bei den Personen handelt es sich um Prominente, wie Nelson Müller oder Nico Rosberg. Und ironischerweise hat ausgerechnet auch der einzige „Weiße“, Nico Rosberg, einen Migrationshintergrund. Die ganze Analyse hier:

DB-Werbung: Palmers neueste rassistische Provokation ging nach hinten los



Claudia Roth und der AfD-Flüchtling

Dann hat sich Claudia Roth zu Wort gemeldet und hat Palmer den Parteiaustritt Nahe gelegt. Er habe sich inzwischen sehr von grünen Positionen entfernt. „So leid es mir tut. Das ist eindeutig rassistisch und Rassismus ist keine Meinung, sondern Rassismus. Niemand wird ihn davon abhalten, sich einen Ort zu suchen, an dem er sich politisch wohler fühlt – auch jenseits der Grünen“, sagte sie. (Quelle). Palmer hat inzwischen auch seinen Fehler eingestanden und seine Aktion als „Bockmist“ bezeichnet.

Aber eine Diskussion über Rassismus und Ausgrenzung ohne die AfD führen? Da fühlte sich die AfD natürlich ausgegrenzt (Haha, get it? Ok, sorry). Und versucht sich um jeden Preis in die Debatte zu drängen wie ein Flüchtling, der auf der anderen Seite eines Zauns.. ach lassen wir das. Ich komme ja schon zum Punkt! Die AfD verteidigt die Aussagen Palmers und bringt dabei die Wahrheit™ und den gesunden Menschenverstand™ in Verruf.

Screenshot facebook.com

Das ist Petr Bystron, der in der Tschechoslowakei aufwuchs und 1987 mit seinen Eltern in die Bundesrepublik Deutschland floh und politisches Asyl beantragte. Von März bis September 2017 (Einzug Bundestag, pol. Immunität) wurde er vom Bayerischen Verfassungsschutz beobachtet, weil er „Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen aufzeige“. Seine Fachkompetenz haben wir in der Vergangenheit bereits des Öfteren analysiert:

AfDler blamiert sich auf Twitter: Was ist denn die „Antifa“?

Meinungsfreiheit und die Auswanderungs-Keule

Und klar ist sein Migrationshintergrund für die Debatte völlig irrelevant. Wer es von den AfD-Fans als unfair empfindet, dass ich ihn in der Überschrift darauf reduziert habe: WELCOME TO MY WORLD! Stellt euch mal vor, ein Flüchtling bei den Grünen hätte so etwas zu einem Deutschdeutschen in der AfD gesagt. Ich finde es nur äußerst amüsant, dass die AfD auch nur irgendeinen Sinn in der Forderung nach Auswanderung sieht. Man kann nicht alle Probleme damit lösen, dass man sie einfach aus dem Land befördert.

Auja, Memes. Wir haben Spaß. Aber die Sache zeigt auch großartig das Verständnis von „Meinungfreiheit“ à la AfD. Sie tut so, als würde sie Roth dafür kritisieren, dass sie Palmers Meinungsfreiheit einschränkt. Dabei hat Roth genau so ein Recht auf die Meinung, andere Meinungen scheiße zu finden, wie die AfD es hat, Roths Meinung schlecht zu finden. Sie aus der Debatte (bzw. dem Land) zu werfen ist so ziemlich das Gegenteil von Meinungsfreiheit.

Und Palmer aus den Grünen zu werfen? Sie hat ja nicht gesagt, dass Palmer seine Meinung nicht mehr sagen dürfe. Nur dass die Grünen vielleicht nicht der richtige Ort für so eine Position sind. Rausgeworfen ist das auch nicht. Und außerdem: Hey, die Grünen dürfen in ihrer Partei machen was sie wollen. Oder bestimmt die AfD jetzt auch noch, wer in den Grünen ist? (Oh da gab’s mal eine Geschichte, lasst mich nicht damit anfangen)

Typisch AfD, warum gibst du ihr aufmerksamkeit?

Ich sagte vorhin, die Geschichte ist ein Musterbeispiel dafür, wie absurd die Forderungen der AfD sind und wie widersprüchlich und letztendlich sinnlos einige „Debattenbeiträge“. Sie sind auch ein gutes Beispiel dafür, wie wenig Schamgefühl die Partei hat, mit so einem Bauchgefühls-Hass Aufmerksamkeit um jeden Preis zu suchen. Und klar falle ich drauf rein. Der Köder, er war so lecker und so verführerisch.

Das ist doch irgendwie das Problem. Ich kann stundenlang erklären, warum die Aussage keinen Sinn macht. Aber sie hat alles das, was AfD-Wähler lieben: Ein unvorteilhaftes Foto von Frau Roth (Die Grünen!!1), eine Forderung, jemanden aus dem Land zu entfernen, und bis ins Sinnlose entstellte Buzzwords wie „Gesunder Menschenverstand“ (Was ist so gesund daran, sich darüber aufzuregen, dass in einem kleinen Ausschnitt der DB-Werbung ein paar Promis sind, die keine weiße Hautfarbe haben?) und „Meinung“.

Es geht gar nicht darum, was wirklich gesagt wird. Man wird einwenden, dass das nicht wörtlich zu nehmen ist (Beliebte Strategie) und nur eine Kritik an der vermeintlich grünen Unsitte sei, keine anderen Meinungen zu zulassen. Und selbst wenn das hier nicht explizit zutrifft (vor allem, weil Palmer doch selbst ein Grüner ist) dann verweist man vage auf alle anderen Beispiele. Die meistens auch genau so ein Mist sind (15 Fakes über die Grünen). Das ist der Diskurs, den wir heutzutage führen. Den ich führe. Mit mir selbst. Und mit euch noch, die ihr den Artikel tatsächlich bis zum Schluss gelesen habt. Ich kümmer mich als nächstes wieder um irgendwas wichtiges, versprochen. Aber ich hatte Spaß. Und vielleicht ist das hier die Lektion: Nehmt die AfD nicht zu ernst.

Artikelbild: pixabay.com, CC0