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So sehr will dich dieser Artikel über Greta manipulieren

von | Aug 23, 2019 | Kolumnen, Schwer verpetzt

Wie viel PR steckt in (dem Hass gegen) Greta Thunberg?

Wow, dass sich diese Medien nicht schämen, so einen manipulativen und grottenschlechten Artikel zu veröffentlichen, will sich mir nicht erschließen. Bei meiner Recherche über verschiedene Kritikpunkte, Fake News und Vorwürfe an Greta Thunberg habe ich einige Artikel in – wie ich annahm – seriösen Medien gelesen. Ich wollte nicht nur offensichtliche Fake News von rechtsextremen Medien sehen, sondern auch, was die seriösen Argumente seien. Resultiert hat diese Recherche in diesem Artikel über die Fakten zu ihrer Segelreise (Quelle) und in diesem Faktencheck über die Fakten und nicht ausgeschmückten Tatsachen um Greta Thunbergs Bekanntheit:

6 Fakten über Gretas Segelreise: Keine 5 extra Flüge, kein „Filmteam“

Während meiner Lektüre stieß ich auf einen Artikel, der so grauenvoll tendenziös, manipulativ und falsch ist, dass ich es eigentlich bis jetzt nicht glauben kann, dass man so etwas veröffentlichen ließ. So einen Artikel hätte ich in den Fake News- und Hetzschleudern der rechtsextremen Szene im Dunstkreis der AfD erwartet, aber nicht bei n-TV, „The European“ oder dem Focus. Die alle in kurzem Abstand den gleichen Artikel veröffentlichten. Ich hätte gedacht, dass diese Plattformen zumindest ein bisschen Anstand haben würden. Doch das Geschäft mit dem Greta-Hass lohnt sich wohl: Zigtausende Interaktionen und Teilungen verzeichnet der Artikel „Wie viel PR steckt in Greta Thunberg“, der zuerst am 13. August auf n-TV veröffentlicht wurde.

Ich möchte den Autor Wolfram Weimer nicht persönlich kritisieren, und möchte nicht über dessen journalistische Fähigkeiten oder sonstige Arbeit urteilen, aber dieser Artikel ist derartig fürchterlich falsch und manipulativ, er hätte von einem Pressesprecher der AfD kommen können. Jedoch ist er umso perfider: Anstatt auf einem rechtsextremen Hetzblog zu erscheinen, wirkt er auf den ersten Blick seriös: n-TV, Focus, er stellt eine harmlose Frage im Titel. Doch gleich in den ersten Zeilen erwarten den Leser ein finsteres Framing und Falschdarstellungen vom Feinsten.



Jeder Satz ist ungeheuerlich

Bereits der Teaser mit dem „Medienspektakel“ und den im „Hintergrund“ „PR-Strippen“ ziehenden „Profis“, die „erstaunliche Geschäfte“ machen ist nur dazu gedacht, die Greta-Hasser anzulocken. Großspurige Ankündigungen, ein Manipulations-Framing, alles Elemente für die rechte Verschwörungstheorie der bösen PR-Greta. Der erste Absatz fährt großspurig fort, und spricht von einem „zerbrechlichen Kind“, das sich in die „Atlantikfluten stürzt“, um die „Apokalpyse“ zu verhindern. Gehts noch eine Nummer kleiner?

Ich muss hier bereits einhaken. Denn genau diese lächerliche Übertreibung der Berichterstattung (die ich nebenbei im Ausmaß ebenfalls überzogen fand) füttert genau das Misstrauen der Rechtsextremen und Klimawandelleugner. Welche Zeitung hat denn das derartig dargestellt? Ich habe von so einem Unsinn nichts gelesen. Es ist eine sinnlose Übertreibung, die nur den Zweck hat, die Berichterstattung verdächtig erscheinen zu lassen. Aber habt ihr die selben Nachrichten gelesen wie ich? Das ist übrigens eine typische Methode von Verschwörungstheoretikern: Eine reale Tatsache wird falsch oder entstellt dargestellt, um Misstrauen zu erzeugen.

Wahnwitzige Vergleiche

Dazu gehört auch der Vergleich mit dem „Kinderkreuzzug“ von 1212. „Historiker“ würden durch ihre Reise daran erinnert werden, heißt es. Wieder wird die Reise der Schwedin künstlich und völlig aberwitzig überdimensioniert mit völlig abwegigen Vergleichen. Es soll so dargestellt werden, als würden sie oder ihre Anhänger*innen ihre Überfahrt damit vergleichen. Dabei machen das ausschließlich ihre Kritiker – oder soll ich sagen: Hater? Eben um sie zu diskreditieren. Es ist das gleiche, falsche „Greta-Heilig“-Narrativ, auf das ich gleich noch komme.

Auf die verblödeten Vergleiche von Greta mit Nikolaus von Köln, der den „Kindern, die sich um ihn geschart hatten“, Wunder versprochen haben soll, gehe ich nicht groß ein. Historisch bestenfalls flüchtig sind die Parallelen zu Greta quasi nicht existent und beschränken sich auf „eine Reise“ und irgendwie auf Kinder, auch wenn Greta „das Kind“ (Hey, sie ist 16, sie ist eine junge Frau) ist, und Nikolaus von Köln nicht. Wo habt ihr diese Parallele her? Aber Hauptsache irgendwas mit einem gescheiterten Kreuzzug, um das Bild von (Irr-)Gläubigen zu beschwören.

Eine Gegenüberstellung, die keine ist

Dann kommt vielleicht der frechste, weil manipulierendste Absatz. Der Autor möchte einen vielleicht dazu verleiten, dass man denkt, er sei in irgendeiner Weise neutral oder ernst zu nehmen. Aber dieser Absatz ist das dreisteste, was ich außerhalb von rechtsextremen Medien seit langem lesen musste. Er stellt beide „politischen Lager“ gegenüber. Das „links-ökologische Milieu“ „verehre“ die Umweltaktivistin als „selbstlose Prophetin“ „wie eine Heilige“.

Zuerst einmal: Entschuldigung, was hat der geraucht? Es ist bereits die dritte maßlos übertriebene Darstellung der FridaysForFuture-Bewegung und wir sind erst am Anfang. „Irgendjemand“ stellt die Reise als gefährliche Atlantikfahrt und Kreuzfahrt dar, Greta als „Heilige“ und „Prophetin“? Ja, sicherlich nicht diejenigen, die das Klima retten wollen oder Greta Thunberg selbst. Zeigt mir Beispiele, anstatt ständig diese Behauptungen aufzustellen, die sich schon verselbstständigt haben. Das sind alles Unterstellungen und Behauptungen und ein rechtsextremes Narrativ, das versucht, seine Gegner als irrational und überzogen darzustellen. Das ist die gleiche Kerbe wie „Gutmensch“. Und dieser Text stellt sich einfach hin und nimmt das als Fakt. Bin ich hier bei der versteckten Kamera?

Aber es wird noch dreister: Die „andere“ Seite „-vor allem Rechtspopulisten-“ wird vom Autor ebenfalls beschrieben. Ah, er ist also ausgewogen und stellt die Karikaturen der „beiden Lager“ gegenüber, und spricht von der Gegenseite in gleichem Maße als „kohlelobbymanipulierte Nazis“, die nichts besseres zu tun haben, als eine junge Frau im Internet zu beleidigen, dar? Ha, auf gar keinen Fall. Denn die „Rechtspopulisten“ „schmähen sie als `öko-religiöse Putte` und ihr Tun als `grünen Katastrophenklamauk`.

Jep. Nachdem wir falsche und diskreditierende Anschuldigungen gegen Gretas Anhänger und sie selbst lesen mussten, dürfen wir bei der „total ausgeglichenen“ Darstellung der Gegenseite weitere falsche und diskreditierende Anschuldigungen gegen Greta lesen. Ist das dein Ernst? Es ist eine Auflistung von Anschuldigungen und Beleidigungen, einmal als Zitate und einmal als Eigenaussagen. Toll gemacht. Nicht nur das: Diese speziellen Zitate habe ich dort zum ersten Mal gelesen. In der Art und Weise, wie Greta in diesen rechtsextremen Gruppen mit Gewalt gedroht wird, wie ihr der Tod gewünscht wird und wie sie beleidigt wird, ist das de facto bereits Verharmlosung.

Lausanne: So geheuchelt & widerlich reagieren Rechtsextreme auf Greta

Völlig falsche und einseitige darstellung

Bei dieser dreisten Manipulation und verzerrten Darstellung der Debatte muss es niemanden wundern, dass der ganze Text voller Unterstellungen, Fake News, Verschwörungstheorien und Diskreditierungen ist. Und nur nebenbei: Sie ist kein „krankes Mädchen“, sie hat Asperger, keinen Krebs. Ein weiterer Baustein, der den Mythos von der manipulierten und inszenierten Greta bekräftigen soll. Aber hey, das einzige, was hier manipuliert, ist dieser unsägliche Text.

Wenn er davon schreibt, dass „im Publikum“ angeblich „Skepsis wächst“, wer sie denn „inszeniert“ oder dass sie „Kritik einstecken“ musste, weil sie sich im Hambacher Forst mit einer Aktivistin fotografieren ließ, die nicht erkannt werden wollte, ist das nur der Versuch, die Anschuldigungen aus dem rechtsextremen Kontext zu entkontextualisieren und zu verschleiern, dass er sie gerade selbst hervorgebracht hat. Übrigens: Die Aktivistin wollte eben anonym bleiben. Big deal, der Autor zieht von Vermummung dann jedoch sofort den irren Bezug zu einer (welcher??) „gewaltbereiten“ und „linksextremistischen Szene“. WTF? Welche denn? Und was hat das jetzt mit Greta zu tun?

Framing, Framing, Lügen

Zu diesem grottenschlechten Artikel gäbe es eigentlich in jedem Satz etwas zu sagen, aber er versucht weiter, Gretas Reise damit zu diskreditieren, dass das Boot teuer war (Äh, ja und?) und das Team, das es normalerweise fährt aus Monaco stammt, was ein Steuerparadies sei (JA UND?? WAS HAT DAS MIT GRETA ZU TUN) und der Stuttgarter Unternehmer, der ihr die Reise ermöglicht, sei aus irgendeinem Grund „ominös“. Warum denn???

Wow, große Klasse. Du hast dein leichtgläubiges Publikum hier prächtig mit Nichts manipuliert. Mit dem richtigen Framing kann man alles verdächtig darstellen. Ein Stuttgarter Unternehmer, der ein Rennboot gekauft hat, hat es Greta für ihre Überfahrt zur Verfügung gestellt. Oder wie dieser Text es sagen würde: Ein „kalt inszeniertes Produkt cleverer Marketingstrategen, die Profit aus dem Hype schlagen wollen“. Wahnsinnig!

Merkt ihr überhaupt noch was? Der ganze restliche Text geht genau so weiter im Stil eines Verschwörungstheoretikers und Propagandisten. Da werden Tatsachen verzerrt, Kontext weggelassen, Motive und Details hinzugedichtet, alles, um den ganzen Aktivismus von Greta Thunberg in einem zwielichtigen Licht darstehen zu lassen. Und sie irgendwie mit Leuten in Verbindung zu bringen, die ihren Namen und Gesicht für Publicity nutzen. Ich habe alle Fakten in diesem Artikel schon einmal aufgedröselt, ihr findet es auch bei Mimikama und Correctiv.

Es reicht! Abrechnung mit der „systematischen PR-Kampagne mit Greta“

Dieser Text ist eine einzige manipulative Verarsche

Dieser Text, der so weit verteilt wurde und das Futter für Rechtsextreme, Klimawandelleugner und Greta-Hasser aller Coleur lieferte, ist aber reine Stimmungsmache und grenzt an Hetze. Er ist voller wahnwitziger Unterstellungen, manipulativem Framing, Auslassungen und konstruierten Zusammenhängen. Alles mit dem Ziel, Gretas Reise in ein schlechtes Licht zu rücken.

Dabei sind es doch genau jene Autoren und Medien, die den Hass auf Greta pushen. Die Medien wie n-TV und Focus, die aufgrund des völlig überzogenen Hasses gegen die Aktivistin Klicks, Interaktion und Geld verdienen. Wie viel PR steckt hinter dem Hass auf Greta Thunberg? Verdienen verschiedene Konzerne daran, wenn die Klimabewegung lächerlich gemacht wird und ins Zwielicht gerückt? Arbeiten ihre Lobbygruppen daran, diese Zweifel und Misstrauen zu streuen? Verdienen die Zeitungen an der Dauerbeschallung mit dem Thema, eben weil sich so viele Menschen darüber aufregen werden? Vielleicht sollten wir eher anfangen, die richtigen Fragen zu stellen, als solchen völlig unseriösen Artikeln eine Plattform zu geben.

Artikelbild: Golubovy, shutterstock.com / Screenshot facebook.com beeboys