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Harder-Kühnel: Natürlich ist es demokratisch, jemanden nicht zu wählen

von | Apr 5, 2019 | Aktuelles, Kolumnen, Politik, Schwer verpetzt

Harder-Kühnel nicht gewählt: Gut so!

Auch im dritten Anlauf scheiterte die zweite Kandidatin der AfD, Harder-Kühnel, bei der Wahl zur Bundestagsvizepräsidentin (Quelle). Jetzt entbrennt eine Diskussion, ob es demokratisch sei, einer Partei diesen Posten zu verweigern. Erstmal zu den Fakten: „Jede Fraktion des Deutschen Bundestages ist durch mindestens einen Vizepräsidenten oder eine Vizepräsidentin im Präsidium vertreten.“ Das steht in der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages. Diskussion vorbei?

Das argumentieren zumindest so einige Kolumnisten aus den deutschen Tageszeitungen. So einfach ist das aber nicht. Erst recht nicht, wenn es um die AfD geht. Ihr erster Kandidat, Albrecht Glaser, ist mehrmals durch rassistische und volksverhetzende Aussagen negativ aufgefallen, hat z.B. Muslimen die Religionsfreiheit abgesprochen (Quelle). So jemand sollte offensichtlich keine Ämter im Bundestag bekleiden.



die AfD und die Opferrolle

Die Abgeordnete Harder-Kühnel wird von der AfD, aber auch von vielen politischen Kommentator*innen als „gemäßigt“ verkauft, als „sachlich“ und „neutral“. Doch auch das wird stark angezweifelt (Hier). Ist es hier anders als bei Glaser? Der Großteil der Bundestagsabgeordneten (423) sah das nicht so. Die AfD beklagt erwartungsgemäß, dass dies „undemokratisch“ sei und wirft sich in ihre so geliebte Opferrolle. Auch hier argumentieren einige, dass man der AfD nicht Grund geben sollte, sich als Opfer darzustellen.

Sollte man aber. Solange die AfD Opfer ist, ist sie nicht Täter. Außerdem braucht es keine Vorlagen, damit sich die AfD als Opfer präsentiert. Egal, ob das Sinn ergibt oder nicht. Sie demonstrieren gegen die gewählte Frau Merkel – beschuldigen Anti-AfD-Demos allerdings als „undemokratisch“ (Mehr dazu). Sie inszenieren ständig alle Meldungen derart, dass sie Opfer sind (Hier), manchmal lügen sie auch über Zusammenhänge, wie im Fall Magnitz.

Fall Magnitz: Helfender Handwerker widerspricht der AfD-Darstellung

Eine Wahl kann nicht undemokratisch sein

Auch wenn laut Geschäftsordnung jede Fraktion eine*n Vizepräsident*in stellen sollte, so muss eine Wahl mit dem Gewissen jedes einzelnen Abgeordneten vereinbar sein. Es gibt kein Recht darauf, gewählt zu werden. Sonst wäre das keine Wahl. Sonst wäre das einfach ein Posten, zu welchem die AfD eine*n Kandidat*in aufstellen könnte. Es ist aber eine Wahl. Wer wirklich die Wahl hat, kann auch Nein sagen.

Viele sagen: „Hättet ihr das auch bei einer anderen Partei gemacht?“, mit der Botschaft, dass die AfD nicht anders behandelt werden dürfe, aus Gründen der Fairness. Und die Antwortet lsutet klar: Nein. Die AfD muss anders behandelt werden als andere Parteien, weil sie sich anders benimmt als andere Parteien. Die AfD ist dezidiert undemokratisch. Sie hält sich nicht an die Spielregeln. Sie versucht den Diskurs und die parlamentarischen Abläufe des Bundestags zu zerstören. Dafür gibt es genug Beispiele:

Die 10 peinlichsten Aktionen der AfD im Bundestag

Und vergessen wir nicht die immer weiter ausartende Spendenaffäre, in der es immerhin um illegale Parteispenden und Bruch des Parteienfinanzierunggesetzes handeln könnte. Und wir haben noch nicht einmal über die Tatsache geredet, dass der Verfassungsschutz derzeit prüft, ob die gesamte AfD überwacht werden sollte und Teile der AfD bereits eingeschränkt überwacht werden. Die AfD beschäftigt nachweislich Rechtsextreme und Neonazis, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden, die im Bundestag ein- und ausgehen können (Quelle). Das ist keine normale Partei.

Anti-Demokraten keine Macht geben

Wenn Harder-Kühnel eine aufrechte Demokratin wäre, dann wäre sie in der falschen Partei. Ist es zu erwarten, dass Zwischenrufe oder Protokollbrüche der AfD angemessen geahndet werden, wenn eine AfD-Vizepräsidentin vorsitzen würde? Das ist stark zu bezweifeln. Wenn jemand alles dazu tut, die demokratischen Spielregeln zu brechen, darf man ihm nicht noch mehr Macht geben, das zu tun, selbst wenn es „unfair“ sein sollte.

Die AfD behandelt alle anderen auch unfair. Sie lügt andauernd, regelmäßige Leser*innen unseres Blogs wissen das. Sie hat ohne jeglichen Beweis die SPD und Grünen für den Angriff auf Magnitz verantwortlich gemacht. Ist das fair? Sie hat mit einer unangekündigten Schweigeminute das Protokoll verletzt und beschwert sich dann, wenn sie abgebrochen wird (Quelle). Fair? Sie hat die Beschlussfähigkeit des Bundestags bezweifelt und einen Hammelsprung provoziert und ist dann absichtlich draußen geblieben und in die Kantine gegangen, damit die Sitzung beendet werden müsse. Erfolglos übrigens. Ist das fair oder demokratisch? Nein!

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Undemokratisch zu undemokraten sein!

Ja, keine*n AfD-Kandidat*in auf diesen Posten zu wählen ist vielleicht unfair. Aber wir können und dürfen nicht so blöd sein, denjenigen, die sich nicht an die Spielregeln halten, die Macht zu geben, die Regeln noch mehr zu ihren Gunsten zu brechen. Die AfD wird sich immer als Opfer aufspielen, einfach weil es gute PR ist, ob man sie wählt oder nicht. Die AfD wird die Regeln brechen, ob sie eine Bundestagsvizepräsidentin hat oder nicht. Im Gegenteil, sie hat dann noch mehr Möglichkeiten das zu tun.

Ja, alle werden meckern über den Vergleich, aber die NSDAP hat auch regelmäßig das Parlament aus Protest verlassen und Abbrüche der Sitzungen forciert. Hitler wurde auch zum Reichskanzler ernannt, in der Hoffnung, dass die Verantwortung und die Position ihm seine Opferrolle nimmt und ihn mäßigt. Faschisten sehen sich auch noch als Opfer während sie ganz Europa mit Krieg überziehen und Genozid verüben. Natürlich ist die AfD noch lange keine NSDAP. Aber Toleranz und Demokratie müssen um ihrer Selbst willen das Paradox aushalten, dass man intolerant zu Intoleranten sein muss.

Falsche Fairness und falsche Ausgeglichenheit machen mehr kaputt als sie retten. Von Pseudo-Toleranz können wir uns nichts kaufen. Denjenigen Macht zu geben, die diese mit Ansage missbrauchen werden, muss eine schlechte Idee sein. Und wie gesagt: Letztlich kann kein*e Abgeordnete*r gezwungen werden, für jemanden zu stimmen, den er oder sie nicht wählen will. Das wäre nämlich wirklich undemokratisch.

Artikelbild: St. Krug, CC BY-SA 3.0