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Lindner labert wieder Scheiße oder warum FridaysForFuture keine „besorgten Bürger“ sind

von | Apr 22, 2019 | Aktuelles, Kolumnen, Politik, Schwer verpetzt

Fridaysforfututre vs „willkommenskultur“

Versteht mich nicht falsch. Christian Lindner ist kein schlechter Mann. Zwischen ihm und zum Beispiel den Spaten der AfD liegen Welten. Lindner hat sich gegen eine Obergrenze von Flüchtlingen ausgesprochen („Humanität hat keine Obergrenze“), die FDP setzt sich für LGBTQ-Themen ein. Lindner leugnet nicht den Klimawandel wie andere Trottel (,die sogar Kolumnen in der FAZ oder WELT schreiben dürfen…). Die FDP und Lindner sind nicht so schlimm, wie es manchmal in der linken Blase den Eindruck erweckt. Ich würde sagen 2/3 des FDP-Wahlprogramms kann ich genau so unterschreiben. ABER…



Warum kritisiert man diejenigen mit den fakten?

Christian Lindner hat eine ganz schlechte Angewohnheit. Und das ist das, was ich in meinem Kopf gerne als das „Mitte-Syndrom“ bezeichne. Wie man auch an diversen Wahlplakaten sehen kann, gefällt sich Lindner und mit ihm die FDP sehr in der Rolle des sachlichen Schlichters. „Weder rechts noch links“, „Wir wollen weder keine Flüchtlinge aufnehmen, noch alle“ (oder so ähnlich). Was eigentlich ein sehr guter Ansatz ist, denn Unsachlichkeit, Polemik, Rudeldenken und blinde Flecken haben alle. Auch die „Linken“ und „Grünen“ verirren sich gelegentlich. Aber „Sachlichkeit“ bedeutet nicht „Die Mitte zwischen AfD und Grünen“.

Wenn Lindner von „Profis“ bei FridaysForFuture spricht, wenn er kritisiert, dass Schulschwänzen schlecht ist oder dass Debatten nicht emotional geführt werden sollten, hat er ja irgendwo Recht. Im Kern der Sache. Aber er hat die ganz schlechte Angewohnheit, dass er dabei offen mit den Ressentiments und Vorurteilen von Konservativen, Rechten und Klimawandelleugnern spielt. Er begibt sich nicht auf dieses Niveau herunter, aber er möchte von diesen Leuten gewählt werden. Und das ist Mist.

Er spricht von Sachlichkeit und kritisiert Emotionalität, die man ja durchaus bei FFF oder Grünen finden mag, aber seine provozierenden Sprüche richten sich gefühlt zu selten gegen diejenigen, die wirklich geistig blank in der Debatte da stehen. Natürlich will er auch was gegen den Klimawandel machen, aber warum kritisiert er immer wieder diejenigen, die genau dafür auf die Straße gehen? Denen zehntausende Wissenschaftler*innen Recht geben? Das ist doch Quatsch.

FridaysForFuture sind keine „besorgten Bürger“!

In der rechtsextremen bis konservativen Blase, in der der menschengemachte Klimawandel entweder geleugnet oder ignoriert wird, werden diejenigen, die sich dafür einsetzen, dass aufgrund dieser Fakten gehandelt wird, als „Panikmacher“ oder gar „Hetzer“ bezeichnet. Man spricht von „Hetze“ gegen den Diesel. Deswegen setzt sich die AfD absurderweise mehr für die Rechte von Verbrennungsmotoren ein als für die von ertrinkenden Menschen. Das Argument scheint das rechte Pendant zu der Kritik an AfD-Hetze gegen „kriminelle Migranten“ zu sein.

Seit spätestens 2015 setzen wir (und gerade wir vom Volksverpetzer) uns sehr dafür ein, dass die Debatte über Kriminalität von „Flüchtlingen“ eben nicht „emotional“ geführt wird. Dass Statistiken nicht verzerrt werden, dass solche Meldungen nicht überproportional bewerten werden und so weiter. Dass nicht mit falschen oder aus dem Kontext gerissenen Meldungen Hetze gegen Menschen und ihre Rechte betrieben wird. Wer uns länger liest, hat diese Laier schon oft gehört.

Mit diesen Fakten über Flüchtlingskriminalität zerlegst du die AfD in Diskussionen

Und ich möchte noch mal daran erinnern, dass 2018 zum zweiten Mal in Folge die Kriminalität (auch von Schutzsuchenden!) gesunken ist und auf dem niedrigsten Stand seit der Wiedervereinigung liegt (Mehr dazu). Dieser gleiche Vorwurf der „Faktenfreien Hetze/Angstmacherei“ wird jetzt von der Gegenseite bei FridaysForFuture gebracht. Die an solche Untergangsszenarien wie „Islamisierung“ oder gar den „Großen Austausch“ glaubt. Sehr ironisch ist es ja schon.

zurück zu lindner

Lindner hat behauptet, wenn #FridaysForFuture nicht während der Schulzeit stattfinden würde, würde er auch teilnehmen. Um zu implizieren, dass das das Einzige sei, was ihn störe, nicht ihre berechtigte Kritik. Wir hatten Karfreitag – Schulferien – und massenhaft Demonstrationen. Kein Lindner. Und ich will ihm auch nichts vorwerfen, aber wenn er FridaysForFuture und Klimaaktivist*innen genau so (oder vielleicht sogar mehr) kritisiert als Klimawandelleugner, dann hilft er letztlich nur den rechten Spinnern.

Wenn er die Klimastreiks derart pseudo-kritisiert dann redet er der AfD und Co nach den Mund, er legitimiert fast ihre Positionen. Zumindest aber ihre Skepsis. Er versucht sich in der vermeintlich „sachlichen“ Mitte zu positionieren, aber die liegt nicht auf halbem Weg zwischen Grünen und AfD, sondern da, wo die Fakten und die Wissenschaft liegen. Und das ist halt eher bei den Schüler*innen von FridaysForFuture. Das sage nicht ich, sondern die Experten.

Harald Lesch zerstört in einer Minute alle FridaysForFuture-Kritiker bei Anne Will

Nur weil jemand Alarm schlägt, heißt das nicht zwangsläufig, dass dieser nicht gerechtfertigt ist. Wir haben halt nicht mehr 5 vor 12, sondern schon 12. Greta Thunberg wurde vorgeworfen, dass sie gesagt hat, wir sollen in „Panik verfallen“. Weil die Vorstellung, dass nicht alles gut ist, wie es ist und (angeblich) schon immer war, für dieses Klientel schon empörend ist. Das hilft aber niemandem. Davon bekämpfen wir den Klimawandel halt leider nicht, Herr Lindner. Und das stört mich.

Nette Worte fürs Nichtstun

Klar, wenn ein paar Wähler*innen von der AfD (oder der Union) zur FDP überlaufen, ist mir das sehr Recht. Ist auf jeden Fall die bessere Entscheidung. Aber letzten Endes rechtfertigt Lindner trotz aller (und ich möchte es ihm durchaus glauben!) guten Absichten das Nichtstun. Oder das Zu-wenig-Tun. Letzten Endes ist es eben auch eine Klimapolitik, die den Unternehmen schmeckt. In ihrem Tempo, bei welchem sie für das Abschalten alter Kohlekraftwerke noch „Entschädigungen“ von der Regierung mitnehmen, zusätzlich zu den Milliarden Subventionen, die sie seit Jahren kassieren.

Und die damit drohen, die paar letzten Arbeitsplätze, die es dort noch gibt als Geisel zu nehmen, wenn man ihre vom Staat gesponserten Gewinne beschneiden möchte. (In den erneuerbaren Energien gibt es schon lange viel mehr Arbeitsplätze als bei den Fossilen). Und genau das stört mich an Lindners wohlplatzierten PR-Bomben. Es geht nur um Profilierung. Um sich angeblich von beiden „Extremen“ abzusetzen. Um von „beiden Seiten“ kritisiert zu werden, damit man sich einreden kann, dass man was richtig machen muss.

Aber so funktioniert das nicht. Lindner täte gut daran, mehr auf die „Profis“ zu hören, über die er so gerne spricht. Bitte, gerne, Lindner, kritisiere Klimaaktivist*innen, wenn es Grund zur Kritik gibt. Ich persönlich will das auch wissen, wenn die was falsch machen. Aber wenn du oder die FDP auch nur die gleichen BILD-Fake News von angeblichen grünen „Enteignungen“ (Mehr dazu) oder „3 Flügen pro Jahr“ (Mehr dazu) „kritisierst“, dann trägst du auch nicht zur „Versachlichung“ der Debatte bei, sondern schlägst in die gleichen Kerben wie die Klimawandel-Trottel. Und das ist dann halt auch „Scheiße labern“.

Artikelbild: Screenshot facebook.com