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Um Kinder in Thailand kann man sich sorgen, um Kinder im Mittelmeer nicht?

von | Jul 9, 2018 | Aktuelles

Wenn ich Hoffnung und Sorge um die Kinder in Thailand äußere, stimmt man mir zu, zeigt man Mitgefühl für Kinder in Not aus einem fernen Land. Als ich vor ein paar Tagen das Gleiche über ertrinkende Kinder im Mittelmeer getan habe, kam mir nur Hass und Häme entgegen.

Ich kenne die Kinder, die in einer Höhle in Thailand eingeschlossen sind nicht. Ich weiß nicht, wo diese Höhle ist. Doch die Meldung, dass man gestern bereits vier Jungs retten konnte, erfüllt mich mit Freude und Erleichterung. Ich habe auch von niemandem gelesen, der etwas anderes sagt. Keiner schreibt, dass sie schließlich selbst schuld seien, dass sie in die Höhle gegangen seien. Keiner unterstellt, dass es nur manipulierte Bilder sind, um Mitgefühl zu erzeugen. Keiner schreibt, dass solche Rettungsaktionen dazu führen, dass sich weitere Menschen in solche gefährlichen Situationen begeben werden.

Doch warum ist das bei ertrinkenden Kindern im Mittelmeer so?

Genau diese Reaktionen haben wir aber unter den Kommentarspalten zu ertrinkenden Kindern gelesen. Mit tausenden Likes. Mein Kollege Alex Urban hat mit #ichbinhier fast vergeblich versucht, gegen die Hasswelle gegen tote Kinder anzukämpfen, was er hier berichtet hat. Die Vorwürfe von oben habe ich mir nicht ausgedacht, sie sind alle echt. Und das ist krank und pervers.

Offensichtlich ist es doch möglich, geschlossen Mitgefühl für Menschen in Not zu zeigen. Woran liegt es? Die Antwort ist emotional vielleicht unverständlich, aber logisch einfach: Flüchtlinge sind ein Politikum. Die rechtsextremen PolitikerInnen des Landes tragen ihre gesamte Politik auf dem Rücken dieser Menschen in Not aus. Und dazu müssen sie so tun, als sei niemand wirklich in Not. Und das bedeutet Lügen.

Mehr als 30.000 vor allem junge Menschen sind in den letzten 16 Jahren ertrunken

Und die letzten Wochen sind wieder besonders tödlich, allein im Juni starben über 1000 Menschen im Mittelmeer. Doch die rechtsextreme Narrative will nicht, dass das wahr ist, weshalb sie Lügen verbreitet, wie ich hier aufgeklärt habe. Dieses hasserfüllte Denken hat schon einen gefährlichen Teil der Politik infiziert: Die Parteien der „Mitte“ lassen sich von dem rechtsextremen Netzwerk vor sich her treiben und behindern die Seenotretter. Nur damit nicht noch mehr Menschen zu uns kommen.

Doch eine Studie beängstigt und beruhigt mich gleichermaßen: Ichbinhier e.V und das Institute for Strategic Dialogue haben sich die Hetzkommentare angesehen und festgestellt: Nur 5% der Accounts liken 50% der Hetz-Kommentare. Die vermeintliche „Mehrheit“ der Menschen, die kein Mitgefühl für ertrinkende Kinder übrig haben, sind professionelle Trolle und Bots. Sie manipulieren die Kommentarspalten und trendende Hashtags, um den anderen 95% zu suggerieren, dass der Hass und die Lügen von der Mehrheit geglaubt werden.

Die Rassisten wollen so lange eine Mehrheit simulieren, bis sie wirklich da ist

Und die Psychologie weiß: Wenn wir glauben, dass es alle machen, steigt unsere Bereitschaft, es auch zu tun. Und das ist ihr Ziel. Doch dass die Politik nur einer unbedeutenden Minderheit hinterherläuft, sieht man allein daran, dass diese Bots und Fake-Accounts nicht demonstrieren und wählen können. 70.000 haben AfD in Berlin „weggebasst“, 20.000 demonstrierten für die , 15.000 für .

Die Mehrheit in Deutschland sind keine Rassisten. Die Mehrheit der Deutschen macht keinen Unterschied zwischen guten Kindern in Not und schlechten Kindern in Not. Die Mehrheit der Deutschen freut sich nicht, wenn Kinder ertrinken. Die Mehrheit der Deutschen hat Empathie. Und deshalb soll die Politik auf die Mehrheit hören und diese Menschen aus dem Meer retten.

Ich habe Flüchtlinge aus dem Meer gerettet – Glaubt nicht den Lügen der AfD