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AfD ganz überrascht, weil plötzlich Rechtsextreme in ihrer Partei sind

von | Jul 8, 2019 | Aktuelles, Kolumnen, Schwer verpetzt

Die Unterwanderung durch Rechtsextreme

Ein Schreiben des AfD-Parteivorstandes an das Bundesschiedsgericht berichtet von den Sorgen der Parteispitze vor einer „Unterwanderung durch Rechtsextreme“. Das konkrete Beispiel ist die Landesvorsitzende Schleswig-Holsteins, Sayn-Wittgenstein, gegen die gerade ein Parteiausschlussverfahren läuft und die bereits aus der AfD-Landtagsfraktion ausgeschlossen wurde. Die AfD befürchtet eine politische „Implosion“. Sayn-Wittgenstein ist nämlich im Verein Gedächtnisstätte e.V. aktiv, die von einer Holocaust-Leugnerin gegründet wurde und hat Nähe zu den rechtsextremen „Reichsbürgern“ (Quelle).

Und ein Satz, den man von mir vielleicht seltener liest: Aber der AfD-Vorstand hat vollkommen Recht. Es gibt eine „Unterwanderung“ der AfD durch Rechtsextreme und Faschisten. Obwohl eigentlich eher „Übernahme“ richtig ist, aber dazu gleich mehr. Rechtsextreme in der Partei schaden der Partei unterm Strich mehr als dass sie davon profitieren, auch dazu später mehr. Und die AfD täte gut daran, die (vielen) Rechtsextremen rauszuwerfen. ABER…



Übernahme der AfD durch Faschisten schon im vollen gange

Der ganze Witz, den viele Demokrat*innen und Antifaschist*innen darin sehen, ist natürlich, dass das für rational wahrnehmende Personen schon seit Jahren glasklar ist und auch in diesem Blog mehrfach thematisiert wurde. Die AfD wurde längst schon explizit und implizit von Rechtsextremen übernommen. Die „Unterwanderung“ droht nicht erst, sie passiert nicht subtil, sie ist eine leicht zu beobachtende Tatsache.

Wenn wir zu Gunsten der AfD von Rechtspopulisten und Rechtsextremen unterscheiden, wobei letztere bereits den Boden des Grundgesetzes verlassen haben, dann ist die AfD seit einigen Jahren schon rechtsextrem. Und das ist keine „Nazi-Keule“, wer das anders sieht, verharmlost absichtlich oder unabsichtlich das, was die AfD geworden ist. Hier haben wir ein paar Beispiele gesammelt:

21 Aussagen, die zeigen, wie rechtsradikal die AfD wirklich ist

Denn wie Gauland Anfang des Jahres selbst bestätigt hat, ist der faschistische „Flügel“ der AfD unter Höcke, der bereits teilweise vom Verfassungsschutz überwacht wird, mit 40% Zustimmung in der Partei ihre stärkste Kraft (Mehr dazu). Höcke führt seinen Landesvorstand, Sayn-Wittgenstein wurde auch trotz laufenden Verbotsverfahren wiedergewählt, der „Flügel“ hat die NRW-AfD auch gerade übernommen.

AfD-Rechtsextreme besetzen Schlüsselpositionen in der AfD, bis hinauf in den Parteivorstand. Wer sich (zu) deutlich gegen Rechtsextreme ausspricht oder einfach nur nicht rechtsextrem äußert, wird aus der Partei vergrault oder bekommt nur schwer Mehrheiten, siehe auch Lucke und Petry. Die Rechtsextremen geben in der AfD den Ton an, direkt oder indirekt.

Der Hauptgrund, warum die AfD vom Verfassungsschutz beobachtet werden sollte

Die AfD hat ihr maximales Wählerpotential ausgeschöpft

Aber kommen wir zu der „positiven“ Seite dieses Aspekts: Natürlich ist es problematisch, dass die AfD es „geschafft“ hat, Rechtsextreme, Rechtspopulisten, Protestwähler und auch einen Teil von nationalistisch eingestellten Konservativen unter einem Banner zu vereinen. Der faschistische, größte „Flügel“ gibt zwar einen Stimmenboost, der anderen Parteien verschlossen bleibt, aber ist auch ein Klotz am Bein, denn damit hat die AfD sich selbst einen Deckel für ihre maximale Wählerzahl aufgesetzt.

Wenn sie weiterhin so Rechtsextreme in ihrer Partei duldet und fördert, muss es zu einer Überwachung durch den Verfassungsschutz kommen. In einer von der AfD selbst in Auftrag gegebenen Studie würde ihr das ein Viertel ihres Wählerpotentials kosten. Denn (zum Glück) machen die Faschisten die AfD immer noch für eine absolute Mehrheit der Deutschen unwählbar. Das sieht man auch daran, dass seit Sommer 2018 die AfD in Umfragen gefallen ist und seit dem stagniert. Ja, auch im Osten, auch wenn es nicht so wirkt. Mehr dazu:

Warum keiner den Linksruck im Osten bemerkt hat – und den Niedergang der AfD

Die AfD steht vor einem Scheideweg: Entweder toleriert sie weiterhin zahnlos die „Unterwanderung“ der Rechtsextremen – und jeder, der versucht hatte, diese aufzuhalten, wurde abgesägt – oder sie spaltet sich auf. Es ist ein wenig schizophren, die AfD hier semantisch von ihrem Rechtsextremen „Flügel“ zu trennen. Wie gesagt, große Teile der AfD sind rechtsextrem oder dulden diese im vollen Bewusstsein. Was es natürlich nicht besser macht. Mitläufer sind erst die, die Faschisten gefährlich machen.

Die Zukunft der AfD – mit oder ohne „Unterwanderung“

Ich weiß selbst nicht, was ich für gefährlicher erachte: Dass die AfD ihren Spagat aufrecht erhält, sich konservativ-bürgerlich zu geben, während die Faschisten sie immer weiter übernehmen oder dass sie sich aufspaltet in eine rein faschistische Partei und den Kern der … nennen wir sie National-Konservativen und Rechtspopulisten. Letztere wäre immer noch kritisierenswert, aber vielleicht wenigstens demokratisch. Es sieht allerdings nicht danach aus, als würde das in nächster Zeit funktionieren.

Denn die AfD bekommt aus der bürgerlich-konservativen Ecke ständig Signale, dass sie mit diesem inneren Widerspruch Erfolg haben kann. Ihre WählerInnen werden zwar seit einem Jahr nicht mehr, sondern eher weniger, aber so lange sie weiterhin von Presse und Politik hofiert wird, gibt es keinen Grund, dass es zum endgültigen Bruch kommt. Erst Recht, wenn der Super-GAU eintritt und die CDU dieser faschistischen AfD eine Regierungsbeteiligung im Herbst ermöglicht. Wofür es bereits Anzeichen gibt.

AfD-CDU-Bündnis in Penzlin: 5 Anzeichen für den Tabubruch auf Landesebene

Denn erst wenn die AfD merkt, dass sie nicht gleichzeitig die „Unterwanderung“ durch Rechtsextreme weiter hinnehmen kann und politische Erfolge wie Regierungsbildungen haben kann, wird sie sich ernsthaft selbst um das Problem kümmern müssen. Solange muss die AfD geächtet bleiben und muss sich klar abgegrenzt werden. Hier liegt extrem wichtige Verantwortung bei der CDU. Mit einer demokratischen AfD könnte man wieder reden. Aber „Befürchtungen“ für eine „Unterwanderung“ sind das schon lange nicht mehr.

Artikelbild: Lars Klingbeil