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Bezahlte Pro-Putin Kommentare: Meta nimmt Trollfarm hoch

von | Aug 11, 2022 | Aktuelles

Meta nimmt Trollfarm hoch – Schluss mit vergüteten, pro-russischen Kommentaren

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine lebt seit Tag eins von Desinformation. Dass diese nicht lediglich von russischen Politiker:innen verbreitet, sondern von vielen pro-russischen Unterstützer:innen weitergetragen wird, ist schon lange offensichtlich (Quelle). Nun offenbart der vierteljährliche Bericht über gegnerische Bedrohungen von Meta die Dimensionen der Fake News-Verbreitung: Demnach hat eine russische Trollfarm etwa 1400 US-Dollar für Werbung auf Facebook und Instagram ausgegeben, über 1000 Fake-Accounts erstellt und Menschen fürs Posten pro-russischer Kommentare auf Social Media bezahlt (Quelle).

Festangestellt als pro-russischer Spammer

Dem Bericht zufolge wurde Meta bereits im März 2022 auf die Trollfarm aufmerksam. Damals habe die russische Nachrichtenagentur Fontanka einen Investigativ-Journalist in die Trollfarm in St. Petersburg eingeschleust und diese somit aufgedeckt. Mit Jobangeboten für „Spammer, Kommentatoren, Inhaltsanalysten, Designer und Programmierer“ rekrutierte die Trollfarm Angestellte, die sich schließlich beruflich der Desinformation widmeten. Laut dem Meta-Bericht widmeten sie sich ihren Aufgaben im Schichtdienst – so entstanden abgesehen von einer täglichen Mittagspause sieben Tage die Woche neue pro-russische Kommentare der Trolls (Quelle). Meta sperrte schließlich Anfang April 2022 45 Facebook- und 1037 Instagram-Accounts des Netzwerks, die zusammen rund 49.000 Follower generierten. Auch danach stellten sie immer wieder ähnliche Aktivitäten fest, die sie laut eigener Aussage unterbinden konnten (Quelle).

Neben den festangestellten und vergüteten Mitarbeiter:innen gab es eine Reihe echter Accounts, die das Netzwerk mithilfe einer Telegram-Gruppe bewarb. Unter dem Namen Cyber Front Z wurden regelmäßig echte User aufgefordert, Kommentare unter den Beiträgen berühmter Persönlichkeiten zu hinterlassen. So heißt es in einem Posting vom 26. Mai 2022: „Wir müssen der finnischen Politikerin erklären, dass die russische Armee die Ukraine vom Nationalsozialismus befreit […].“ (Quelle) Unter den Opfern des pro-russischen Spams befanden sich neben der finnischen Ministerpräsidentin Sanna Marin weitere Politiker:innen, Journalist:innen, Schauspieler:innen und andere berühmte Persönlichkeiten sowie kommerzielle Marken.

Trotz Trollarmee: Kommentare pro Ukraine und gegen den Krieg in der Überzahl

Die besagte Telegram-Gruppe „Cyber Front Z“ verzeichnet heute über 100.000 Abonnent:innen. Inwiefern sich auch darunter Trolls befinden, die den anderen Mitgliedern das Gefühl einer Gruppenzugehörigkeit vermitteln sollen, ist schwer nachvollziehbar. Der Bericht „Hass auf Knopfdruck“ des Institutes for Stategic Dialogue wies jedoch schon 2018 darauf hin, dass Bots bei Hasskampagnen eine essenzielle Rolle spielen. Zwar handelt es sich bei der durch „Cyber Front Z“ organisierten Aktivität nicht um Bots, allerdings verhalten sich die bezahlten Trolls mit ihrem ständigen zielgerichteten Kommentieren durchaus ähnlich wie programmierte Bots.

Auch Meta sieht die gesamte Operation als „schlecht ausgeführten Versuch“, der darauf abzielte, den Eindruck einer basisdemokratischen Unterstützung für die russische Invasion zu erwecken (Quelle). Ein Großteil der pro-russischen Fake-Accounts wurde wohl bereits durch Automatismen der Apps entlarvt, bevor Meta sich diesen bewusst annahm. Dennoch machten die Angestellten sich die Mühe, in ihren Kommentaren individuell auf Posts einzugehen, anstatt Reaktionen zu kopieren und wiederzuverwenden. Meta konnte keine Hinweise darauf finden, dass die Arbeit der Trolls sich durch signifikante Unterstützung auszahlte. Ganz im Gegenteil: Meist überwogen Kommentare von Personen, die sich mit der Ukraine solidarisierten und gegen Krieg aussprachen (Quelle).

Putins enger Verbündeter wird als Geldgeber der Trollfarm gehandelt

Die Autor:innen gehen im Meta-Bericht weiterhin darauf ein, dass sie Verbindungen zwischen der Aktivität von Cyber Front Z und Einzelpersonen feststellen konnten, die 2016 in die Trollfarm Internet Research Agency (IRA) verwickelt waren. Letztere verbreitete ab Dezember 2015 Fake News und Hetze, um die US-amerikanischen Präsidentschaftswahlen zu beeinflussen. Die Trollfarm wurde nachweislich von Putins engem Verbündeten Yevgeny Prigozhin finanziert. Und obwohl der Bericht von Meta diesen nicht namentlich erwähnt, geht die Regierung des Vereinigten Königreichs davon aus, dass Prigozhin seine Finger erneut im Spiel hat.

Die Trollfarm selbst spricht vom freiwilligen Einsatz pro-russischer Unterstützer:innen

„Cyber Front Z“ äußert sich in einem Telegram-Beitrag vom 06. August zum Meta-Bericht. Dort werden die Ergebnisse der Analyse ins Lächerliche gezogen, auf den Vorwurf bezahlter Trolls geht das Posting nur nebensächlich ein. So heißt es mit Blick auf die Feststellung, dass sich die Trolls weiterentwickelt hätten und individuelle Kommentare hinterließen: „Das ist nicht verwunderlich, denn die Links aus unseren Beiträgen werden von den Abonnenten unseres Kanals und von Kanälen mit ähnlichen Themen verfolgt, und dies geschieht nur auf freiwilliger Basis, so dass es im Prinzip albern ist, von ‚Wirksamkeit‘ zu sprechen.“

Die Organisation hält also daran fest, dass es sich bei den Accounts lediglich um freiwillige Mitglieder der Telegram-Gruppe handelt, die sich auf Hinweis eines Postings daran machen, es zu kommentieren. Sowohl der Investigativ-Journalist der Fontanka und die Regierung des Vereinigten Königreichs als auch die Analysten von Meta sehen das aufgrund der ihnen vorliegenden Daten ganz offensichtlich anders.

Womöglich handelt es sich bei vielen pro-russischen Kommentaren um bezahlte Arbeit

Mit seinem vierteljährlichen Bericht weist Meta auf eine von potenziell vielen Trollfabriken hin, die sich neben den Plattformen des Technologie-Unternehmens sicherlich auch in anderen Sozialen Medien herumtreiben. Letztlich bleibt ungewiss, wie viele der Anti-Ukraine-Kommentare und Postings von bezahlten Trolls verfasst sind. Dass solche Kommentare – wie Meta betont – ganz offensichtlich in der Unterzahl sind und zudem keinen großen Schaden angerichtet haben, ist da nur ein kleiner Trost. Schließlich lesen allein auf dem Telegram-Kanal von „Cyber Front Z“ über 100.000 Accounts mit, die mit ihren Kommentaren sicherlich die ein oder andere Person erreichen. Der Meta-Bericht offenbart derweil einmal mehr: Pro-russische Propaganda und Fake News werden gezielt organisiert und gestreut. Dagegen gilt es anzugehen.

Artikelbild: Nikita Burdenkov

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