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Nein, diese Komikerin hat nicht gefordert, Chemnitz mit Napalm zu bewerfen

von | Sep 13, 2019 | Aktuelles, Analyse, Kommentar, Social Media

Worin liegt eigentlich der Unterschied zwischen gutem und schlechtem Humor?

Vermutlich entscheidet das jede*r für sich selbst.

Maria Clara Groppler hat sich bei NightWash vom 3. Juni für einen Witz entschieden, den ich hier nur kurz zusammenfassen möchte: Avocados werden braun, wenn man sie zu lange liegen lässt. Zitrone drüber träufeln, dann wird das wieder. Die Sachsen wurden auch zu lange liegengelassen. Deswegen sind sie braun geworden. Löschflugzeuge über Chemnitz, Zitronensaft abkippen. Fertig. „Wenn das nichts hilft, dann Napalm. Punkt.“ (Quelle)

Ich finde, es hätte gereicht, wenn sie nach dem Zitronensaft aufgehört hätte. Das wäre aber nicht provokant genug gewesen. Und lustig auch nicht. Also, Napalm hinterher. Ich finde es immernoch nicht witzig. Wo ist der Kniff? Wo die Ironie? Wo der satirische Kontext? Warum also sollte das witzig sein?

Ich erkenne ihn nicht, den Witz.



Kein gewaltaufruf

Was ich aber auch wirklich nicht erkenne: Eine Forderung, dass Chemnitz mit Napalm beschossen werden soll.

Wenn überhaupt ist es ein wirklich (aus meiner Sicht) schlechter Scherz. Die Reaktionen im Publikum waren auch überschaubar. Es wird aber niemand auf die Idee kommen, nun Napalm zu kaufen, ein Flugzeug zu mieten und über Chemnitz zu fliegen. Das geben sowohl der Kontext dieser Veranstaltung („Nightwatch“) als auch des Vortrages nun überhaupt nicht her.

Verschiedene rechte Medien, Blogs und YouTuber sehen das aber anders. So schreibt Alexander Wendt in Tichys Einblick: „Um es zu wiederholen: die Bombardierungs- und Verbrennungswünsche stammen nicht aus Privatecken des Internet, sondern aus gebührenfinanzierten öffentlich-rechtlichen Sendern.“

Bombardierungs- und Verbrennungswünsche! Er schreibt wirklich Wünsche! Das finde ich weit hergeholt, aber er kann das natürlich so wahrnehmen.

Zweites Beispiel: Tim Kellner, aka: Tim K.

Der ehemalige Polizist und vorbestrafte, rechte Biker (Quelle) mit hoher YouTube-Reichweite hat Anzeige wegen Volksverhetzung gestellt. Kann er natürlich machen.

Was er aber auch macht: „Deine Worte werden niemals vergessen werden! Versprochen!“ schreibt er auf ihrer Facebook-Seite unter ihrem jüngsten Post.

Und auf seiner privaten Seite schreibt er weiter: „Wer sich darüber lustig macht, dass über 250.000 Männer, Frauen, Kinder und Tiere elendig verbrennen sollen, der ist keine „Komikerin“ [sic!], sondern eine Person ohne Moral, Charakter und einem widerwärtigem und abstoßenden Wesen!“

Frage an Herrn K.: Wenn Sie jemandem versprechen, dass Worte nicht vergessen werden, was folgt daraus? Aus welchem Grund und mit welcher Motivation und welchem Ziel vergisst man denn Worte nicht? Eine Drohung?

Weiter: „ Du wirst nicht Hundertausenden meiner Landsleute folgenlos einen qualvollen Tod wünschen. Das verspreche ich Dir!“ [sic] Er möchte sich persönlich um sie kümmern. Immerhin rechtsstaatlich.

Steinbach, Junge und Lübcke

Seine Sprache ähnelt der von E. Steinbach, U. Junge und anderen, die Walter Lübcke zur Rechenschaft ziehen wollten. Lübcke ist nun tot. Er wurde erschossen. Mutmaßlich wegen seiner Äußerungen.

Grausam: So widerlich feiern Rechtsextreme den Mord an Lübcke

Tim K. lässt den Kontext der Veranstaltung außen vor. Er macht das, um zu skandalisieren und relativiert damit seine eigene verbale Gewalt. Das macht er im Übrigen auch in seinen anderen Videos, wenn er von „Invasionen“ redet oder davon, dass Angela Merkel krank ist. Das wiederum begründet er mit ihren politischen Entscheidungen.

Die rechten hassgruppen: Hier sind die Vergewaltigungswünsche ernst gemeint

Seine Videos und seine Sprache stacheln die Kommentatoren in vielen AfD-nahen Gruppen an. Dort wird absichtlich weggelassen, dass es ein (schlechter) Scherz war. Und ihr werden Worte in den Mund gelegt, so dass es nach einer ernst gemeinten Aufforderung klingt. Sie wird auch von einer Komikerin zur „bunten“ „Linksfaschistin“.

Quelle: DieInsider, im rechten Bild (abgeschnitten) wird sie auch falscherweise „Glopper“ genannt, im linken Bild ist nicht Groppler, sondern ein Pornostar abgebildet

Der Kontext dort ist aber im Gegensatz zu „Nightwash“ ein anderer: Sie meinen es dort ernst. Sie wünschen Maria Clara Groppler eine Vergewaltigung oder ihr und ihren Eltern eine Haftstrafe.

Was Maria Clara Groppler geschafft hat: Dass sich diese Accounts dort weiter demaskieren. Angestachelt von Menschen wie Tim K., der keinerlei Probleme damit zu haben scheint. Denn ein Video, in dem er zur Mäßigung aufruft, habe ich nicht gefunden. Oder wie er selbst unter seinem Facebook-Post zu Groppler schreibt: „Niemand gibt sowas folgenlos von sich!!!“ 2.200 Likes.

Artikelbild: Screenshot youtube.com