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Ihr Heuchler! Abrechnung mit diesem Kettenbrief gegen Fridays For Future

von | Okt 5, 2019 | Aktuelles, Gastkommentar, Social Media

Meine generation soll nachhaltig gewesen sein? Ist das euer ernst?

Da kursiert folgender Text oder Brief im Internet, in Facebook und Whatsapp, den ich nun mehrmals erhalten habe.

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„Friday for Future?
Alle, die wie, ich in den 50er oder 60er Jahren geboren wurden, müssen uns heute anhören, wir ruinieren der Jugend das Leben.
Ich muss Euch enttäuschen, denn in meiner Jugend wurde nachhaltig gelebt.
Strümpfe und Strumpfhosen wurden gestopft. An Pullover wurden längere Bündchen gestrickt. Hosen wurden mit bunten Borten verlängert. Zum Einkaufen und zur Schule musste ich mehrere Kilometer zu Fuß laufen, transportiert wurden die Einkäufe in einem Netz.

Wenn Kleidung nicht mehr brauchbar war, wurden alle noch verwertbaren Dinge wie Knöpfe oder Reißverschlüsse abgetrennt und der Rest für Flicken oder als Putzlappen genutzt. Geschenkpapier wurde vorsichtig geöffnet um es wieder zu verwenden. Wir sammelten Altpapier und Flaschen mit der Schule und halfen bei der Kartoffelernte.

Ich könnte noch mehr dieser Art der Nachhaltigkeit aufzählen,
stattdessen muss man sich von Rotzlöffeln die sich mit dem SUV zu Schule kutschieren lassen, alleine wahrscheinlich einen 20 mal höheren Stromverbrauch haben als wir in unserer gesamten Jugend, sagen lassen, wir ruinieren Ihr Leben. Wir hatten keine elektronischen Spiele, unser WhatsApp waren Zettel unter der Bank in der Schule verteilt, wir verabredeten uns mündlich, Telefon gab es keins – das war für Notfälle gedacht.

Diese dämlichen Gören wollen mir etwas über Umweltschutz erzählen, werfen ihre Kleidung nach zweimal tragen weg, produzieren Müll ohne Ende, verbrauchen seltene Erden und müssen immer die neuesten Geräte besitzen.
Auf euren Demos lasst Ihr EUREN Müll von Euren erwachsenen Sklaven wegräumen und am Wochenende geht es zum nächsten Open Air Konzert zum Koma-Saufen, auch euer Koma-Saufen gab es früher nicht. So und wenn ihr dann einmal so nachhaltig lebt wie meine Generation gelebt hat, dann dürft IHR gerne streiken.“

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Antwort auf diesen Kettenbrief

Vorab… ich bin 1959 geboren, gehöre also laut Aussage des Schreibers zu dem selbst ernannten, nachhaltig lebenden, Personenkreis. Genaugenommen handelt sich ja wohl um Menschen, die während eines Zeitraumes von 19 Jahren zur Welt kamen, nämlich von 1951 bis 1969. So weit so gut. Je früher in den 50ern geboren. desto näher am Kriegsende. Es gab kaum etwas, also musste man sich behelfen.
Je später von dieser Zeit entfernt, also Ende der 50er oder in den 60ern… Kleinkind-Nutznießer des aufkommenden Wirtschaftswunders.

Und ich hätte da mal ein paar Fragen und würde sie dem Verfasser gerne persönlich stellen, geht aber leider nicht. Ich beginne mal mit dem Stopfen von Socken und Flicken von Kleidung. Wenn man das doch so gewohnt war und diese Erfahrungen als Kind in der Familie gemacht hat… wieso hat Generation 50/60 denn damit aufgehört? Wieso wurde das nicht beibehalten und später den eigenen Kindern weiter vermittelt? Wer hat also angefangen, gebrauchte, nicht mehr tragbare Kleidung eher zu entsorgen und lieber neue zu kaufen? Musste es in den 70ern nicht auch plötzlich die coole Jeans und der hippe Turnschuh sein, statt der, mit filigraner Häkelarbeit, verlängerte Pulli? Da hatte diese Generation das Teenageralter erreicht oder war in den Zwanzigern.

Während welcher Zeit begann das Aussterben der Einzelhandelsgeschäfte und WER ist in die „neu“ entstandenen Supermärkte gerannt, wo alles so schön abgepackt in den Regalen lag? Seit wann gibt es eigentlich Plastiktüten? Oh, welche Überraschung… seit 1961. Also… Frage… WER hat für die Verbreitung gesorgt, wo sie doch über Jahrzehnte völlig umsonst genommen werden konnten? Wo sind denn die hoch gelobten Einkaufsnetze von Mama geblieben?

Massentierhaltung?

Tja, ein Resultat der Lebensmittelknappheit während des Krieges und auch in der Zeit danach. Hat sich die nachhaltig lebende Generation darum Gedanken gemacht, wo das hinführt? Ich denke eher nicht. Denn sonst wäre die Situation nicht so, wie sie ist.

Selbst noch in waschbare Windeln gewickelt, griff man begeistert zu den Wegwerfwindeln, als man selbst Nachwuchs bekam. Hat sich irgendjemand aus den Geburtenjahrgängen 50/60 über den wachsenden Müllberg Gedanken gemacht, während man die volle Windel entsorgte und den Kinderpopo, mit Kamillelotion getränkten Einmaltüchern aus der hübsch verzierten Kunststoffdose gesäubert, in eine Neue verpackte ? Antwort… Nö!

War es diskussionswürdig, dass man plötzlich im Winter Obstsorten bekam, die es eigentlich zu der Jahreszeit nicht geben durfte? Herbei geschafft aus warmen, sehr weit entfernten Ländern… mit Schiffen und Flugzeugen. Hat man das verschmäht, weil man ja aus der Generation kommt, die Nachhaltigkeit und Umweltschutz für sich in Anspruch nimmt? Natürlich nicht! Erdbeeren zu Weihnachten…. herrlich!

„Fahrdienst zur Schule…..“

WER gründete denn plötzlich die „Mama-Taxen“? Mmh… also in meiner Wahrnehmung waren es genau die Mamas aus der hoch gelobten Generation 50/60, die damit angefangen haben. Nämlich in den 80ern und 90ern wurden es immer mehr Autos, die ihren Nachwuchs vor den Schulen absetzten. Und da sie das ihren Kindern so schön vorgemacht haben, wird das jetzt mit den Enkelkindern weitergeführt. Und jetzt stellt man sich hin und tut so, als hätte man damit nichts zu tun? Sehr einfach!

„Ständig neue Geräte…!“

Aha… so so. Also man schimpft auf elektronische Geräte, die ständig neu angeschafft werden.
Wie war das noch in der Generation 50/60? Oma hat den Teppich noch über die Stange gehängt und ausgeklopft. Große Wäsche fand im Waschkeller mit riesigen Bottichen statt. Gespült und abgetrocknet hat man noch selbst Nachrichten bekam man durch Zeitungen oder Radio.Mama hatte es da schon einfacher…

Angeschafft wurde der gute Klopfsauger von Vorwerk, die vollautomatische Waschmaschine von Miele und als wirklicher Luxus kamen später noch der Wäschetrockner und der Geschirrspüler dazu.
Irgendwann hielt auch das Fernsehen Einzug… zuerst schwarz/weiß und dann… Halleluja… in Farbe. Dazu gesellte sich in vielen Haushalten noch eine gute Hi-Fi-Anlage. Und sind wir nicht auch die Videorekorder-Generation, die zumindest ein Schrankfach oder eine Schublade mit Video-Kassetten hatte? Gleich neben der neu erstandenen Videokamera und den Kassetten, die mit Filmen von Geburtstagen, Urlauben und Hochzeiten gefüllt waren.

Und gab es irgendwann etwas Neues auf dem Markt… her damit. Bestes Beispiel… vom Wählscheibentelefon , über das mit Tasten, bis hin zu den bequemen Schnurlosen, mit denen man so schön durch die Bude rennen oder sich zum quatschen mit dem Tässchen Kaffee auf die Couch setzen konnte. Und… die klotzigen Fernseher verschwanden… und erst kamen die Plasma-Fenseher und dann LCD… hoch auflösend. Musste man haben!!!

Was waren wir, diese wahnsinnig nachhaltig lebende Generation, aufgeregt, als der erste Computer in Form von „Commodore 64“ Einzug in unsere Wohnungen hielt. Das war 1982 und man war altersmäßig gerade so zwischen 20 und 30 angekommen. Und dann ging es rasend schnell… PCs, Laptop, Handy( erst mit Tasten) und dann Smartphones… Internet.

Diese 3 Grafiken entlarven die Argumente von Klimaschutz-Verweigerern

Und die nachhaltig lebende Generation nutzte das alles nicht?

Das erste Smartphone kam 2007 auf den Markt… da waren die meisten „Fridays for Future“-Kids noch nicht mal geboren oder so jung, dass sie damit nichts anfangen konnten. Und die Kinder aus den 90ern noch nicht alle so weit, dass sie sich das selbst hätten kaufen können. Also… WER hat es denn gekauft, konnte es sich leisten? Kann ich Euch sagen… die Nachkommen der Generation 50/60 und Angehörige dieser Generation selbst. Diejenigen, die heute erzählen wie nachhaltig sie selbst leben und gelebt und es ihren Kindern vorgelebt haben.

Ja, nee, ist klar!

Also… bevor das Gedächtnis so völlig aussetzt und man mit erhobenen Zeigefinger und wutrotem Gesicht junge Menschen beschimpft, die sich für etwas einsetzen… kurz mal nachdenken. Am besten in die Garage oder in den Keller gehen, wo sich bei vielen die aussortierten Schätze des Lebens in irgendwelchen Kartons befinden und vor sich hindämmern. So ganz nachhaltig.

Katja Hausner

Text: Katja Hausner. Artikelbild: fizkes, shutterstock.com