280

Milo ist am Ende: Dieses Eingeständnis zeigt, wie man Nazi-Hetze schlagen kann

von | Sep 16, 2019 | Aktuelles, Analyse, Social Media

Milo widerlegt die „Mit den Rechten Reden“-Taktik

Man hört es immer wieder: „Wir müssen die AfD ernst nehmen“, „ladet AfDler in Talkshows ein“, „redet mit den Rechten“. Diese Sprüche entspringen dem Fehlglauben, man müsse eine in großen Teilen rechtsextreme Partei einfach so akzeptieren, kann nichts dagegen tun und muss sich mit den Sorgen von einer handvoll Pegidisten beschäftigen.

Das ist Unsinn. Die AfD ist eine reine Protestpartei, war es schon immer und wird es auch immer bleiben. Darum gibt es auch keinen Grund, einen Meuthen in Talkshows seinen unwissenschaftlichen, tausendfach widerlegten Stuss von „Klimaideologien“ verbreiten zu lassen oder den Zuschauern Guido „Ich-bin-Bergmann-und-weiß-von-nichts“ Reil zur besten Sendezeit zu präsentieren. Die AfD wird so oder so von „Lügenpresse“ und „Staatsmedien“ sprechen – da kann man einladen so viel man will.

Ein gutes Beispiel dafür, wie wirksam Rechte bekämpft werden können, wenn sie einfach nicht mehr ihre Gratis-Plattformen bekommen, liefert Social Media in Bezug auf Milo Yiannopoulos.



Wer ist „Milo“?

Milo ist ein rechtsextremer Journalist aus Großbritannien, der vor allem für seine Tätigkeit für das Online-Hetzportal „Breitbart“ bekannt wurde. Seine Person ist dabei eine einzige Kontroverse, eine kommerziell-narzisstische Figur, deren Zweck Provokation ist. Die wiederum zu Geld gemacht werden kann.

Milo, der es erfolglos auf zwei Unis versucht hatte, fällt vor allem dadurch auf, dass er, selbst homosexuell, gegen LBGTQ+ hetzt, als gäbe es kein Morgen. In diesem Artikel von 2011 entlädt er beispielsweise, neben einer unfassbaren Selbstverliebtheit, puren Hass auf Homosexuelle, zeigt aber auch seinen Antifeminismus („Nor do I hate other gay men. (Where would fat girls be without them?)„). Außerdem bezeichnet er Homosexualität als eine schlechte Entscheidung, homosexuell aufzuwachsen sei eine „horribly lonely, miserable experience“. Transgender seien psychisch kranke, schwule Männer (siehe hier).

Woher diese Einstellung beim Trump-Supporter kommt, ist schwer nachzuvollziehen. Von Selbsthass bis Kommerz haben wohl alle Theorien eine Chance. Viel interessanter ist jedoch: Er ist ein gutes Beispiel dafür, wie die Social Media-Öffentlichkeit mit rechten Trollen umgehen könnte.

Der Niedergang von Milo

Auf Twitter gibt es Screenshots aus Milos Telegram-Gruppe, in denen er sich beschwert, wie gering seine Reichweite sei. Zu wenig Menschen kauften seine Bücher oder Tickets für seine Auftritte. Er könne schlicht und ergreifend nicht mehr von dem Leben, was er bisher gemacht habe (also seiner Hetze). Der Grund dafür ist natürlich klar: „Big tech has us on the ropes“, die großen Plattformen hätten ihn also in der Hand.

Wenn diese ihn einschränken, dann bliebe nur noch das Ausweichen auf kleinere Plattformen. Wie „gab“, das hin und wieder als „Twitter für Rassisten“ bezeichnet wird. Wie das right-wing Netzwerk „Parler„, das praktisch eine Trump-Supporter-Plattform ist. Und auf dem praktisch nichts los ist, wie Milo sagt. Oder eben Telegram, von Milo als „wasteland“ bezeichnet.

Quelle: twitter.com

„Aber warum geht Milo nicht auf die großen sozialen Netzwerke?“, könnte man da fragen. Der Grund ist simpel:

Milo wurde nahezu überall gesperrt

Zuletzt im Mai diesen Jahres auf Facebook (siehe hier). Doch schon 2016 wurde sein Twitteraccount wegen einer Belästigungskampagne gesperrt (siehe hier). Von „Breitbart“ wurde er schließlich gefeuert, als er forderte, man solle anerkennen, dass Sex zwischen Erwachsenen und 13-jährigen Jungen „durchaus einvernehmlich“ sein könne. Außerdem kritisierte er, dass man sich zu sehr auf das Thema „Missbrauch“ versteife. Noch dazu „bedankte“ er sich bei einem Geistlichen, der ihn in seiner eigenen Jugend missbraucht hatte und ohne dessen Straftat er „heute nie so gut beim Oralsex“ wäre (siehe hier). Ja, das meint er alles genau so. Und somit wurde er völlig zurecht sämtlicher Sprachrohre beraubt.

Es zeigte sich spätestens seit dem Facebook-Ban ein interessanter Effekt: Der Rechtspopulist, der ja in seiner Selbstdarstellung das anspricht, was das Volk bewegt, war plötzlich nahezu ohne Resonanz. Er ging im Diskurs einfach unter. Einem Selbstdarsteller wie ihm schwimmen die Felle davon, wenn das große Kino fehlt.

Doch während er sich über die angebliche Zensur durch die sozialen Netzwerke beklagt, belegt er unbeabsichtigt etwas ganz anderes:

Rechtspopulisten sind nichts außerhalb der sozialen Medien

Der Rechtspopulismus (nicht nur Milo) braucht die sozialen Medien. Populistische Parteien sind ihren Kontrahenten zumeist in diesem Bereich überlegen. Das liegt daran, dass sich hier Fake News, Narrative und damit ein „alternatives“ Weltbild, im Jargon „Bubble“ genannt, leicht verbreiten lassen. Fakten gelten nicht so viel. Das gilt übrigens auch für die AfD.

Man sieht also: Eines der stärksten Mittel gegen Rechtspopulisten könnte sein, ihre (künstliche) Reichweite einzuschränken. Dabei sind allerdings zwei Grundsätze wichtig:

Erstens müssen soziale Netzwerke (Facebook, Instagram, Twitter, YouTube etc.) mehr wert auf die Überprüfung von Beiträgen legen. Halbautomatische Verfahren, bei denen Filter oder Algorithmen Beiträge nach Mustern absuchen und dann löschen sind unsinnig. Einerseits werden sich die Rechten an diese Filter anpassen und lernen, wie sie ihre Botschaft trotzdem „durchschmuggeln“. Andererseits werden dabei allzu oft kritische Auseinandersetzungen mit genau jener rechter Polemik entfernt.

Ironischerweise bleiben dabei sogar manchmal die Originale stehen. Ein „echter“ Mensch, der sich damit auseinandersetzt, kostet zwar mehr. Aber er kann solche Fehler dann auch vermeiden und sich außerdem gut anpassen an die Strategien von Online-Populisten. Doch noch wichtiger ist der zweite Grundsatz:

Sperren und Löschungen müssen kommuniziert werden!

Wenn soziale Netzwerke Sperren verhängen, dann müssen sie ganz klar für alle sichtbar zeigen: „Wir haben diesen Post/dieses Konto aus folgenden Gründen gelöscht: …“. Sie dürfen den Rechten nicht die Chance lassen, sich groß als Opfer einer „Mediendiktatur“ zu inszenieren. Sie müssen zeigen, dass Fake News gnadenlos entfernen werden – egal, woher sie kommen.

Mein persönlicher Traum für den Umgang mit Fake News wäre: Wenn die Seiten eine Fake News gelöscht haben, zeigen sie für einen gewissen Zeitraum allen Abonnenten anstatt des Postings eine Infobox an. In dieser steht eine Zusammenfassung der Fake News sowie eine (am besten mit Quellen belegte) Korrektur dieser. Außerdem könnte man noch ein Feedback-Feld einrichten. Damit beugt man Fake News effizient vor

Ja sicherlich könnte man sagen, dass das enormer Aufwand für die Plattformen ist. Da könnte die Politik ja aber mal „Anreize schaffen“, wie die Damen und Herren so gern sagen. Und es ist investiertes Geld, dass sich auf lange Sicht lohnen wird. Nämlich dann, wenn die politische Debatte wieder seriös wird. Wenn man auf Beleidigungen, Polemik und Fake News weitestgehend verzichten kann. Und solche Aktionen, wie die inszenierte „Welle der Empörung“ gegen Herbert Grönemeyer, in Zukunft nicht mehr salonfähig sind, sondern den Urheber lächerlich machen. Siehe hier:

Grönemeyer: So haben Faschisten uns und einige Medien manipuliert – Analyse

Artikelbild: Iryna Imago, shutterstock.com / Screenshot twitter.com