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So instrumentalisiert die AfD das Feuer von Notre Dame – Verschwörungstheorien & Unterstellungen

von | Apr 16, 2019 | Aktuelles, Politik, Social Media

Andeutungen reichen inzwischen

Seit kurzem ist der Brand der Kirche Notre Dame de Paris endlich gelöscht (Quelle). Aus bisher unbekannten Gründen entzündete sich am Montag Abend der obere Teil des Gebäudes. Experten der Feuerwehr gehen bisher davon aus, dass der Brand mit den Renovierungsarbeiten zusammenhängen könnte. Es wurden bereits hunderte Millionen Euro für den Wiederaufbau gespendet, der aber Jahrzehnte dauern könnte. So viel zu den Fakten.

Wie wir bereits gestern berichteten, nutzen rechtsextreme Hetzer, Blogger und Accounts die Berichterstattung um die Tragödie, um daraus politisches Kapital zu schlagen. Wie so oft bei Anschlägen und Tragödien nutzen die rechtsextremen Influencer die Verunsicherung und den Mangel an Informationen, um schon vorab ihre „alternativen Informationen“ zu verbreiten. Ziel ist es, durch mehr oder weniger verschleierte Andeutungen den immer gleichen Sündenbock auszumachen. Mehr dazu in unserem Bericht:

Feuer in Notre Dame: Rechte wünschen sich Terroranschlag



Auch die AfD beteiligt sich an der hetze

Die direkte Hetze findet durch Fake-Accounts und in geheimen rechten Gruppen statt. Wie unsere Freunde von Mimikama hier gesammelt haben, werden verschiedenste (falsche) Bilder und Behauptungen verbreitet, um gegen Muslime zu hetzen. Ziel ist es, auch bei einem bisher ursachenlosen Brand immer den gleichen Schuldigen zu finden. So soll das zuerst erzeugte Feindbild im Nachhinein gerechtfertigt werden. Doch wir erinnern uns: Bisher ist alles reine Spekulation. Für Brandstiftung gibt es noch kein Indiz.

Die führenden AfD-Politiker*innen gehen dabei sehr subtil vor. Um sich vor dem Vorwurf schützen zu können, sie würden eine direkte Verbindung ziehen, reicht es, nur Andeutungen zu machen. In Kombination mit vergangener Hetze und in Tandem mit den zahlreichen Kommentaren und Screenshots, mit welchen ihre Anhängerschaft bombardiert wird, genügt das, um das gewünschte Bild zu erzeugen. Wir analysieren die drei Strategien der Hetze.

Strategie 1: „Spekulieren“

 

Screenshot

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Eine beliebte Strategie bei AfD-Accounts und noch mehr bei rechtsextremen Blogger*innen und Influencern, ist es, die Unterstellungen als Fragen zu formulieren oder sogar zu „hoffen“, dass es eben kein Islamismus gewesen sei. Warum das problematisch ist? Wie gesagt: Bis jetzt gab es nur einen Brand, die Feuerwehr hat früh gesagt, dass sie denkt, es könne mit den Renovierungsarbeiten zusammenhängen. Niemand hat „Terror“ erwähnt, niemand hat „Brandstiftung“ erwähnt. Und selbst wenn, eine Brandstiftung hätte jeder verüben können, nicht nur Muslime.

Die Spekulationen und Fragen mögen vielleicht von der Meinungsfreiheit gedeckt sein, aber sie haben offensichtlich das Ziel, dass wir bisher völlig ohne Grund über Muslime und Terror sprechen. Sollte die Realität später ganz anders aussehen, lässt sich so leichter bei der eigenen Anhängerschaft behaupten, „man“ wolle „die Wahrheit vertuschen“. Oder man nimmt irritierenderweise die eigene Paranoia und Panikmache zum „Beweis“, dass das politische Klima angeblich so schlimm wäre, dass man „natürlicherweise“ einen Anschlag hätte vermuten müssen. Was eine sinnlose Zirkelargumentation ist, da man seine eigenen Taten als Beweis dafür her nimmt, dass man so reagiert habe.

2. Von „Symbolen“ sprechen – „Islamisierung“ erwähnen

Screenshot, Link

 

Screenshot, Link (Und kleine Anmerkung, wenn er die Kirche tausendundeinmal wieder aufbaut, stehen am Ende zwei Kirchen)

Die zweite Strategie sieht sehr ähnlich aus. Aus den gleichen Gründen wie vorhin wird „Islamisierung“ erwähnt, die Triggerworte wie „europäisches Erbe“ und „apokalyptische Zeit“ werden erwähnt, um das seit Jahren vorbereitete Narrativ des „Wir-gegen-Sie“ aufzurufen. Die Anhängerschaft soll wieder daran erinnert werden, dass sie „bedroht“ sei. Und ja nicht vergessen, wer angeblich Schuld daran habe. Hier „entschuldigt“ man die Verschwörungstheorien und Unterstellungen durch den Verweis auf „Symbole“.

Poggenburg behauptet, es sei „Symbol für die Islamisierung“, Höcke fragt, welches Bild könne die „apokalyptische Zeit“ besser beschreiben. Zur Erinnerung: Es handelt sich bisher um einen zwar tragischen Brand, aber es gibt keine Anzeichen für Brandstiftung, geschweige denn Täter. Wie soll ein Unfall Symbol für das rechtsextreme Narrativ der „Islamisierung“ sein? Erneut wird dieses falsche Narrativ erwähnt, das zu Anschlägen wie Christchurch geführt hat.

6 Dinge, die der Christchurch-Terrorist mit AfD & Co. gemeinsam hat

3. Verweis auf andere Brände – Unterstellung, wer Schuld sei

Die dritte Strategie ist der Versuch, Notre Dame nicht als tragischen Unfall aussehen zu lassen – was er nach aktuellen Informationen immer noch ist – sondern als neuestes und prominentestes Beispiel eines Trends.

Screenshot, Link

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Zu den Fakten: Im März gab es auch einen Brand in der zweitgrößten Kirche von Paris, Saint Sulpice. Niemand wurde verletzt, es brannte nur kurz. Wichtig: Die Brandursache ist unbekannt (Quelle). Doch hier wird ein Ansatz für einen Trend gesehen. Und tatsächlich gibt es viele Angriffe vor allem auf katholische Kirchen in Frankreich (Quelle). Doch in den meisten Fällen sind die Täter unbekannt. Verantwortliche sehen in den Motiven vor allem den anti-katholischen Laizismus, den es bereits seit der französischen Revolution gibt. Doch Fakt ist: Alle Behauptungen, wer (haupt-)verantwortlich ist, sind Spekulationen.

Doch diese Darstellung – oft mit Verweisen auf (rechtsextreme) Blogs, oft ohne Impressum, die absichtlich hervorheben, dass die Täter auch Muslime sein könnten – erzeugt den gewünschten Effekt. Denn wie bereits erklärt, ist das kommunizierte Narrativ klar: Wenn es Angriffe auf christliche Gebäude gibt, dann kann es in diesem Weltbild nur einen Schuldigen geben. Weil das rechtsextreme Weltbild nur Gut/Böse kennt und nur zwei Seiten. Die Vorstellung, dass es anti-christliche Franzosen gibt – das können auch Atheisten sein – wird gar nicht erst in Erwägung gezogen.

Keiner nimmt die Worte „Islam“ oder „Muslime“ in den Mund, das müssen sie auch nicht. Denn ihre Kommentierenden wissen genau, wer gemeint ist. Und sprechen das dann auch deutlich aus, wie man sehen kann. Dies ist quasi indirekte Hetze, von welcher sie sich semi-glaubwürdig freisprechen können. Doch diese Aussagen passieren ja in keinem Vakuum. Es ist klar, was gemeint ist. Der Effekt ist auch der Gleiche: Die Schuld wird wieder dem alten Feindbild gegeben.

Subtile Hetze und Spekulationen

Doch noch einmal: Die Brandursache ist unbekannt. Es war mutmasslich keine Brandstiftung. Alle Unterstellungen, Andeutungen, Behauptungen und Pseudo-Fragen haben derzeit nur einen Zweck: Hetze. Das Verbreiten von Angst. Angst, die ausgenutzt werden kann. Wie immer wird das Feindbild zuerst erzeugt, dann mit Vorfällen wie Notre Dame – die nichts damit zu tun haben! – verknüpft, um so die Angst angeblich zu „bestätigen“.

Man erzeugt das Problem erst, vor dem man angeblich warnt. Und das macht man mit jeder neuen Newsmeldung, jeder Tragödie. Ob es wie in Münster ein deutscher Amokfahrer war oder wie in Christchurch ein weißer Faschist, der Menschen umbringt. So lange noch keine Informationen vorhanden sind, wird das ausgenutzt, um das Feindbild immer tiefer in die Köpfe ihrer Anhängerschaft zu hämmern. Um ihre eigene Macht zu zementieren. Um den Hass zu schüren. Und am Ende kommt was heraus?

Genau, hunderte islamfeindliche Taten. In Dresden gab es einen Bombenanschlag auf eine Moschee. In den ersten neuen Monaten 2018 wurden nach vorläufigen Erkenntnissen 578 islamfeindliche Straftaten gezählt. Die Täter: Fast immer Rechtsextremisten (Quelle). Und vergessen wir nicht Christchruch. Am Ende hetzt man die Anhängerschaft also genau zu den Taten auf, die man angeblich anprangert.

Artikelbild: Vulp, shutterstock.com, Screenshot facebook.com/Screenshot ARD