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Hetze zu Notre Dame: Warum diese Männer wirklich gelacht haben

von | Mai 7, 2019 | Aktuelles, Analyse, Social Media

„Ich muss weinen, Paris ist nicht mehr das gleiche ohne Notre Dame“

Im Rahmen der Tragödie von Notre Dame hat man vor allem in rechten Kreisen ein Bild verbreitet, das angeblich zeigen soll, wie zwei Männer vor der brennenden Kirche lachen. Unterstellt sollte damit werden, dass sie sich über den Brand freuen würden. Implizit wird auch wegen ihres Aussehens unterstellt, es handele sich dabei um Muslime und dass man daraus auf alle anderen Muslime schließen könne. Es ist nur ein Meme von vielen, das den Brand für die Hetze gegen Muslime nutzte. Mehr dazu:

Feuer in Notre Dame: Rechte wünschen sich Terroranschlag

Die französische Presseagentur AFP hat die beiden Männer auf dem Foto identifiziert und ein persönliches Interview geführt. Die beiden Architekturstudenten S. und J., die zu ihrer eigenen Sicherheit anonym bleiben wollen, berichten wie dieses aus dem Kontext gerissene Foto sie sofort zu den Opfern einer „Lawine“ an Hassnachrichten machte und warum sie wirklich auf diesem Schnappschuss gerade lächelten.



Warum lächelten sie?

Die Architekturstudenten befanden sich gerade in einem Café als sie die Meldung des Brandes erreichte. Die beiden Männer, die Architektur studieren und unter anderem diese Kathedrale als 3D Model nachgebaut hatten, wollten daraufhin den Brand mit eigenen Augen sehen. „Wie könnten wir uns da über den Brand freuen?“, sagte S. „Als Architekturstudenten lässt es dich nicht unberührt, wenn du siehst wie ein bauliches Meisterwerk brennt.“ Als Beweis zeigten sie diesen Chatverlauf in Snapchat, welcher während des Brandes stattfand:

Screenshot Snapchat, via AFD Fact Check

P: „Ich muss weinen. Paris ist nicht das gleiche ohne Notre Dame“
S.: „Ich kann es nicht glauben. Ich habe den Turm fallen sehen.“
P: „Schockierend zu sehen, wie 800 Jahre Geschichte einstürzen“

(Übersetzung von volksverpetzer.de)

Sie betrachteten den Brand etwa eine halbe Stunde, als die Polizei sie aufforderte, den Sicherheitsbereich zu verlassen. Als sie unter das Absperrband auf der Lagrange Straße hindurch liefen verfing sich das Band im Gesicht von S. Es lockte ein Lächeln bei den beiden Männern hervor. Zufällig in genau jenem Moment wurde das Foto gemacht und auf der Facebook-Seite der russischen Nachrichtenagentur „Sputnik France“ geteilt. Und kurz darauf durch rechtsextreme Seiten und Personen auf der ganzen Welt verbreitet.

Online-Shitstorm und Abmahnungen

Kurz nachdem die Falschmeldung zusammen mit dem Foto verbreitet wurde, dass sich „Muslime“ angeblich über den Brand freuten, welche sofort zehntausende Hasskommentare und Todeswünsche hervorbrachte, erfuhren die beiden Männer davon. „Es war völlig surreal“ erinnert sich J. „Ich war bisher nicht das Opfer von Rassismus geworden. Damit habe ich jetzt genug für zwei Leben.“

Inzwischen hat Sputnik France einen Artikel veröffentlicht, in welchem sie betonen, dass sie weder unterstellen wollten, dass es sich bei den Männern um Muslime handelte, noch dass diese wegen des Feuers gelacht hätten. Sie sagen, sie seien geschockt, dass manche allein aufgrund des Aussehens über die Religionszugehörigkeit spekulieren könnten.

Die beiden Männer haben über einen Anwalt Abmahnungen an diverse Webseiten verschicken lassen. Ihr Anwalt beklagt eine „Lawine an Fake News“ und dass viele Nutzer sich dahingehend äußerten, dass sie seine Klienten ausfindig machen wollten und sie bedrohten. Sie haben Angst, in der Öffentlichkeit erkannt und angegriffen zu werden, weshalb sie sich nicht mehr gemeinsam öffentlich sehen lassen oder die Kleidung aus dem Foto anziehen würden.

Ihr Anwalt betont: „Wir müssen die Menschen, die Kommentare lesen und verfassen, dafür sensibilisieren, dass hinter jeder unbestätigten Meldung Menschen stehen, die direkte Konsequenzen für deren Leben davon tragen können.“

Zum Original-Artikel von AFP Artikelbild: Screenshot facebook.com