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So vulgär reagierten AfD Fans auf Rackete bei Hayali

von | Aug 8, 2019 | Aktuelles, Kommentar, Social Media

Hayali, Rackete und AfD-Vulgaritäten

Noch bevor auch nur eine Minute ausgestrahlt wurde, war klar, wie die Reaktionen einschlägiger Accounts und in den rechtsextremen AfD-Gruppen aussehen würden. Gestern war unter anderem Carola Rackete bei Dunja Hayali zu Gast. Beides Frauen, die die Rassisten allein durch ihre Erwähnung triggern. Und dann noch dazu im Öffentlich-Rechtlichen Fernsehen. Und dann war auch noch Grünen-Chef Habeck zu Gast. Alles Zutaten für den perfekten Hass-Cocktail.

Was natürlich mehr über die Hetzer aussagt als über die Sendung. Denn mit Inhalten hat das überhaupt nichts mehr zu tun, sondern nur noch mit Freund-Feind-Dichotomien und Hass. Wie die Recherchegruppe #DieInsider in „AfD Fanclub“ Gruppen dokumentiert, in denen mehrere AfD-Politiker und Bundestagsabgeordnete auch Mitglied sind, sind die Reaktionen fast ausschließlich Hass, Hetze, Beleidigungen und Gewaltwünsche.



Mit solchen menschen kann man doch nicht mehr reden?

Eine Frage, die man an dieser Stellen denjenigen stellen muss, die diese „AfD-Fans“ und ihre Sorgen ernst nehmen wollen oder auf deren Recht auf politische Partizipation pochen: Was konstruktives kann man damit anstellen? Nicht, dass ich nicht grundsätzlich dafür bin, dass man versucht, alle Sorgen und Meinungen einzuschließen, aber was soll man mit purem Hass, vulgären Beleidigungen, übertriebenen Unterstellungen und Gewaltdrohungen anfangen?

Sollen wir mit ihnen diskutieren, ob Rackete, Habeck und Hayali wirklich in einen „Sack gesteckt“ gehören? Wie reagierst du darauf, dass sie „Linksgrüne Faschismus Propaganda“ [sic] und „Gez Staats Probaganda“ [sic] boykottieren wollen? Das hat doch nichts mehr mit einem Diskurs zu tun. Wie kann man diese Menschen erreichen, die in ihren Gruppen ihre eigene Scheinwelt errichtet haben, mit eigenen Wahrheiten und Interpretationen der Realität? Die bei solchen Sendungen, die ihnen dann einmal die andere Seite zeigen könnten, vollkommen abschalten und nur auf die schlimmsten Superlative und Beleidigungen zurückgreifen?

Und Diskurs bei Hayali?

Die intellektualisierte Version dieser Ressentiments ist die Unterstellung, dass die Besetzung der gestrigen Sendung mit Personen wie Habeck und Rackete „einseitig“ gewesen sei. Denn es sei nicht „ausgewogen“ genug. Doch dieser Vorwurf ist auf mehreren Ebenen absurd. Erstens muss nicht jede Sendung und jeder Bericht ein Kontra haben. Das führt zur „false balance“. Der menschengemachte Klimawandel ist real und definitiv nachgewiesen. Es ist absurd, jemanden einzuladen, der sich völlig faktenfrei hinstellt und einfach das Gegenteil behauptet.

Oder nehmen wir ein drastisches Beispiel: In einer Diskussion zu Pädophilie brauchen wir niemanden, der dafür argumentiert. Eine TV-Sendung ist kein Gericht und nicht der Bundestag, der alle Meinungen zu Wort kommen lassen muss. Vor allem sind solche Diskussionen nur fruchtlose Anschrei-Debatten, denn sie sind nicht dazu gedacht, Konsens zu finden, nur beiden Seiten eine Bühne zu bieten. Insbesondere ist der Vorwurf absurd, wenn nur wenige Tage zuvor AfD-Chef Meuthen ein gemütliches Einzelinterview bekommen hatte. Oder direkt nach Hayali Lanz gesendet worden ist, bei welchem CDU Ministerpräsident Haseloff anwesend war. Außerdem ist es ja nicht so, als würden viele Grünen-Politiker*innen (mit echten Zitaten) in rechtsextremen Blogs zu Wort kommen.

Und hier sieht man auch, warum das Angucken einer Sendung sinnvoll wäre, bevor man sie kritisiert: Denn Habeck wurde mit seiner Politik konfrontiert und zwar mit Schweinemastbetreiber Riggert, Personalreferentin eines Braunkohleunternehmens Zirzow und Chef des Hannover Flughafens. Also eine Diskussion zwischen einem Politiker und Menschen, die dessen Politik betreffen würde. Und es war auch eine fruchtbare Diskussion, denn hier gab es Reibungsfläche, aber eine durchaus konstruktive.

Rackete und Diskurs

Im Gegenteil, was eine gute Diskussion verhindert hat war weniger eine angeblich mangelnde Ausgewogenheit als mangelnde Zeit. Diskussionen wurden von Hayali im Keim erstickt, weil diese den nächsten Themenpunkt einbringen wollte. Auch die Kritik, dass Rackete nicht mit harten Fragen konfrontiert wird (WELT) lag vor allem daran, dass sie so wenig Zeit dafür hatte. Anstatt nach dem Willen der AfD Fans nicht nur Hayalis Sendung, sondern gleich das ganze ZDF abzuschaffen, wäre es vielleicht sinnvoller, ihnen mehr Sendezeit zu geben.

Aber so weit in die Diskussion kommt man gar nicht. Und ich habe ohnehin schon kein Wort über den Inhalt gesprochen. Über die Darstellung der Realität über Seenotrettung, die Rackete erwähnte. Eine Realität, die sie am eigenen Leib erlebt hat und die die Hetzer nur aus Fake News in ihren rechtsextremen Gruppen kennen. Und davon gab es viele (Hier und hier). Oder über die Lösungsansätze Habecks. Nein, durch die völlig überzogenen und vulgären Vorwürfe in diesen Gruppen wird genau diese „Zensur“ und Propaganda betrieben, die sie angeblich beklagen.

Denn sie machen einen Diskurs unmöglich. Sie möchten die Gegenseite einfach nur zum Schweigen bringen. Sie kritisieren nicht, was sie sagen, sie kritisieren, dass sie überhaupt sprechen dürfen. Und das machen sie auf die primitivste Art, die möglich ist. Menschen, die diese Form der Unterdrückung auch noch Intellektualisieren, ohne überhaupt auf die Ebene der inhaltlichen Diskussion zu kommen, legitimieren letztlich so eine gewaltsame Sprache und Einstellung. Und letztlich auch echte Gewalt.

Artikelbild: Screenshot ZDF, #DieInsider