Es gibt einen Fall von Wahlbetrug in Sachsen, in welchem die Staatsanwaltschaft ermittelt: Wegen gefälschten Stimmen für die rechtsextremen “Freie Sachsen”. Die Korrektur der Landessitze durch den Wahlleiter war aber wichtig, weil ein Softwarefehler der rechtsextremen AfD einen Sitz gegeben hatte, der ihr nicht zusteht. Faktenstark erklärt, wie du mit Leuten redest, die auf rechte Lügen hereingefallen sind.
Das folgende Argumentationstraining veranschaulicht, wie man faktenbasiert und empathisch gegen Fake News vorgeht, indem man das Narrativ der gestohlenen Wahl als praktisches Beispiel nutzt. Entscheidend ist dabei, das Gegenüber kritisch, aber respektvoll zu hinterfragen, Fakten gekonnt zu präsentieren und positive Narrative zu stärken. Anstatt seinen Redepartner direkt zu konfrontieren, führt man ihn behutsam dazu, seine eigenen Überzeugungen zu hinterfragen. So kann ein respektvoller und faktenorientierter Dialog gefördert werden.
Bevor wir in die Widerlegung der Desinformation einsteigen, ist es essenziell, zunächst die Ausgangslage und den Kontext genau zu verstehen. Nur so können wir gezielt und effektiv argumentieren und das Gegenüber auf Augenhöhe abholen.
Die Ausgangslage: Die Lüge vom Wahlbetrug
Nach der Wahl in Sachsen am letzten Sonntag kursieren unter anderem auf Telegram Falschmeldungen über vermeintlichen Wahlbetrug und sogar der Vorwurf der gestohlenen Wahl. Ein Softwarefehler des Wahlleiters führte zu einer Korrektur der Sitzverteilung, die die AfD einen Sitz kostete. Statt 41 Sitzen für die AfD und 42 für die CDU ergab die Korrektur 40 Sitze für die AfD und 41 für die CDU, während SPD und Grüne jeweils einen zusätzlichen Sitz erhielten. Für die AfD hat dieser Verlust weitreichende Folgen: Sie verliert die Sperrminorität und damit die Möglichkeit, wichtige Entscheidungen wie die Auflösung des Landtags oder die Wahl von Verfassungsrichtern zu blockieren.
Diese Anpassung führte im Netz zu einem Sturm der Entrüstung. In Telegram-Kanälen sowie bei “alternativen” Medienmachern kursieren gezielt Desinformationen und irreführende Nachrichten, die darauf abzielen, das Vertrauen in die demokratische Legitimität des Auszählungsverfahrens und die Integrität des Wahlleiters zu untergraben. Dabei geht es darum, durch die Diffamierung des Wahlleiters und anderer öffentlicher Institutionen der Regierung indirekt Inkompetenz vorzuwerfen.
Antidemokratische Akteur*innen nutzen gezielt Irreführung und Desinformation, um demokratische Parteien und die Regierung als Ganzes zu diskreditieren, während sie sich selbst als Opfer eines ungerechten Systems inszenieren. Nur wenige Stunden nach Bekanntwerden des Fehlers wird von einer „bewussten Schlamperei“ gesprochen oder behauptet, der Begriff Sperrminorität sei an sich ein „destruktiver Begriff“, der absichtlich von den Medien verwendet werde, um der AfD zu schaden.
“Alternative” Medien wie AUF1 tragen aktiv dazu bei, die Erzählung weiter anzuheizen, indem sie von einem „Wahlbetrug mit Ansage“ sprechen, nachdem die AfD ihre Sperrminorität verloren hat. Andere nutzen Satire als Werkzeug der Desinformation, um die Glaubwürdigkeit staatlicher Institutionen durch Memes über den Softwarefehler zu untergraben.
1. Das Problem erkennen: Mythos der gestohlenen Wahl
Zunächst ist es wichtig, das Problem zu verstehen: Die Behauptung hinter dem Wahlbetrug-Mythos in Sachsen basiert auf gezielter Desinformation, die das Vertrauen in das Wahlsystem untergraben sollen. Die Strategie dahinter ist klar: Die Legitimität der Wahl wird systematisch infrage gestellt, um die eigenen Anhänger weiter zu radikalisieren – ein Narrativ, das bereits erfolgreich bei der US-Wahl oder nach der Wahl in Frankreichangewendet wurde.
Das Training beginnt mit der Einsicht, wie diese Dynamik funktioniert und wie man auf Menschen zugeht, die an solche Mythen glauben:
2. Verstehen, ohne das Weltbild zu validieren
Im Umgang mit Personen, die an die Desinformation über die gestohlene sächsische Wahl glauben, ist es essenziell, zuzuhören, ohne deren Weltbild zu legitimieren. Diese Technik, inspiriert von psychotherapeutischen Ansätzen, ermöglicht es, eine Konfrontation zu vermeiden, die das Gegenüber in seiner falschen Überzeugung nur bestärken würde.
Interventionsbeispiel: „Ich verstehe, dass dich die Berichte über den Softwarefehler bei der sächsischen Wahl verunsichern. Es ist nachvollziehbar, dass man sich Sorgen macht, wenn man den Eindruck hat, dass etwas nicht stimmt.“
Die empathische, aber zugleich gut abgegrenzte Reaktion schafft einen Raum für Dialog, der Eskalation verhindert und das Gegenüber offen für eine sachliche Diskussion macht. Wenn man das Gegenüber nicht defensiv werden lässt, sondern seine Sorgen ernst nimmt, kann man verhindern, dass es sich in ein Gefühl der Isolation zurückzieht und zum Einzelkämpfer wird.
3. Den Denkprozess durch die sokratische Methode anregen
Anstatt die Person direkt mit Gegenargumenten zu konfrontieren, kann es hilfreich sein, die sokratische Methode anzuwenden. Diese Argumentationstechnik zielt darauf ab, durch gezielte Fragen das kritische Denken des Gegenübers zu fördern und es dazu zu bringen, eigene Überzeugungen zu hinterfragen.
Interventionsbeispiel: „Warum glaubst du, dass so viele Menschen in das Wahlsystem involviert sind, aber niemand diese Manipulation öffentlich gemacht hat? Was würde eine solche Verschwörung den Beteiligten bringen?“
Durch solche Fragen kann man Widersprüche in den Überzeugungen des Gegenübers aufdecken, ohne belehrend zu wirken. Das regt die Person dazu an, ihre Ansichten kritisch zu überdenken.
4. Techniken zur Förderung von Ambiguitätstoleranz und Frustrationstoleranz
Eine weitere hilfreiche Strategie ist die Förderung der Ambiguitätstoleranz – die Fähigkeit, Unsicherheiten und Mehrdeutigkeiten auszuhalten, ohne sich sofort für eine einfache, aber möglicherweise falsche Erklärung zu entscheiden. Ebenso wichtig ist die Frustrationstoleranz, also die Fähigkeit, mit Enttäuschungen und Rückschlägen umzugehen, ohne in radikale Denkweisen abzugleiten.
Interventionsbeispiel: „Es ist manchmal schwer, zu akzeptieren, dass nicht alles schwarz-weiß ist. Manchmal gibt es in komplexen Situationen keine einfachen Antworten, oder sogar gar keine Antworten und das kann frustrierend sein. Aber gerade in solchen Momenten ist es wichtig, geduldig zu bleiben und sich nicht von voreiligen Schlüssen leiten zu lassen.“
Diese Ansätze helfen, die Resilienz gegenüber Desinformation zu stärken und fördern eine differenziertere Betrachtungsweise von schwierigen Themen.
5. Gemeinsamkeiten betonen mit der Shared Values-Methode
Anstatt sich sofort auf die Unterschiede in den Ansichten zu konzentrieren, beginnt man das Gespräch, indem man auf Werte oder Anliegen hinweist, die beiden Seiten wichtig sind. Dies kann Empathie, Gerechtigkeit, Sicherheit oder das Wohl der Gemeinschaft sein. Der Fokus liegt darauf, eine gemeinsame Basis zu schaffen, auf der die Diskussion aufgebaut werden kann.
Interventionsbeispiel: „Ich glaube, uns beiden ist wichtig, dass unsere Wahlen fair und transparent ablaufen, damit wir sicher sein können, dass die Stimmen wirklich zählen. Mir liegt genauso wie dir am Herzen, dass unsere Demokratie funktioniert und geschützt wird. Wie können wir gemeinsam sicherstellen, dass wir uns auf die richtigen Informationen verlassen?“
6. Die sachliche Ebene
Sobald das Gespräch in einer ruhigen und offenen Atmosphäre verläuft, ist es an der Zeit, mit fundierten Fakten zu argumentieren. Es ist entscheidend, gut recherchierte und vertrauenswürdige Informationen bereitzuhalten, die die Desinformationen widerlegen. Indem man auf seriöse und überprüfbare Quellen verweist, kann man die Grundlage der Desinformation entkräften.
Interventionsbeispiel: „Es gibt unabhängige Wahlbeobachter, die bestätigen, dass die Wahl in Sachsen ordnungsgemäß verlaufen ist. Die Wahlanalysen zeigen keine Unregelmäßigkeiten, die auf Manipulation hinweisen würden.“
7. Woher kommen diese Informationen?
Nachdem man seinem Gegenüber einige Denkprozesse abverlangt hat und zu einer kritisch-zugewandten Auseinandersetzung angelangt ist, kann man die Frage nach den Quellen stellen. In diesem Schritt ist es wichtig, die Herkunft der Desinformation vom Wahlbetrug zu hinterfragen, ohne dabei belehrend zu wirken. Mit gezielten Fragen und Anregungen kann man das Gegenüber dazu bringen, diese Quellen kritisch zu überdenken.
Interventionsbeispiel: „Darf ich fragen, welche Quelle du verwendet hast? Weißt du, ob es dazu auch Berichte in größeren Medien oder Aussagen von offiziellen Stellen gab?“
8. Positive Narrative schaffen
Ein zentraler Bestandteil des Argumentationstrainings ist die Schaffung positiver Narrative, die das Vertrauen in demokratische Prozesse stärken. Es ist wichtig, die Integrität des Wahlsystems hervorzuheben und die Transparenz und Kontrolle zu betonen, die solche Prozesse sichern. Durch das Teilen positiver Beispiele kann man in seinem Gegenüber das Vertrauen in die Demokratie wieder stärken und Mut machen.
Interventionsbeispiel: „Wahlen in Deutschland sind eines der am besten überwachten Ereignisse. Es gibt strenge Vorschriften und unabhängige Mechanismen, die sicherstellen, dass alles korrekt abläuft.“
Der faktenstark Guide zeigt auf, wie ihr gegen Desinformationen argumentieren könnt, hier erklärt am Beispiel der Falschinformationen rundum die Wahl in Sachsen. Falschmeldungen um vermeintlichen Wahlbetrug, um die absichtliche Auf- oder Abrundung von Ergebnissen bei der Sitzverteilung oder ridikülisierende Memes dienen dazu, die Legitimität der sächsischen Wahl zu schwächen und die AfD gleichzeitig als Opfer darzustellen.
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Artikelbild: canva.com / Screenshots telegram