7.140

Bedrohung: „erheblich vorbestrafter“ Querdenker & Reichsbürger angeklagt

von | Aug 7, 2022 | Aktuelles

Bürgermeister bedroht – Anklage gegen vorbestraften, querdenkenden Reichsbürger … und ex-AfD-Mitglied

Jörg L., „erheblich vorbestrafter“ Querdenker und Reichsbürger, rief Ende November 2021 andere Leute in einem öffentlichen Telegram-Kanal dazu auf, den Erbacher Bürgermeister Peter Traub (unabhängig) zu bedrohen und seine Frau und Kinder in Angst und Schrecken zu versetzen. Jetzt hat die Staatsanwaltschaft Darmstadt Anklage erhoben. Möglich macht das der §26 im Strafgesetzbuch: „Anstiftung“. Dadurch kann ein Anstifter genauso bestraft werden wie die Person, die die Tat ausführt. In Frage käme hier der §111 StGB – „öffentlicher Aufforderung zu Straftaten“, welcher immerhin ein Strafmaß von bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe vorsieht. Geht man von §241 StGB „Bedrohung“ aus, so dürfte am ehesten dieser Tatbestand erfüllt sein. Zuvor hatte er bereits ausgeführt: „Nicht einmal die NPD ist mir rechts genug“, sowie „Ich würde gern was ehrenamtlich tun, Henker, Scharfrichter oder so“.

Er erhielt das Mandat 2015, trat kurz danach aber bereits aus der AfD aus. Er legte sein Kreistagsmandat erst 2020 nach massiver Kritik nieder. Zuvor sagte er in den Sitzungen „keinen Ton“, postete parallel jedoch regelmäßig in den Sozialen Medien abfällige Kommentare über die Kreistagsmitglieder.

Mandatsniederlegung mit Bezug zum Reichsbürgertum

Er begründete seine Niederlegung nicht etwa mit seinem strafbaren Verhalten im Internet, sondern viel mehr damit, dass „dieses Land zu einem Willkürstaat der Vetternwirtschaft und Parteiendiktatur verkommen“ sei. Menschen, die in den Gremien tätig seien, würden sich dem deutschen Volk gegenüber schuldig machen. „Das ist keine Demokratie sondern Willkür und Gesinnungsdiktatur, welche bereits die Ausrichtung einer totalitären Diktatur hat.“ Dies geht aus seiner Stellungnahme hervor, die hier zu lesen ist. Begonnen hat er diese übrigens mit: „Guten Tag Diverse (die anderen 50 Geschlechter erspare ich mir), Damen und Herren, (…)“.

Er könne seine politische Arbeit nicht mit seinem Gewissen vereinbaren, da die Politik „in diesem Lande unsäglich, menschenverachtend und selbstzerstörerisch“ sei.

Pikant: wie auch hier schon ist Jörg L. nicht der einzige Querdenker und Reichsbürger, der ebenfalls Mitglied der AfD war:

Reichsbürgerin & Ex-AfD-Stadträtin biss Polizisten – Urteil

Diskreditierende und beleidigende Kommentare in Sozialen Medien

Hier eines seiner Postings, zu sehen ist er unter anderem mit einem Vorschlaghammer und der Aussage: „So langsam geht mir der Biomüll auf die Nerven. Aber es ist heilbar, einfach der Reihe nach aufstellen! Es tut wirklich nicht weh, gibt nur eine kleine Beule am Hinterkopf.“

Gemeint waren damit die Mitglieder der Grünen. Das Aufstellen von Menschen hintereinander, um ihnen dann körperliches Leid anzutun, hat einen weiteren Beigeschmack aus längst vergangenen Zeiten. Für dieses Posting, aber auch für die Bezeichnung der SPD-Kreistagsfraktion als „rote Ratten“ musste er bereits im September 2020 eine Geldstrafe in Höhe von 300€ zahlen. „Mit dem Rattenvergleich werde Menschen das Menschsein abgesprochen, „das haben schon die Nazis gemacht“, so der Vertreter der Staatsanwaltschaft.

Dieser verwies auch auf das erhebliche Vorstrafenregister des Angeklagten. Das Gericht sah den Straftatbestand der „Beleidigung“ als erwiesen an. Jörg L. entschuldigte sich jedoch bei dem Kreistagsvorsitzenden der SPD und so kam es dann doch noch einmal zur Einstellung des Verfahrens gegen Zahlung der Geldstrafe in Höhe von 300€. Doch selbst dagegen erhob er zunächst Einspruch. Allerdings verdeutlichte der Richter auch: „Beim zweiten Mal wird es keine Einstellung geben“.

Randnotiz: der Rechtsanwalt von L. war bei der Verhandlung nicht anwesend. Begründung: es sei ihm nicht zuzumuten „in einem Provinzhotel zu übernachten“. Mal schauen, wie das jetzt im aktuellen Verfahren 2022 aussieht.

Neue Anklage sei politisch motiviert

Laut Informationen der Main-Spitze handele es sich nach Aussage von Jörg L. um eine politisch motivierte Anklage. Er selbst habe sich nichts vorzuwerfen, meint er. Zitat Jörg L.: „Es handelt sich um ein politisch motiviertes Verfahren. Ich gehe davon aus, dass meine Äußerung vom Grundrecht der Meinungs- und Versammlungsfreiheit gedeckt war und ich freizusprechen sein werde.“

Was er jedoch verschweigt: wie konkret er dazu aufgerufen hatte. So schrieb er: „Jetzt sollte es an der Zeit sein, dem Traub die Stirn zu bieten.“, sowie: „(…) Demo vor seiner Haustür – er muss bedrängt werden“ und „Die Familie fühlt sich dann nicht mehr sicher“, „Auch mal die eine oder andere laute Drohung“.

Bedrohungen gegen Bürgermeister Peter Traub, Screenshot des Telegram-Kanals

Bild © hessenschau.de/Screenshot: Telegram

Ursprung dieser Drohwelle war übrigens die Schließung eines Cafés, welches mehrfach gegen die Corona-Auflagen verstoßen hatte. Sowohl die Kundschaft als auch die Mitarbeitenden trugen trotz geltender Maskenpflicht keine Masken. Demonstrationen vor dem Café, initiiert durch die Querdenkerbewegung waren die Folge. Im Zuge dessen eskalierte dann auch die Stimmung in dem Telegram-Kanal und es kam zu den oben genannten Äußerungen.

Bürgermeister zeigt sich über Anklage erleichtert

Bürgermeister Peter Traub zeigte sich über die Anklage erleichtert: „Für mich ist es unerheblich, ob L. tatsächlich gewaltbereit ist oder nur ein loses Mundwerk hat.“ Es bestehe immer die Gefahr, dass „Trittbrettfahrer den Aufruf zur Gewalt ernst nehmen“, sagte er gegenüber dem Portal Main-Spitze. Und gegenüber der Hessenschau: „Dass die Drohung auch explizit gegen seine Familie gerichtet war, fand er „perfide“.

L. postete auch eine Abbildung eines Davidsterns mit der Aufschrift „Nicht geimpft“. Ob ein zusätzliches Verfahren wegen Verstoß gegen §130 StGB (Volksverhetzung) in Frage kommt, wäre ebenfalls wert, juristisch geklärt zu werden.

Artikelbild:

Spendiere uns doch einen Kaffee für unsere gemeinnützige Arbeit:
Unterstütze uns auf Paypal Unsere Autor:innen nutzen die Corona-Warn App des RKI.