Selbstjustiz von Querdenker:innen
Die Pandemie-Leugner:innen glauben wohl, sie seien im Wilden Westen und müssten Selbstjustiz ausüben: 10.000€ Kopfgeld wurde auf einen PayPal-Verantwortlichen ausgesetzt. Was ist passiert? Der Hintergrund ist, dass der führende Verschwörungsideologe Bodo Schiffmann seit knapp drei Wochen einen Spendentopf in Paypal für die Opfer der Flutkatastrophe ausgelobt hatte. Die circa 700.000€ haben die Bedürftigen jedoch bis heute nicht erreicht. Gründe sind unter anderem, dass der Querdenker die Spende unter Bedingungen stellt und daher nicht an seriöse Spendenorganisationen geben kann.
Aufgrund verschiedener Entwicklungen, einige davon selbstverschuldet, blieb das gesammelte Spendengeld knapp drei Wochen auf dem privaten Moneypool von Schiffmann, bis dieser am Montag offenbar von Paypal gesperrt wurde. Die genauen Gründe sind unklar, möglich ist ein Verstoß gegen die AGB oder sogar aufgrund der Veranlassung durch die Staatsanwaltschaft oder der Finanzaufsicht – da gegen Schiffmann bereits wegen Spendenbetrugs ermittelt wird. Die ganzen Hintergründe und Details haben wir hier bereits zusammengefasst:
Spendengelder von Querdenker Schiffmann gesperrt: Jetzt Strafbestand Betrug erfüllt?
10.000€ Kopfgeld
Jetzt hat sich ein Querdenken-naher Verein eingemischt und 10.000€ Belohnung für die Identität des “ursächlich Verantwortlichen” Mitarbeiter bei Paypal ausgelobt. In Querdenken-typischem Unverständnis von Recht und Schuld möchten sie offenbar rechtlich gegen die Person vorgehen.
Doch darf man das überhaupt?
Grundsätzlich lässt sich im Strafgesetzbuch nicht viel dazu finden, es lohnt sich jedoch in der Datenschutzgrundverordnung nachzuschauen, denn der Aufruf fordert, dass personenbezogene Daten eines Mitarbeiters weitergegeben werden sollen. Da belastbare Beweise erbracht werden sollen, müssen darüber hinaus Informationen zur Verfügung gestellt werden wie firmeninterne Screenshots (von Mails o.ä.) oder der Arbeitsvertrag des/der Verantwortlichen.
Ironischerweise geht mit der DSGVO aber auch die Informationspflicht für den Betroffenen einher, da es sich hierbei um eine sogenannte Dritterhebung handelt. Das bedeutet, dass der Verein Mutigmacher e.V. die betroffene Person, über die sie Daten erhoben haben, informieren müssen. Machen sie das nicht, verstoßen sie gegen Artikel 14 Abs. 1 DSGVO. Ebenso ist aufgrund der Dritterhebung die Datenquelle anzugeben, also welche Person die Daten weitergegeben hat. Der Verein Mutigmacher e.V. muss dem Betroffenen dies mitteilen, so dass der Betroffene Strafanzeige gegen die Person stellen kann, die die Daten rechtswidrig an den Verein weitergereicht hat. Weiterhin wird der Verein mit einem Bußgeldverfahren nach Art. 83 DSGVO rechnen müssen, wenn er seinen Informationspflichten nicht nachgekommen sein sollte.
10.000€ vs. Strafverfahren
Ob es sich jetzt noch lohnt, die Daten an den Verein weiterzugeben, muss man für sich selbst entscheiden. Fakt ist aber, dass von den 10.000€ Belohnung für illegal beschaffte Daten nach Abzug von Verteidigungs- und Gerichtskosten, sowie Schmerzensgeld für die betroffene Person nicht mehr allzu viel übrig bleiben dürfte. Und die Vorstrafe im Bundeszentralregister kann ebenfalls weitere Kosten (Jobverlust und dadurch weniger Einkommen) mit sich bringen. Am Ende im besten Fall also Plusminus Null.
Das Vorhaben von Mutigmacher e.V. ist in erster Linie ein Fall für die Berliner Datenschutzbehörde.
Da ein Gerichtsprozess von Schiffmann gegen PayPal keine Aussicht auf Erfolg hat und die Klage sehr wahrscheinlich gar nicht erst zugelassen wird, braucht man sich eigentlich nicht weiter damit befassen und kann dem Verein nur viel Glück in ihrem Bußgeldverfahren – sowie dem “Verräter” im Strafverfahren – wünschen.
Mögliche Klage gegen PayPal wegen der Sperrung
Sollte eine Klage gegen PayPal (gegen die sperrende Person wäre es nicht rechtmäßig, da es sich um einen Anspruch handelt, der gegen das Unternehmen gerichtet ist) dennoch zugelassen werden, würde in diesem Fall hier aber ein Beweisverwertungsverbot in Frage kommen, da die Beweise über das Kopfgeld illegal beschafft wurden, sofern es für die Erhebung dieser Daten im Vorfeld keine richterliche Anordnung gegeben hat. Da der Verein Mutigmacher (übrigens nicht gemeinnützig, also wäre unsere Empfehlung eher nichts dahin zu spenden, da steuerlich nicht absetzbar…) keine Strafverfolgungsbehörde ist, ist davon auszugehen, dass es sich somit um illegale Beweise handeln würde.
Querdenker:innen reiten sich immer weiter rein
Wie immer bei den Verschwörungsideolog:innen, die sich nach vielen Monaten angeheizt durch Lügen, Fake News und Verschwörungsmythen in Telegram und Co. in eine eigene Wahnwelt gesteigert haben, machen sie nicht nur vielen falsch, sondern sind auch unfähig, diese eigenen Fehler einzugestehen. Dass die Flutopfer fast drei Wochen auf die Hilfe warten mussten, sei völlig selbstverschuldet gewesen. Andere Spendenpools sind längst abgeschlossen und helfen seit Langem. Nicht nur sucht man überall anders als bei sich selbst nach Schuldigen, diese Suche macht alles noch schlimmer – indem man zum Beispiel ein problematisches Kopfgeld aussetzt.
Die Aktion zielt auf die Offenlegung von geheimen internen Vorgängen bei PayPal. Die Erlangung auf derartige Verhaltensweisen verstößt gegen § 4 Abs. 2 Nr. 2 GeschGehG. Strafbarkeit ergibt sich aus § 23 GeschGehG bei Nutzung zu Gunsten eines Dritten (#Schiffmann) (2/3) pic.twitter.com/KnKK4EgoNn
— Chan-jo Jun (@Anwalt_Jun) August 4, 2021
Zum Thema:
Querdenken-Blamage in Berlin: Peinlicher, planloser, gewalttätiger Kindergarten #b0108
Autor:innen: Gordana Rammert, Thomas Laschyk. Artikelbild: Screenshots
Unsere Autor:innen nutzen die Corona-Warn App des RKI.