Woher man weiß, dass Trump das TV-Duell gegen Harris verloren hat? Er beklagt sich darüber und seine Fans wollen das Moderatoren-Team verhaften. So reagieren die Trump-Fans auf seine Niederlage.
Es gilt als schlechtes Zeichen dafür, wie ein Präsidentschaftskandidat im TV-Duell abgeschnitten hat, wenn der Kandidat anschließend im sogenannten „Spin-Room“ vor die anwesende Presse tritt – denn wer die Debatte gewonnen hat, muss sich nicht rechtfertigen. Dort verkündete Donald Trump letzte Woche, diverse Umfragen (Fragen danach, welche er meine oder woher die Zahlen stammten, ignorierte er) würden zeigen, dass er das TV-Duell haushoch gewonnen habe. „Das war die beste Debatte, die ich je hatte“, verkündete er, wollte sich aber zunächst nicht festlegen, ob er zu einer zweiten Debatte gegen Harris bereit wäre. Sie sei wie ein Boxer, der einen Kampf verloren habe und sofort ein Rematch fordere.
Trump will keine zweite Debatte
Fox News hatte sich als ausrichtender Sender für eine zweite Debatte angeboten – und als Moderator*innen Brett Baier und Martha MacCallum vorgeschlagen. Bei „Fox and Friends“ lehnte Trump das jedoch ab. Eine weitere Debatte, selbst wenn sie bei Fox News stattfinden würde, könne er sich nur vorstellen, wenn Sean Hannity, Jesse Watters oder Laura Ingraham moderieren würden – die drei sind die lautesten pro-Trump Propagandisten des Senders.
Die Moderator*innen waren schuld!
Mittlerweile hat Trump mitgeteilt, er sei gar nicht mehr zu einer zweiten Debatte bereit. Gleichzeitig beschwerte er sich, er habe nicht nur gegen Harris, sondern auch gegen die Moderator*innen von ABC antreten müssen: Die Debatte sei „drei gegen einen“ und deswegen unfair gewesen, klagte Trump – obwohl er natürlich gewonnen habe. Er verstieg sich sogar dazu, die Moderator*innen von ABC als „Abschaum“ zu bezeichnen.
Schon am Morgen nach der Debatte hatte Trump bei der Sendung „Fox & Friends“ angerufen, um seine Wunden zu lecken – und ABC zu drohen: “ABC hat gestern einen großen Schlag eingesteckt. Ich meine, um ehrlich zu sein, sie sind ein Nachrichtenunternehmen, und dafür brauchen sie eine Lizenz. Sie sollten ihnen die Lizenz dafür wegnehmen, wie sie das gemacht haben.“ Ein Vorgeschmack darauf, wie Trump es in seiner zweiten Amtszeit mit der Pressefreiheit halten könnte.
Selbst Fox kann sich Trumps Performance kaum schönreden
Selbst Lindsey Graham, republikanischer Senator und Trump-Befürworter, konnte nicht umhin, Trumps Auftritt mit einem einzigen Wort zu beschreiben: „Desaster“. Gegenüber Tim Miller von „The Bulwark“ sagte Graham, Trump sei „nicht vorbereitet gewesen“ – und solle das Team, das ihn gebrieft habe, feuern.
Trumps Performance war so schlecht, dass selbst einige seiner größten Unterstützer in rechten Medien kaum wussten, wie sie ihn verteidigen sollten. Laura Ingraham sagte bei Fox News: “Hat Donald Trump ein paar Gelegenheiten verpasst? Absolut.” Aber ABC, der Sender, der die Debatte abgehalten hatte, hätte Harris „geholfen“, behauptete Ingraham.
Es war ein Refrain, der oft zu hören war: Der gastgebende Sender und die beiden Moderator*innen seien schuld gewesen an Trumps schlechter Leistung. „Es war drei gegen einen“, klagte auch Trumps Schwiegertochter und Vorsitzende des Republican National Committees Lara Trump bei Fox News. Der Moderator Greg Gutfield empörte sich bei Fox News:
„Klar kann man sagen, wenn man sich über die Schiedsrichter beschwert, hat man verloren. Aber wenn die Schiedsrichter korrupt sind, muss man sich beschweren, denn alle haben verloren. Ich bin tatsächlich dümmer geworden, als ich es mir angesehen habe. Ich hatte das Gefühl, als würde mein Gehirn von dem schieren Unsinn dieser idiotischen Moderatoren verwässert.“
Senator Ted Cruz behauptete bei Fox, die Moderator*innen hätten „die Wahrheit über ihre Bilanz vor der amerikanischen Bevölkerung versteckt“. Die Journalistin Megyn Kelly postete bei Twitter: „Muss nett sein, wenn Moderatoren einen als Kandidatin so schützen. Macht alles so viel einfacher.“
Gejammer über die Moderatoren
Später legte sie nach: „Die Moderatoren sind eine absolute Schande, und das ist eine der am meisten voreingenommenen, unfairsten Debatten, die ich je gesehen habe. Schande über euch, ABC.“ Und die frühere Republikanische Senatskandidatin Kari Lake aus Arizona postete auf Twitter: „Die Moderatoren lassen @KamalaHarris in dieser Debatte mit allem durchkommen“. Und Lake ergänzt: „Sie wiederholt jeden widerlegten linken Standpunkt des letzten Jahrzehnts. Aber die Moderatoren sorgen immer dafür, dass sie für Trump falsche ‚Korrekturen‘ vornehmen, nachdem er einen Standpunkt dargelegt hat.“
Meghan McCain, die älteste Tochter von John McCain versuchte ein pseudo-populistisches Framing und behauptete, die Inhalte der Debatte hätten nichts mit den eigentlichen Sorgen der Bevölkerung zu tun: „Das sind Fragen für die Elitedebatte in Manhattan – das amerikanische Volk leidet, kann sich seine Lebensmittel nicht leisten und verdient Antworten. Ich weiß nicht, was zum Teufel das soll, aber diese Moderatoren erweisen dem amerikanischen Volk einen Bärendienst“, schrieb sie auf „Twitter“.
„Schauprozess“ und Forderungen, die Moderator*innen zu verhaften
Charlie Kirk von der MAGA-Jugendorganisation „Turning Point USA“, bezeichnete das TV-Duell unterdessen gar als „Schauprozess“, und schrieb ABC die Rolle des „Henkers“ zu. Sean Davis, der Chef von „The Federalist“ fordert derweil, die ABC-Moderator*innen sollten „verhaftet werden“. Selbst Tucker Carlsons Nachfolger bei Fox News, Jesse Watters, musste summieren: „Das war hart.“ Niemand aus dem Publikum „könnte einen Gewinner“ küren, aber er war trotzdem der Ansicht, dass Sätze, die beim Publikum hängen blieben, die Trumps gewesen seien.
Verschwörungsmythen, weshalb Harris so gut im TV-Duell war
Um zu erklären, warum Kamala Harris, die rechte Medienpersönlichkeiten zuvor als dumm und ahnungslos beschimpft hatten, Donald Trump so eindeutig überlegen war, griffen einige rechte Social-Media-Accounts auf unbelegte Verschwörungstheorien zurück. Laura Loomer, eine rechtsextreme Influencerin und 9/11 „Trutherin“, die Trump jüngst in seinem Privatjet zu einer 9/11 Gedenkveranstaltung mitnahm, behauptete, Harris Ohrringe seien getarnte Ohrstöpsel gewesen, über die ihr jemand die richtigen Antworten eingeflüstert habe – denn es kann in ihren Augen nicht sein, dass eine Schwarze Frau, die sie und andere rechte Influencer und Aktivisten als „DEI-Kandidatin“ (also als „Quotenkandidatin“) verunglimpfen und deren Intelligenz sie seit Wochen infrage stellen, Trump so eindeutig schlagen konnte.
Es gibt keinerlei Belege für diese Verschwörungstheorie. Das hat die amerikanische Rechte jedoch auch in der Vergangenheit nicht davon abgehalten, derartige Lügen zu verbreiten – ähnliche Gerüchte wurden schon über Al Gore (2000), Bush (2004), Hillary Clinton (2016) und Joe Biden (2020) verbreitet.
Megyn Kelly: „F*** dich, Taylor Swift“
Besonders hart traf einige rechte Medienpersönlichkeiten auch die offizielle Unterstützung von Harris durch Taylor Swift. Megyn Kelly rief: „Du kannst deinen Verkäufen an das republikanische Publikum Lebewohl sagen, Taylor, ich hoffe, du hattest Freude daran, solange du sie hattest. [….] Ich darf Taylor Swift kritisieren, und es ist mir scheißegal, wer sich darüber aufregt. Das ist widerlich. Wenn sie Harris-Walz wählen will, kann sie das tun, so viel sie will, aber zu sagen, dass sie das wegen Tim Walz‘ Haltung zu LGBTQ tut? F*** dich, Taylor Swift!“
Sogar die größten MAGA-Fans und rechtsextremen Medienpersönlichkeiten scheinen nach Trumps wenig überzeugender Performance nervös – was ihre panisch wirkenden Versuche, sein schlechtes Abschneiden zu rationalisieren, ohne bei „er ist ein alter Mann, der keinerlei Bezug zur Realität hat“ zu landen, erklären könnte. Es ist jedenfalls nicht überraschend, dass Trump keine weitere Debatte will – nachdem Harris ihn so fein säuberlich zerlegt hat, will er sich keine weitere Blamage leisten.
Unter normalen Bedingungen haben Fernseh-Duelle heute für gewöhnlich keine große Auswirkung auf die Wahlentscheidung – doch diese Präsidentschaftswahl ist keine normale Wahl. Ja, es wird knapp – und ja, auch Hillary Clinton hat ihre TV-Duelle gegen Trump gewonnen. Aber die Voraussetzungen 2016 waren anders als diesmal: Clinton war einer breiten Öffentlichkeit als ehemalige First Lady, als Senatorin von New York, als innerparteiliche Konkurrentin um die Präsidentschaftskandidatur gegen Obama und dann als Außenministerin in der Obama Administration bekannt, Trump hatte noch keinen Staatsstreich angezettelt und war neun Jahre jünger – und fitter.
Die Stimmung ist schlecht nach dem TV-Duell
Hinter den Kulissen rumort es bei den Republikanern – es macht sich Unmut breit, dass Trump Harris während des TV-Duells immer wieder auf den Leim ging. „Alle sind ziemlich schlecht drauf“, sagte ein anonym bleibender Republikanischer Abgeordneter. Ein anderer klagte: Sie haben ihm eine Falle gestellt, und er ist hineingetappt. Ihm wurde nicht geholfen, aber es gab so viele einfache Dinge, die er hätte sagen können.
Man hätte über die Grenze, die brennende Welt, die Inflation sprechen können – das wäre alles gewesen, was er zu tun hatte. Stattdessen hat sie ihn so lange gepiekst, bis sie eine Reaktion von ihm bekam.” Ein anderer Abgeordneter sagte: „Das war einer der schlimmsten Aderlässe, die ich je gesehen habe. Aber „die Sache ist auch die Optik selbst – Trump steht neben Kamala Harris, er sieht alt aus. Gegen Biden hat er nicht alt ausgesehen … und das kann man nicht ändern.”
Nach der Debatte ist das Harris-Team beschwingt – und MAGA fast im Kernschmelze-Modus, aber nicht bereit, Trump fallen zu lassen – bisher. Und es sieht nicht danach aus, als würde sich Trump bald fangen.
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