Mehrere Studien belegen inzwischen: Twitter und TikTok haben beide ähnliche politische Schlagseite. Die Plattformen schlagen deutlich mehr Inhalte der rechtsextremen AfD vor als von anderen politischen Parteien. Das haben in der Vergangenheit bereits Analysen für die USA (Studie Tiktok, Analyse X) gezeigt, nun gibt es auch Ergebnisse für Deutschland. Diese Ergebnisse schauen wir uns genauer an.
Wenn du solche Studien gut findest und Tiktok nutzt, können wir dir empfehlen hier bei einer mitzumachen.
Deutschland: Twitter und TikTok empfehlen AfD
Die Organisation Global Witness hat für ihre Studie mehrere Accounts auf Instagram, Twitter und Tiktok erstellt, die dann einem Mix aus Accounts des politischen Spektrums folgten. Die danach im Feed dargestellten Inhalte entsprachen aber nicht dem Mix aus Accounts, sondern waren deutlich rechtslastig, hier an den lila Balken erkennbar:

Der Großteil dieses „Right Leaning“ Inhalts war Pro-AfD:

Eine ähnliche Preprint-Studie mit ähnlicher Methodik kommt zum selben Ergebnis für Twitter:
Die Studie ist etwas rigoroser, da sie nur die Accounts zählt, denen am Anfang auch gefolgt wurde. Der Twitter-Algorithmus empfiehlt allerdings auch Tweets von Accounts, denen man nicht folgt, die wurden in der ersten Studie ebenfalls berücksichtigt. BSW und Linke sind in der zweiten Studie ebenfalls überrepräsentiert, werden in der ersten allerdings nicht berücksichtigt.
Stanford stellt ein Kit bereit, mit dem Forschende solche Studien replizieren können.
Woher kommen die Interaktionen?
Die Preprint Studie erwägt, dass eventuell die höheren Interaktionen bei AfD-Inhalten den Algorithmus beeinflussen könnten. Ich halte das erstmal für nicht so relevant. Wenn man als User mehreren Accounts verschiedener Parteien folgt, dann erwartet man von einem neutralen Algorithmus doch, dass dieser meiner Präferenz folgt. Und alle Parteien gleichermaßen abbildet. Sonst wäre es ja ein Leichtes, den Algorithmus durch wenige hochaktive Accounts zu beeinflussen, wie das rechte Akteure und Kreml-Accounts sehr gerne versuchen. Die Preprint Studie berücksichtigt in einer Rechnung sogar die Interaktionen und kommt dennoch zum Schluss einer Bevorzugung von Inhalten.
Laut einer weiteren Studie von DigiHumanism kommt ein Großteil der Interaktionen für die AfD nämlich gar nicht aus Deutschland, sondern von Fans von Elon Musk.

Die Pro-AfD Accounts zeigen noch mehr untypisches Verhalten, sie liken viel häufiger, als sie twittern und manche davon haben gar keine eigenen Tweets, sondern retweeten nur.


Meiner Meinung nach gehen manche Schlussfolgerungen dieser dritten Analyse etwas zu weit. Sie zeigen aber dennoch, dass die höheren Interaktionen der AfD nicht einfach als „objektiv“ hingenommen werden sollten. Die Interaktionen kommen daher, dass ausländische Accounts mit atypischem Verhalten die AfD pushen.
Das zeigt auch eine vierte Analyse von Algorithm Watch. Die AfD wurde mehrheitlich (!) von Accounts gepusht, die englischsprachig waren – nachdem Musk die Partei empfohlen hatte.

Wenn man also davon ausgeht, dass der X Algorithmus sich lediglich an den höheren Interaktionen der AfD orientiert: Diese Interaktionen hat Musk ebenfalls zu verantworten.
Hier ist noch eine Studie von der letzten Wahl, die zeigte, dass Instagram Content der AfD etwas höher anzeigt, als bei anderen Parteien. Die AfD war dabei im Schnitt einen ganzen Post höher als die CDU zu sehen. Das bedeutet: Im Schnitt kam nach ~5 Posts der erste AfD-Post, aber erst nach ~6 Posts einer der Union. Das Projekt musste aber eingestellt werden, da Instagram mit Klagen gedroht hatte. Du kannst jetzt bei genau so einer Studie über TikTok als Datenspender teilnehmen.
Plattformen verhindern Datenzugang
Die Forschenden aus allen drei Studien mussten sich jeweils mit Tricks behelfen, um an Daten zu kommen. Twitter verlangt extreme Summen für Zugang zu Daten, die viele Forschende einfach nicht zahlen können. Obwohl ein Berliner Gericht Twitter zur Übergabe von Daten an Forschende von Democracy Reporting International verurteilt hat, weigert sich Twitter und will die Entscheidung anfechten.
Die EU will eigentlich gesetzlich festschreiben, dass Forschende und Zivilgesellschaft Zugang zu Social Media Daten bekommen, aber die entsprechende Regulierung dazu wird erst dieses Quartal herauskommen – zu spät für die Bundestagswahl.
Die Ergebnisse zeigen allerdings, wie unglaublich wichtig ein Datenzugriff ist, um tatsächlich informierte Entscheidungen gegenüber den Social Media Giganten treffen zu können. Die wichtigere Frage, die sich akut stellt: Wenn Twitter zu einer Plattform für Nazi-Propaganda geworden ist, warum legitimieren unsere Medien und Spitzenpolitiker dessen Relevanz noch, wenn sie noch dort sind?
Unseren Content bekommt ihr übrigens ohne Milliardärs-Algorithmus in unserer App oder auf Bluesky.
Zum Thema:
Artikelbild: Frederic Legrand – COMEO