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EU-US-Bündnis beerdigt: Böses Erwachen für die Trump-Verharmloser

von | Feb. 21, 2025 | Analyse

Während einige im Januar und Februar die Präsidentschaft von Trump noch als “Chance” für Europa bezeichneten, sah die Realität seit langem anders aus. Auf der CPAC Konferenz werden europäische Verbündete, die Trumps Politik nicht mittragen wollen, verhöhnt, die Ukraine wird Russland ausgeliefert. 

Die letzten Tage brachten ein böses Erwachen für politische Kommentator*innen, die Trumps Wiederwahl als eine “Chance” für die transatlantischen Beziehungen bezeichnet und der deutschen Öffentlichkeit versichert hatten, dass Trumps außenpolitischer Record positiv sei. Solche Stimmen prägten in weiten Teilen die mediale und öffentliche Diskussion über Trumps Außenpolitik, indem sie den 47. Präsidenten ´normalisierten´ und die Gefahr durch seine zweite Amtszeit für die internationale Weltordnung und für die Sicherheit Europas, allen voran der Ukraine, herunterspielten. Jetzt wurden diese Kommentatoren von einer Realität überrascht, die man bei einer Analyse der Fakten hätte absehen können. 

“Sane-Washing” der Gefahr für Europas Sicherheit durch Trump

Trump sei ein “Geschäftsmann”, so übernahmen viele Trumps Selbstdarstellung. Er sei ein gerissener “Dealmaker”, der nun mal hart verhandele, aber mit dem man sich schon einig werden könne: Reinhard Krumm, der Leiter des Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung in Washington, verstieg sich im Januar im IPG-Journal unter dem Titel “Trumps Außenpolitik – nicht nur Zerstörer” gar dazu, der Außenpolitik Trumps einen “unideologischen” und dadurch “pragmatischen  Ansatz” zu bescheinigen, der auch eine Chance für Europa sein könne. 

Es wäre das Eine, festzustellen, dass Donald Trump sich nur um sich selbst schert und neben einem faschistischen Instinkt nicht über ein in sich gefestigtes ideologisches Framework bezüglich seiner Außenpolitik verfügt wie beispielsweise die Idee des Isolationismus. Doch Trumps außenpolitische Vorstellungen, die seit Jahren mit den Diktatoren dieser Welt sympathisieren, weil er selbst gern ebenfalls einer wäre, als “unideologisch” und “pragmatisch” zu bezeichnen, entbehrt jeder ernsthaften Analyse.

NATO MItglieder angreifen lassen?!

Es ist ein bizarres Sane-Washing angesichts der Tatsache, dass Trump bereits im Wahlkampf den russischen Diktator Vladimir Putin dazu aufgefordert hatte, NATO-Mitgliedsstaaten, die nach Trumps Ansicht nicht genug für Verteidigung ausgeben, einfach anzugreifen – die USA würden nicht eingreifen, so Trumps Versprechen. Ganz wie Reagan, der ursprünglich nicht geplant habe, mit der Sowjetunion in einen Dialog zu treten, sei Trumps „geschäftsorientierter Politikstil” eine Chance, und zwar “entgegen aller Warnungen”, die Krumm in den Wind schlägt.

Ein Dialog mit Russland sei nicht negativ, lässt der Autor durchblicken, “ein solcher Prozess [könne sich] im Laufe der Amtszeit entwickeln, insbesondere angesichts der Gefahr einer unkontrollierbaren und finanziell nicht tragbaren militärischen Eskalation.” Es sind Euphemismen dafür, die Ukraine Russland zum Fraß vorzuwerfen. Krumms Ratschlag: “Solange es möglich ist, sollte die EU Trump daher als schwierigen, aber radikalen Reformer in unsicheren Zeiten betrachten – nicht als reinen Zerstörer” kann nur als Sane-Washing vom Allerfeinsten verstanden werden. 

Trump als “Chance” für Europa – Bizarre Normalisierung und Herunterspielen der Gefahr 

Alan Posener schrieb in der “Zeit” nach Trumps Wahl im November gar “Donald Trumps Politik kann gut für Europa sein. In seiner ersten Amtszeit hat der designierte US-Präsident außenpolitisch einiges richtig gemacht. Nun bietet er Europa die Chance zu lernen, sich selbst zu verteidigen.” Welch eine “Chance”, die Trump den Europäern gnädigerweise geschenkt hat – besonders den Ukrainern, über deren Schicksal er, Marco Rubio und Vladimir Putin verhandeln, ohne ihnen wenigstens einen Platz am Verhandlungstisch zu gewähren, als handele es sich bei der Ukraine nicht um einen souveränen Staat, gegen den Russland einen illegalen Angriffskrieg führt.

Auch Friedrich Merz hatte Donald Trumps Rückkehr ins Weiße Haus noch Mitte Januar als “Chance für Europa” bezeichnet, Alexander Dobrindt warb gar dafür, das Verbindende statt das “Trennende” mit Donald Trump zu suchen. 

Die Republikanerin Nadia Schadlow, 2018 kurzzeitig Deputy National Security Advisor for Strategy unter Trump, schrieb am 13. Februar in “Internationale Politik”, Trumps Wiederwahl sei “eine Chance für die Erneuerung der trans­atlantischen Beziehungen”, und sie versicherte, “Amerika zuerst” bedeute keineswegs “Europa allein”. Das kann man nicht mehr als grenzenlose Naivität beurteilen, sondern das muss man als offenes Gaslighting und Lüge benennen.

Auch Nele Fabian und Jules Maaten schrieben für die Friedrich-Naumann-Stiftung, dass Trumps Präsidentschaft eine “Chance für die EU” sei – seine neue Amtszeit könne “der EU helfen, sich zusammenzuraufen”. “Helfen” ist eine interessante Wortwahl. “Helfen” bedeutet in diesem Fall, offene Sympathien für echte Diktatoren auszudrücken, den ukrainischen Präsidenten Selenskyj in orwellianischem Doppelsprech als “Diktator” zu beleidigen, der nicht rechtmäßig gewählt worden sei (eine Lüge natürlich), und die Ukraine an Russland zu verraten, und mit ihr auch die gesamteuropäische Sicherheit gleich mitzuverkaufen. 

Vance und Trump zerschlagen das Bündnis mit Europa – keine Überraschung

Nichts davon ist eine Überraschung. Die Rede von Vizepräsident Vance bei der Münchner Sicherheitskonferenz, in der er mit faschistischer Rhetorik behauptete, die Demokratie in Europa sei nicht etwa durch äußere Feinde wie Russland, sondern durch “Feinde im Inneren” gefährdet, dürfte niemanden überrascht haben, der sich näher mit der modernen amerikanischen Rechten beschäftigt hat. Es ist die gleiche Rhetorik, die Vance und sein Präsident in den USA zu ihrem politischen Programm gemacht haben.

CPAC, wenn Europa erwähnt wird: “buht, wann immer ihr wollt!”

Als Vance am ersten Tag der CPAC-Konferenz (Conservative Political Action Conference), lange eine der wichtigsten konservativen Konferenzen des Landes, in Washington, D.C., am Donnerstag erwähnte, dass seine Rede bei führenden europäischen Politiker*innen nicht gut angekommen sei, gab es im Publikum Johlen und Gelächter – samt dem bis dahin am längsten anhaltenden Applaus. Zuvor hatte CPAC-Veranstalter Matt Schlapp schon verkündet, er habe “eine Botschaft an die Globalisten im World Economic Forum und der Europäischen Union”, und fügte ans Publikum gewandt hinzu: “Buht, wann immer ihr wollt!” Auch hier: Gejohle, Applaus. Die Botschaft an Europäer*innen, die nicht bereit sind, den Trump-Kurs nachzuahmen: Für euch haben wir nur Verachtung übrig. 

Verhöhnung Europas – großer Applaus

Wenig kommt bisher so gut auf dieser Konferenz an wie die Erniedrigung und Verhöhnung europäischer Verbündeter. Vance verkündete bei CPAC erneut, dass Trump ein „Geschäftsmann“ sei, ein “Dealmaker” – dasselbe Framing, das so viele deutschsprachige politische Kommentator*innen in der Vergangenheit unkritisch übernommen haben – und dazu würde eben gehören, dass bei Verhandlungen “alles auf den Tisch kommt”. Alles? Gebietsabtretungen an Russland, eine von Russland installierte Marionettenregierung – all das dürfte unter “alles” fallen. Der Verrat an der Ukraine, der Kniefall vor dem Diktator Putin wird hier verkauft als cleveres Verhandeln – über das Schicksal eines souveränen Staates, der nicht einmal einen Platz am Verhandlungstisch erhält.

Keine Militärhilfen für die Ukraine, Hohn und Spott für Selenskyj

House Speaker Mike Johnson behauptete bei CPAC am Donnerstag, es sei vollkommen unangebracht gewesen, dass Präsident Selenskyj sich darüber “beschwert” habe, nicht an den Verhandlungen beteiligt gewesen zu sein. Donald Trump sei die “brutale Kraft”, die es benötige “um diesen Konflikt” – keine Erwähnung vom russischen Angriffskrieg, während der ganzen Konferenz – zu beenden, behauptete Johnson. Auf die Nachfrage des Newsmax Moderators, ob Johnson davon ausgehe, dass der Kongress in Zukunft weitere Militärhilfen für die Ukraine beschließen würde, reagierte das Publikum mit Buhrufen – Johnson lächelte milde und antwortete: “Ich denke nicht, dass es einen Appetit darauf gibt.” Die Botschaft ist eindeutig: Die Ukraine und Europa sollten einen Teufel tun, sich unter dieser Regierung auf die USA zu verlassen. 

Elon Musk, der als eine Art nicht-gewählter Co-Präsident agiert, dem Argentiniens Präsident Javier Milei Minuten vorher eine Kettensäge überreicht hatte, die Musk begeistert schwenkte, behauptete unterdessen, dass die Militärhilfen für die Ukraine “Bestechung” gewesen seien. Und Steve Bannon, einer der vielleicht begabtesten faschistischen Einpeitscher, der auf der Konferenz zum Jubel der Menge den Hitlergruß zeigte, griff Musks ungeheure Behauptung auf und rief: “Die jungen Männer der Ukraine wollen nicht sterben!” Kein Wort, dass die Ukraine kämpft, weil sie sich gegen einen russischen Angriffskrieg verteidigen muss. Bannon nutzte die Gelegenheit und verhöhnte den ukrainischen Präsidenten, den Trump als Diktator beschimpft hatte: “Selenskyj wurde auf seinen Platz verwiesen!”

Bannon: “Von Bejing über Riad bis Berlin und London hat man Angst vor euch!” – “wetzt die Bajonette!” 

“Von Bejing über Riad bis Berlin und London hat man Angst vor euch!”, dröhnte Bannon – und nannte die angeblichen europäischen Verbündeten in einem Atemzug mit traditionellerweise den USA feindlich gesonnenen Mächten – auch die USA ausgerechnet in Saudi-Arabien mit Russland über das Schicksal der Ukraine verhandeln. Bannons Aufzählung war eindeutiges Signal darüber, wie MAGA Europa sieht. Unter großem Jubel versprach Bannon den Anwesenden “Tage des Donners und Jahre des Blitzes”, und schärfte ihnen ein, ihre “Bajonette zu wetzen” und die “Musketen” zu laden. 

Drohung: “Make Europe Great Again!”

Vizepräsident Vance berichtete, dass zahlreiche europäische Konservative seine Botschaft in München positiv aufgenommen hätten – und Mercedes Schlapp, die Ehefrau von Matt Schlapp, die ihn “interviewte” (wenn man das über ein Format sagen kann, in dem die “Interviewerin” dem Vizepräsidenten atemlos entgegen schwärmte “Darf ich Ihre beste Freundin sein? Ich will Ihre beste Freundin sein!”) verkündete strahlend, dass europäische Politiker*innen jetzt auch die Chance hätten, “to make Europe great again!” Nachdem Vance die Lügen, in Europa herrsche eine Meinungsdiktatur, es gebe keine Redefreiheit und man könne in Deutschland wegen eines “gemeinen Tweets” ins Gefängnis geschickt werden, wiederholt hatte, rief er die Europäer dazu auf, “die Demokratie zu verteidigen”. Es war ein wahrhaft dystopischer Moment. 

Das Schlimme ist: Es wird in Europa Stimmen geben, die sich Vances Auftritt anschauen und sich inspiriert fühlen dürften. Springer-Chef Döpfner gehört dazu: Er lobte Vances Rede in München, bei der er die deutschen demokratischen Parteien zu einer Zusammenarbeit mit der AfD aufforderte. Döpfner behauptete, Europäer seien “weinerlich” und würden Vances Rede “absichtlich missverstehen” – auch hier Gaslighting vom Feinsten.

Bei CPAC zählte die frühere britische Premierministerin Liz Truss zu den rechtsaußen-Europäer*innen, die auf der Konferenz den metaphorischen Kniefall vor Trump & Co machten: “Wir wollen eine Trump-Revolution in Großbritannien! Wir wollen ‘to flood the zone’! Wir wollen, dass Elon sich mit seiner Armee von Musk Rats den britischen Deep State vornimmt!”, jubelte sie, und auch der rechtsnationale ehemalige polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki von der PiS, der beklagte, dass sein Nachfolger zu “pro-deutsch” sei, rief: “Let’s Make Europe Great Again!” Ihr Traum: Dass dasselbe politische Projekt, das unter Trump erneut ins Weiße Haus eingezogen ist, auch in Europa seinen Siegeszug antritt. Mit dabei ebenfalls: Hans Georg Massen, 

Das Bündnis zwischen Europa und den USA ist zerschlagen – Europa muss aufhören, zu schlafwandeln

Eines sollte mittlerweile allen klar sein: Wer in Europa der Demokratie verpflichtet ist, und noch immer auf diese Trump-Regierung als Verbündete zählt, hat den Schuss – oder eher, die Schüsse – nicht gehört. Was Vance in München und in Washington geliefert hat, war die Beerdigung des transatlantischen Bündnisses – gekleidet in Doppelsprech, Gaslighting, und mehr oder weniger offene Drohungen. Auf CPAC spuckten die Wortführer der MAGA-Bewegung auf das Grab der transatlantischen Beziehungen, um ganz sicherzugehen, dass die Botschaft angekommen ist.

Es ist allerhöchste Zeit, dass Europa aufhört schlafzuwandeln. Die sicherheitspolitische Lage ist für Europa und Deutschland so brenzlig und gefährlich wie noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg. Es ist längst an der Zeit, das zu benennen – anstatt sich in Wunschdenken zu üben und die Augen vor der Realität zu verschließen. 

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Artikelbild: Manuel Balce Ceneta/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++