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Laschet ließ Hambacher Forst rechtswidrig räumen: „Ja, ich brauchte einen Vorwand“

von | Sep 13, 2021 | Analyse

Neues Urteil: Laschet-Regierung ließ Hambacher Forst/„Hambi“ rechtswidrig räumen

Der Hambacher Forst liegt zwischen Aachen und Köln, zwischen Besetzung und Räumung. Und der Frage nach Recht und Unrecht. In eben diese Frage bringt ein neues Gerichtsurteil nun Klarheit: Die Räumungen von Baumhäusern im Hambacher Forst waren rechtswidrig, wie das Kölner Verwaltungsgericht nach der Klage eines ehemaligen Baumhaus-Bewohners am Mittwoch entschied. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig (Quelle). Doch wie ist es überhaupt so weit gekommen?

Seit mehreren Jahren rückt die Debatte rund um den Hambacher Forst regelmäßig in den öffentlichen Diskurs. Bilder von besetzten Baumhäusern, Polizeieinsätzen und teils gewaltvollen Polizeiräumungen kursieren im Netz und huschen über heimische Fernsehbildschirme.

Doch der Kampf um den Hambacher Forst und die damit verbundenen Besetzungen beginnen bereits 1977 (Quelle). Der heutige RWE-Konzern – damals Rheinbraun AG, erwirtschaftet die damals rund 5.500 Hektar Wald. Der Grund: Braunkohleabbau. Dieser ließ die Fläche des Waldes auf rund 200 Hektar schrumpfen, wie RWE Konzernchef Schmitz schätzt (Quelle).

Ein langjähriger Konflikt

Der bereits seit Jahren andauernde Konflikt zwischen dem RWE-Konzern und Braunkohlegegner:innen spitzte sich 2012 zu. Erste Aktivist:innen begannen, den Hambacher Forst zu besetzen – um ihn zu schützen und weitere Rodungen zu verhindern (Quelle). 

Die Räumung Ende des Jahres durch die Polizei hinderte Aktivist:innen nicht daran, bereits im März 2013 erneut mit der Besetzung zu beginnen – die bereits drei Tage später von der Polizei durch eine erneute Räumung beendet wird (Quelle). Doch der Wille, sich für den Erhalt und gegen die Rodungen einzusetzen, scheint unermüdlich. Erneut werden Baumhäuser hochgezogen. Erneut beginnen Aktivist:innen den Hambacher Forst im September Tag für Tag zu besetzen. Für viele Aktivist:innen wird der Wald zur neuen Heimat: für das Klima und gegen den Abbau von Kohle.

Für die Stadt Kerpen stellen diese Besetzungen eine Gefahr für die Besetzenden und Spaziergänger:innen dar. Die Folge? Im März 2014 lassen mehrere Hundertschaften der Polizei die Baumhäuser räumen. Doch die Besetzungen halten weiter an (Quelle).

Großaufgebot im Hambacher Forst

Am 13. September 2018 beginnt einer der größten Polizeieinsätze in Nordrhein-Westfalen. Nur ein Tag zuvor hatte das Bauministerium NRW die Stadt Kerpen aufgefordert, die Baumhäuser zu räumen. Dem voran gingen mehrere Besprechungen zwischen Innenministerium und Vertreter:innen von RWE sowie zwei Rechtsgutachten.

Die Bilder vom Tag der Räumung erschüttern viele. Die Polizei rückt mit einem Großaufgebot in den Hambacher Forst ein (Quelle). Ausgerüstet mit Wasserwerfern, Räumungsfahrzeugen und Rettungswagen. Gegen dieses Aufgebot an Polizei hatten sich die Aktivist:innen vorbereitet – unter anderem mit Schutzblockaden.

Über die Frage, wie die Räumungen vor Ort stattgefunden haben, gibt es vonseiten der Aktivist:innen und der Polizei unterschiedliche Berichte. So spricht die Polizei von Gewalt und dem Aufstellen von lebensbedrohlichen Fallen. Unter anderem sollen Molotowcocktails auf Polizist:innen geworfen worden sein (Quelle).

Gewaltvolle Räumung

Die taz und der Spiegel berichtet auch von gewaltvollen Aktionen, die vonseiten der Polizei gegen die Besetzer:innen ausgingen. Unter anderem wurden Personen auf gewaltsame Weise festgenommen oder fixiert (Quelle). Die Journalistin Anett Selle hält einen dieser gewaltvollen Polizeieinsätze auf Twitter fest.

Zudem kam es zu einem tödlichen Sturz: Am 19. September stürzt der Blogger und Journalist Steffen Meyn ab und verstirbt an den Folgen seiner schweren Verletzungen. Laut der Staatsanwaltschaft Aachen gibt es keinen Verdacht auf eine Straftat – es wird von einem Unglücksfall ausgegangen (Quelle). Am 24. September lässt Innenminister Reul  (CDU) die Räumung fortsetzen (Quelle).

Brandschutz als Vorwand

Brandschutz war nur ein vorgeschobener Grund für die Räumung: Dieses Urteil fällt das Gericht über die Räumung des Düsseldorfer Bauministeriums. Besonders brisant ist hierbei aber die Rolle des Kanzler:innenkandidaten Armin Laschet. Die Landesregierung hat unter Laschets Führung die Stadt Kerpen aufgrund von nicht geltend gemachten Brandschutzmängeln zu einer Räumung gedrängt – zu Unrecht, wie nun entschieden wurde (Quelle). 

Dies geschah zudem gegen den Willen der Stadt. Denn: Die Maßnahme sollte ausdrücklich auf baurechtliche Vorschriften gestützt werden – nicht auf Ordnung- oder Forstrecht. Als Begründung nannte Laschets Regierung, dass die Baumhäuser baurechtlich unzulässig seien – eben aufgrund des Brandschutzes (Quelle).

Rücktrittsforderungen gegen Laschet

Wie das Gericht nun feststellte, gab es hierbei mehrere rechtliche Defizite. So sei der Weisung zu entnehmen gewesen, dass es nicht um die Sicherheit der Aktivist:innen ging, sondern um deren Entfernung. Gerade das ist aber nicht Sinn und Zweck des Baurechts oder Brandschutzes (Quelle). Demnach sei diese Begründung aber lediglich vorgeschoben gewesen. Hierzu kursiert auch ein Video im Netz, in welchem NRW-Ministerpräsident Laschet mit den folgenden Worten aus dem Jahr 2019 zu hören ist:

„Ja, ich brauchte einen Vorwand. Sonst kann man ja nicht tätig werden. Ich wollte den Wald räumen. Die Leute sind da illegal.“

Unmittelbare Folgen soll das – noch nicht rechtskräftige – Urteil keine haben. Doch fraglich ist, wie hoch der politische Preis sein wird, den Armin Laschet dafür zahlen wird. Im Netz kursierte der #LaschetRuecktritt.

Wichtig ist jedoch auch, dass die Rechtswidrigkeit der Räumung nicht einhergeht mit einer rechtskonformen Besetzung des Hambacher Forstes. Dennoch können die Aktivist:innen und Kohlegegner:innen aufatmen, denn: „Hambi bleibt“.

Zum Thema:

Fake: Grüne haben die Rodung des Hambacher Forsts NICHT genehmigt

Artikelbild: Christopher Ludwig

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