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„Kindheit gestohlen“: Diesen Anti-Greta-Post kann man mit einem Satz zerlegen

von | Okt 2, 2019 | Aktuelles, Analyse, Kommentar, Social Media, Umwelt/Klima

Whataboutismus „Kindheit gestohlen“:

Nach Greta Thunbergs „How Dare You“-Rede vor der UN werden verschiedene Anti-Greta-Posts verbreitet, die ihre Aussagen aus dem Kontext reißen. Ziel davon ist natürlich, von ihrer Botschaft abzulenken mit vermeintlich kluger Kritik. Besonders Gretas Satz “You have stolen my childhood” – „Ihr habt meine Kindheit gestohlen“ wird hierfür hergenommen. Ein oft geteilter Post macht sich darüber lustig, dass Greta Thunberg angeblich eine verlorene Kindheit habe, wo es doch vielen anderen Kindern weltweit viel schlechter gehe.

 

Screenshot facebook.com

„Eins dieser Kinder hatte sich gerade vor die Kameras der Welt gestellt und gesagt: „Wie könnt ihr es wagen, ihr habt meine Träume und meine Kindheit gestohlen“ Ich verrate aber nicht, welches.“

Es gibt diesen Whataboutismus (Was ist ein Whataboutismus?) auch auf englisch.

Screenshot twitter.com



Was wird ihr vorgeworfen?

Man wirft Greta Thunberg hier implizit Arroganz vor, als wohlhabend in Schweden aufgewachsen so vermessen zu sein, sich vermeintlich als Opfer aufzuspielen, wozu sie kein Recht hätte. Während sie vermeintlich nichts für eben jene anderen Kinder tue, die wirkliches Leid erfahren. Doch abgesehen davon, dass es ein Whataboutismus ist, ist der Vorwurf besonders böswillig, da er absichtlich ihr Zitat verkürzt, um erst diesen Vorwurf zu machen. Schauen wir uns einmal die Rede an:

Hier ein Ausschnitt mit deutschen Untertiteln:

“You have stolen my dreams and my childhood with your empty words. And yet I’m one of the lucky ones. People are suffering. People are dying. Entire ecosystems are collapsing. We are in the beginning of a mass extinction, and all you can talk about is money and fairy tales of eternal economic growth. How dare you!“

Deutsch:

„Ihr habt meine Träume und meine Kindheit mit euren leeren Worten gestohlen. Dabei bin ich eine der Glücklichen. Menschen leiden. Menschen sterben. Ganze Ökosysteme brechen zusammen. Wir stehen am Anfang eines Massenaussterbens und alles, worüber ihr sprechen könnt, ist Geld und dem Märchen von ewigem wirtschaftlichen Wachstum. Wie könnt ihr es wagen!“

„Dabei bin ich eine der Glücklichen“

Man kann einfach sagen, dass buchstäblich der nächste Satz ihrer Rede absichtlich weggelassen wurde, um diese vermeintliche Kritik zu üben und man kann man diesen gehässigen Anti-Greta Post zerlegen. Und selbst wenn sie nicht selbst darauf hingewiesen hätte: Greta Thunberg will nicht „angebetet“ werden, sie hätte gerne eine normale Kindheit gehabt, doch die Untätigkeit der Regierungen der Welt zwingen sie, sich weiter einzusetzen. Sie haben ihre „Kindheit gestohlen“.

Ohnehin ist es etwas geheuchelt, unehrlich Greta mit dem Hinweis auf viel ärmere Kinder zu kritisieren, wenn vermutlich kaum jemand, der diesen Vorwurf bringt, sich sonst in irgendeiner Weise dafür einsetzt, dass es diesen Kindern besser geht. Die Klimakrise wird ärmere Länder – und ärmere Kinder – viel härter treffen. Greta Thunbergs Aktivismus denkt buchstäblich an alle, denen es schlechter geht. An alle Kinder, deren Kindheit gestohlen wird.

Wer derartige Posts teilt, übt keine zielführende Kritik. Er missbraucht arme Kinder, um Greta Thunberg und ihre Klimabewegung zu diskreditieren und lässt damit absichtlich den buchstäblich nächsten Satz in ihrer Rede weg, der den ganzen Vorwurf sinnlos werden lässt. Es ist unehrliche Manipulation und hilft niemandem, außer denjenigen, den Greta vorwirft, ihre Kindheit gestohlen zu haben.

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