Fakten gegen Klimaskeptiker
Erst am 27.5. leugnete der AfD-Spitzenkandidat für die Europawahl, Jörg Meuten, erneut öffentlich auf einer Pressekonferenz den menschengemachten Klimawandel
AfD-Parteichef Jörg Meuthen hat mir gestern seine "Zweifel" am menschengemachten Klimawandel erklärt. Der Bremer AfD-Chef Wagnitz spricht von "falscher Diagnose". Meuthen ist zudem stolz auf seine Tochter: Sie macht nicht bei #FridaysForFuture mit pic.twitter.com/HmERaomqLI
— Tilo Jung (@TiloJung) May 28, 2019
„Die Wissenschaftler sind sich gar nicht so einig, dass der Mensch einen signifikanten Einfluss auf den Klimawandel hat, wie getan wird“ – diesen oder ähnliche Sätze hört man nicht nur von ihm immer wieder, sondern auch anderen “Klimaskeptikern in Talkshows oder bei Stammtischdiskussionen quer durch Deutschland. Der Urheber ist in den meisten Fällen ein AfD-Politiker oder –Sympathisant. Und leider fehlt sowohl den entsprechenden Moderatoren, als auch vielen anderen Menschen im privaten Raum in so einer Situation der spontane Konter. Dabei ist das gar nicht so komplex, wie viele denken. Darum hier eine kleine Strategie zum Umgang mit “Klimaskeptikern” – Skeptikern des anthropogenen Klimawandels:
1. Schwammigkeiten beseitigen
Was die Formulierungen eint, ist die Aussage, „Wissenschaftler seien sich uneinig“. Tatsache ist: Diese Aussage ist nicht nur falsch (wie wir später feststellen werden), sondern impliziert auch etwas völlig Irrelevantes oder genauer einen Fehler in der Denkweise:
Es geht bei naturwissenschaftlichen Themen wie dem Klimawandel nicht um Einigkeit. Es geht hier nicht darum, im Wettstreit der Wissenschaftler eine Verhandlung zu führen oder einen Kompromiss zu finden. Das ist das, was Politik in der Demokratie macht (und auch machen soll!). Doch die Naturwissenschaft arbeitet anders. In der Wissenschaft gibt es oftmals keine Interpretationsspielräume. Man kann sich nicht auf einen „Kompromiss“ einigen. Deswegen werden Naturwissenschaftler auch niemals in einer Parlamentsrunde sitzen und über Themen debattieren. Naturwissenschaftler können höchstens gegenseitig Untersuchungen auf Fehler und Fehlschlüsse überprüfen und dann feststellen, dass der eine oder andere Recht hat. Oder keiner.
Zur Verdeutlichung ein Beispiel
Mehrere Naturwissenschaftler finden heraus, dass das neue (hier natürlich fiktive) Medikament „Superhealth“, welches ein Heilmittel gegen die meisten Viren ist, ab einer gewissen Menge für den Menschen tödlich ist. Allerdings sind sie sich nicht einig, ab welcher Menge Wirkstoff pro Tablette „Superhealth“ für den Menschen lebensgefährlich ist. Wissenschaftler 1 hat herausgefunden, dass Menge 250 mg pro Tablette definitiv tödlich sind. Kollege Wissenschaftler 2 hat aber bemerkt, dass schon Werte ab 150 mg tödlich sein können. Was machen die beiden also?
Wenn wir politisch rangehen würden, dann würden die beiden so lange diskutiere, bis sie sich einig sind (wir erinnern uns… „Wissenschaftler sind sich einig“) und den Grenzwert bei 200 mg festlegen (das liegt ja nunmal in der Mitte – klingt nach einem guten Kompromiss).
Doch jeder weiß, dass man so nicht vorgehen kann. Die Wissenschaftler müssen sich nicht etwa „einigen“, sondern absolut sicher nachweisen, welche Menge pro Tablette unbedenklich ist. Dazu sind Versuchsreihen und Forschungen nötig. Und schließlich entsteht keine „Einigkeit“, sondern ein Konsens. Im Beispiel soll der Konsens sein, dass nur bei 100 mg wirklich absolut sicher ist, dass der Patient keine Folgen erleidet. Dann kann zwar Wissenschaftler 3 behaupten, dass die beiden lügen und von irgendwem gekauft seien, doch solange er den Konsens nicht wissenschaftlich belegen kann, ist seine Meinung irrelevant (genauso übrigens, wenn 100 weitere Wissenschaftler dies behaupten würden, ohne Forschungsergebnisse vorlegen zu können, die ihre Meinung stützen).
Fazit Teil 1: Naturwissenschaftler müssen sich beim Thema Klimawandel nicht „einig“ sein. Sie erschaffen in Forschungen und Untersuchungsreihen einen Konsens und um den geht es. Hier zählen nicht die Stimmen der Forscher, sondern die Sauberkeit der Untersuchungen und die Korrektheit von Messwerten, Berechnungen etc.
2. Mit Zahlen und Fakten jonglieren können!
Klimaskeptiker haben scheinbar so manche „Fakten“ auf ihrer Seite. Doch bei genauer Betrachtung stellt sich heraus: Diese Leute haben im Normalfall nur ein paar Aussagen ihrer AfD-Vordenker auswendig gelernt und wiederholen diese von einer scheinbar überlegenen Position aus immer wieder. Hier ein paar häufige „Fakten“ und wie man sie widerlegen kann (Antworten natürlich der Situation entsprechend):
Falschaussage:
„2/3 der Wissenschaftler sagen NICHT, dass der Mensch Schuld ist“
Hintergrundinformation: Diese Aussage basiert auf einer falschen Interpretation dieser Studie (Quelle, ich empfehle, nur das „Abstract“, also die grobe Zusammenfassung, zu lesen). Sie besagt, dass von 11.944 untersuchten Studien mehr als 66% keine Position zum Klimawandel veröffentlicht haben – nicht, weil sie sich nicht sicher waren, was die Ursache war. Sondern weil sie gar nicht danach geforscht haben. Weil sie nämlich dem wissenschaftlichen Konsens vom menschengemachten Klimawandel kommentarlos zustimmen (siehe 1.) Das restliche Drittel, das wirklich die Ursachen untersuchte, stimmte dem anthropogenen (= menschengemachten) Klimawandel zu 97,2% zu. Man kann also hier von einem wissenschaftlichen Konsens sprechen.
Antwort: „Diese Aussage beruht auf einer Fehlinterpretation einer „Studie über Studien zum Klimawandel“. Darin wurde nur danach gesucht, ob der Grund für den Klimawandel in der entsprechenden Studie genannt wurde. In 2/3 der Studien wurde der Grund nicht genannt, weil diese Studien zwar mit dem Klimawandel zusammenhingen, aber den Menschen als Ursache voraussetzten. Von dem einen Drittel, das den Grund genannt hat, haben 97,2% der Studien den Menschen als Ursache enttarnt.“
Falschaussage:
„Mehr CO2 in der Atmosphäre? Ist doch gut. Haben wir doch schon in der Grundschule gelernt, CO2 ist gut für die Pflanzen und je mehr Pflanzen desto besser! Es gibt sogar Wissenschaftler die das überprüft haben!“
Hintergrundinformation: Prinzipiell stimmt es, Pflanzen benötigen CO2 für die Photosynthese. ABER: Die Aussage „mehr CO2 = besseres Pflanzenwachstum“ ist eine Milchmädchenrechnung, die auf lange Sicht nicht aufgehen kann. Denn die Pflanze bleibt nicht allein durch CO2 am Leben. Die Pflanze braucht auch gewisse Nährstoffe zum Wachsen und nur wenn diese im gleichen Maße zunehmen würden wie der CO2-Gehalt, würden Pflanzen auch wirklich spürbar schneller oder größer wachsen. Der Effekt ist im Gegenteil sogar umgekehrt. Durch das Wirken von CO2 in der Atmosphäre werden mittel- bis langfristig größere Wetterextreme entstehen, also lange Dürren und heftige Unwetter mit Regengüssen. Die Pflanzen brauchen aber regelmäßig ausgewogene Regenfälle und abwechselnd dazu die Lichtenergie der Sonne. Wochenlange Dürre mit plötzlichem, wenige Stunden andauernden Sturzregen hilft keiner Pflanze.
Und zu den „Wissenschaftlern“: Diese Studie fand tatsächlich statt – allerdings haben die Wissenschaftler auch darauf hingewiesen, dass die „Grünung“ der Erde kein ernsthaftes Gegenargument ist, da sie deutlich weniger schwer wiegt, als die Zerstörung des Weltklimas. Außerdem geben auch sie zu, dass nicht abzusehen ist, wie lange dieser Effekt tatsächlich anhalten wird. (Weitere Infos: Quelle und Quelle)
Antwort: „Das stimmt zwar auf den ersten Blick, doch wir haben ja genauso gelernt, dass Pflanzen auch Wasser und Mineralstoffe brauchen. Und wenn es immer weniger regnet, kann die Pflanze beides immer schwerer aufnehmen und verdorrt. Dann hilft auch viel CO2 nichts mehr, denn die Pflanze braucht, wie jedes Lebewesen, eine halbwegs ausgeglichene Zufuhr mehrerer Stoffe. [Falls das Gegenüber die Wissenschaftler ins Spiel bringt:] Und die Wissenschaftler, von denen du sprichst, haben diesen Effekt zwar bestätigt, aber selbst zugegeben, dass er wohl nicht lang anhalten wird und außerdem die negativen Effekte nicht ausgleicht.“
Falschaussage:
„Seit 1998 gibt es gar keine Erwärmung mehr. Der Klimawandel war ein temporäres Ereignis“
Hintergrundinformation: Tatsächlich ist für den Zeitraum zwischen 1998 und ca. 2013 eine scheinbare Stagnation der globalen Oberflächentemperaturen zu erkennen. Die Ursache dafür ist, dass 1998 das Phänomen „El Niño“ besonders stark auftrat. „El Niño“ ist grob gesagt eine ungewöhnliche Erwärmung im Ostpazifik, während sich der Westpazifik abkühlt, was zu einem stärkeren Anstieg der Oberflächentemperaturen führt (mehr Infos hier Quelle ).
Dadurch fiel der Anstieg der Temperatur 1998 global sehr stark aus, die Oberflächentemperaturen blieben aber danach bis 2013 im Schnitt konstant. Tatsächlich trifft dies aber nur für den Zeitraum 1998-2013 zu und auch nur dann, wenn man die außergewöhnlich hohen Temperaturen 1998 als Bezugspunkt nimmt. Ist ja logisch, dass die Erwärmung „geringer“ erscheint, wenn sie einem Jahr besonders hoch war. Hier gibt es eine schöne Statistik, in der man erkennt, dass der Trend an sich weiter steigend war und ist.
Eine weitere Grafik zeigt, dass es in diesem Zeitraum mit der Erwärmung ganz normal weiter ging und zwar in den Ozeanen.
Die haben, vereinfacht gesagt, die „„El Niño“-Erwärmung nicht ganz so stark abgekriegt wie das Land. Der physikalische Hintergrund ist, dass Wasser eine höhere spezifische Wärmekapazität hat und sich deswegen nicht so schnell erwärmt – das weiß jeder, der schon mal Anfang Juni bei 25°C in die 13°C kalte Ostsee gesprungen ist. Doch wie in der Grafik zu sehen erwärmt es sich dafür konstant weiter – und hat auch in der sogenannten „Pause der globalen Erwärmung“ (die nicht die einzige ihrer Art war) nicht damit aufgehört. Seit 2014 steigt auch die Oberflächentemperatur wieder messbar. Mehr Infos hier (Quelle).
Antwort:
„Dass die Erwärmung ab 1998 scheinbar stagnierte, stimmt zwar, ist aber nur ein vorübergehender Effekt bis 2013. Der Grund dafür ist, dass aufgrund des „El Niño“ 1998 ein außergewöhnlich heißes Jahr war und die Erwärmung der Oberflächentemperatur von da an bis 2013 im Verhältnis nicht stieg. Die Ozeane hingegen, die von solchen einmaligen Ereignissen weniger berührt werden, wurden durchgängig wärmer.“
Hoffentlich gelingt es dem Leser, mit dieser Vorlage die eine oder andere nervige Grundsatzdiskussion über den Klimawandel souverän zu beenden. Natürlich wird es auch Klimaskeptiker geben, die einfach alle Statistiken, Zahlen und Fakten leugnen. Diese Leute kann man nicht in einer Diskussion oder an einem Tag von der nüchternen Logik der Naturwissenschaft überzeugen (auch wenn die Chancen mit entsprechend Statistiken und Studien natürlich steigen). Dennoch kann man vielleicht, wenn man immer wieder Fakten aufzeigt, ein Umdenken bewirken. Mehr dazu in Teil 2.
Artikelbild: pixabay.com, CC0