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Krefeld: Abrechnung mit diesem Unsinns-Post über den Affenhausbrand

von | Jan 5, 2020 | Aktuelles, Analyse, Kommentar

Faktencheck „Die große Zoo-Verschwörung 2020“

2020 hatte gerade erst angefangen, schon war es ein Jahr des ganz besonders unermesslichen Tierleids.

Aktuelle (Massen-)Tierhaltung, Buschbrände in Australien, Stallbrände, aber auch ein Brand in einer Remscheider Zoohandlung und speziell auch die Brandkatastrophe der Silvesternacht im Zoo Krefeld.



Eigene Agenda

Viele beschäftigen sich jetzt mit der Schuld und Unschuld der Opfer und „TäterInnen“, mit dem Brand, Ursachen und Folgen. Leider beschäftige solche Katastrophen wie im Zoo Krefeld auch die Menschen, die das unermessliche Leid anderer für ihre eigenen Zwecke ausnutzen und nicht immer Gutes dabei im Schilde führen. Noch während andere trauern oder Geschehenes versuchen zu verarbeiten, haben sie schon einen Plan der Instrumentalisierung in der Schublade und auf dem Tablett parat.

Aktuell macht hierzu ein Facebook-Beitrag die Runde, der besorgniserregend oft in den sozialen Medien geteilt wird. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Artikels bereits über fünftausend Mal.

Aber schauen wir doch einmal näher, worum es in dem Post geht, auf Behauptungen, Thesen und Fakten zum Fall Krefeld und gehen einmal auf die Dinge ein, für die man keinen Aluhut benötigt, um sie zu verstehen.

Brandschutzmaßnahmen/Material

Warum gab es in Krefeld keine Sprinkleranlage? Gibt es keine Brandschutzvorschriften im Zoo? Das Affenhaus in Krefeld stammt aus dem Jahr 1975. Nach damaligen Bauvorschriften war eine Sprinkleranlage wie auch eine Brandmeldeanlage nicht zwingend vorgeschrieben. Bei Neubauten ist dies anders, hier werden heutzutage maßgeschneiderte Brandschutzkonzepte erstellt, auch für Zoos (Quelle).

Gab es keine Brandmelder?

Brandmelder reagieren lt. Expertenaussagen nicht nur auf Rauch, sondern auch sehr stark auf Staub und die hohe Luftfeuchtigkeit (bis zu 70%) in Tiergehegen wie dem Affen-Tropenhaus in Krefeld. Dadurch ist die Gefahr von Fehlalarmen sehr groß. Laut der Krefelder Feuerwehr sei eine Installation von Brandmeldern mit funktionsfähiger Technik daher in Zoos sehr schwierig bis unmöglich.

Einige Zoos meldeten sich jetzt nach dem Unglück zu Wort und werden ihre Konzepte ebenfalls überdenken (Quelle). Hoffen wir, dass hier in Zukunft Opfer vermieden werden können und wenigstens ein schneller Lerneffekt eintritt.

Warum waren die Tierpfleger/das Sicherheitspersonal nicht da?

In der Nacht gibt es einen Wachdienst im Zoo. Dieser ist aber mobil unterwegs im 14 Hektar großen Zoo. Die Pressesprecherin des Zoos in Krefeld, Petra Schwinn, sagte bei der Pressekonferenz am Donnerstag (02.01.2020), dass der Wachdienst aufgrund der Größe des Zoos nicht überall präsent sein könne, was wir ja durchaus alle nachvollziehen können (Quelle).

Es bleiben aber viele Fragen. Einen besonderen Schutz für Silvester und die Gefahren, die auch durch Feuerwerk entstehen können, gab es nicht. Es gab eine Kameraüberwachung, deren Server allerdings nicht außerhalb des Gebäudes gesichert wurden und die wohl auch lt. dem Krefelder Polizeipräsidenten mit allem Equipment komplett vernichtet wurde. Wir hatten kurz vor Silvester noch über Pro und Contra beim (privaten) Feuerwerk geschrieben:

Warum das Böllerverbot die logische Entscheidung ist

FAKT 1:

Die Maßnahmen sind absolut nicht zeitgemäß und ungeeignet Leben, materielle oder immaterielle Werte zu schützen, aber sie waren rechtlich im zulässigen Rahmen, also wohl nicht direkt juristisch angreifbar. Wer jetzt für den Wiederaufbau spendet, sollte sich genau überlegen, wen, was und welche Philosophie er dort unterstützt und ob er dies genau so möchte, wenn leichtfertig mit Leben und materiellen Werten umgegangen wird.

Wie kann eine Laterne so ein verheerendes Feuer auslösen?

Die Polizei ermittelt gegen drei Krefelderinnen, die vermutlich den Brand in der Silvesternacht ausgelöst haben und sich nach Aufruf freiwillig bei der Polizei meldeten. Die Mutter und ihre zwei erwachsenen Töchter hatten insgesamt fünf der in Deutschland seit 2009 ausnahmslos verbotenen Himmelslaternen im Krefelder Stadtgebiet aufsteigen lassen.

Eine dieser (wohl im Online-Shop bestellten) Laternen landete auf dem Dach des Geheges und löste vermutlich den Brand aus. Den Frauen war laut  eigener Aussage nicht bewusst, dass diese illegal wären, einen Hinweis im Online-Shop des Händlers gab es nicht. Es ist jedoch leider in Deutschland nicht ungewöhnlich, dass Dinge ver- und gekauft werden dürfen, die nicht benutzt werden dürfen. Einfache Beispiele: Teleskopschlagstock und Radar-Warner fürs Auto, aber auch andere Beispiele (Mehr dazu).

FAKT 2:

Himmelslaternen funktionieren nicht mit Teelichtern, sie funktionieren mit lang brennbarer Brennpaste oder mit in Wachs getränkten Tüchern. Diese erlöschen nicht so schnell und im ersten Fall sind bis zu 30 Minuten Brenndauer möglich, nicht nur 5-10. Das Verbot erfolgte nach einem ebenfalls sehr schlimmen Unglück (Quelle).

Simulation zum Brandhergang

Ein Sachverständiger überprüft nun, ob die Himmelslaternen in der Lage dazu waren, den Großbrand auszulösen. Dazu wird in einer Simulation untersucht, ob und wie schnell eine Himmelslaterne die Plexiglasverkleidung des Affenhauses bzw. eine entsprechende Konstruktion in Brand setzen kann.

Nach einem Hagelschaden vor ein paar Jahren war das bisherige Glasdach des Geheges durch eine Plexiglasverkleidung ausgetauscht worden. Es wird laut Polizei noch untersucht, ob und wie schnell dieses Material durch eine Himmelslaterne in Brand geraten kann. Möglicherweise spielt auch eine Folienbeschichtung und trockenes Laub auf dem Dach des Affenhauses eine Rolle. Zusätzlich sichtet die Kriminalpolizei auch die Bauakten des Affenhauses. Die Ermittler wollen nun ebenfalls überprüfen ob das Material korrekt verbaut wurde (Quelle).

FAKT 3:

Ja, hohe Luftfeuchtigkeit im Tropenhaus (bis zu 70%) müsste sich verzögernd auswirken, ebenso das nasskalte Winterwetter. Der vermeintliche Brandhergang wird detailliert untersucht, die Ergebnisse sind abzuwarten, auch bauliche Mängel werden in Erwägung gezogen.

Die Rolle der Einsatzkräfte

Die Feuerwehr war nach mehreren Notrufen aus der Nachbarschaft des Zoos innerhalb weniger Minuten nach Alarmierung vor Ort und fand hier einen Gebäudebrand in voller Ausdehnung vor. Augenzeugen berichteten laut Polizei später von den Himmelslaternen, die kurz vorher in der Nähe aufgestiegen sein, und über dem Zoo ebenfalls kurz vor dem Brand sichtbar gewesen sein sollen.

Da es vermeintlich keine Chance gab, noch etwas auszurichten, konzentrierte man sich darauf, das Umfeld zu wässern, um eine unkontrollierte Ausdehnung des Brandes zu verhindern. Im Endeffekt gelang dies gut, und wie durch ein Wunder überlebten auch 2 Schimpansen die Feuerhölle. Wenn man sich Brandvideos- und Bilder anschaut, war davon nicht mehr zwangsweise auszugehen.

Warum keine Bilder der Opfer?

An das Leid aller Opfer und das Trauma der Überlebenden (Affen sowie Tierpfleger*innen) mögen wir jedoch alle kaum denken. Die Tierpfleger*innen mussten, soweit noch möglich, ihre Schützlinge, die sie teilweise Jahrzehnte „betreuten“, identifizieren, bevor die sterblichen Überreste von der Gerichts- und Veterinärmedizin zur weiteren Untersuchung übernommen wurden.

Ich denke nicht, dass es hier würdevoll wäre, noch Bilder davon in den Medien zu zeigen. Wer sowas fordert, ist einfach nur besessen von eigener Hetz-Agenda und Pietätlosigkeit ist noch einer der harmlosesten Ausdrücke, die mir dazu noch einfallen. Die Einsätzkräfte haben nach ersten Erkenntnissen schnell und professionell gehandelt, um noch größeren Schaden durch eine Ausbreitung des Feuers zu vermeiden. Eine Forderung nach Bildern von Opfern ist absurd, pietätlos und wäre journalistisch auch eher ein Kodexverstoss.

Zukunftspläne und Versicherungssummen

Es stimmt, dass es um den Zoo Krefeld, in Nachbarschaft eines Fussballstadions und eines angrenzenden Wohngebietes immer wieder Diskussionen um Ausbaumöglichkeiten des Stadions und/oder des Zoos gab (Quelle). Dennoch ist dieser Kampf um Flächen, unabhängig vom Brand zu sehen.

Eine neue Anlage, speziell für die Schimpansen, und mit Außenbereichen, war ganz unabhängig davon bereits in konkreter Planung. Hier geht es mehr um die Finanzierung als um den Platzmangel, Modelle wurden bereits vor längerer Zeit vorgestellt (Quelle).

FAKT 4:

Es ist davon auszugehen, dass die Gebäudeschäden ausreichend versichert sind. Alle materiellen und immateriellen Schäden lassen sich unmöglich versichern, keine Versicherung wird hier mehr zahlen, als sie es verpflichtet ist zu tun. Kein lohnendes Geschäft für niemanden.

Verschwörungstheorien im FB-Beitrag und in verbreiteten Memes:

Ich gehe nur auf eine Theorie grob ein, die sich auf die Re-Finanzierung bezieht und beschreibt, wie ein „warmer Abriss“ von Gebäuden (hier unabhängig davon ob staatlich gemeinnützig oder anders getragen) angeblich die Geldprobleme einer weltumspannenden Regierungsorganisation lösen soll.

Sprich: Finanzierung von Aktivitäten eines „Staates“ aus Versicherungsprämien mit der Nennung von Notre Dame als Beispiel. Ich versuche es sachlich: Notre Dame gehört dem französischen Staat, eventuell gibt es Versicherungen der an der Renovierung vorm Brand beteiligten Bauunternehmen, die nach Feststellung juristischer Schuld evtl. einen Versicherungshöchstbeitrag zahlen müssten, dieser würde die Kosten der Renovierung niemals decken, geschweige den übersteigen (Mehr dazu).

FAKT 5:

Ich weiß nicht, welche Suchmaschinen in der rechten äußeren Blase vorrangig genutzt werden, aber wenn ich nachschaue, finde ich mehrere Artikel zur deutschen Unterstützung bei der Instandhaltung/Sanierung in Auschwitz.

Heisser Tipp für den Suchbegriff daher: „Auschwitz Sanierung“, dann erscheinen die magischen Ergebnisse wie z.B. (Deutschland-will-bei-Sanierung-von-Auschwitz-helfen) z.B. bei Ecosia oder Google.

Haken wir dies ab und kommen zum nächsten Thema, einem in der gleichen Blase geteilten Meme:

Hetze & Instrumentalisierung durch die rechtsextreme AfD-Partei-Zeitung

Budgets in Städten, öffentlichen Einrichtungen und gemeinnützigen GmbHs wie dem Zoo sind kein großer Topf, der mal schnell umverteilt werden kann. Wird eine genehmigte Investition wie ein Bauprojekt teurer, heisst dies nicht, dass der Kindergarten ad hoc kein Personal mehr bekommt und schließen oder das Frühstück streichen muss.

Fallen Unterbringungskosten für Flüchtlinge an, heißt dies nicht, dass das Fussballstadion abgerissen werden muss. Solche absurden Vergleiche kann nur jemand bringen, der sich noch nie mit der Finanzierung von Gemeinden, Steuern, Abgaben oder einfach wirklich mit Politik und öffentlichen Haushalten beschäftigt hat. Daher zurück zum Thema des schrecklichen Unglücks im Zoo Krefeld.

Resümee:

 

1. Moralische Verantwortung

Der Zoo trägt hier eine riesengroße moralische Verantwortung und muss sich hinterfragen, ob er alles richtig gemacht hat. Kritik ist real und nötig, jedoch laufen Ermittlungen, die den Fall hoffentlich vollständig aufklären werden und die Wahrheit ans Licht tragen.

2. Unsere Verantwortung als Lesende

Jede* von uns sollte auch in hektischen Zeiten überdenken, was für Beiträge geteilt werden und diese auch länger als 5 Sekunden einer Plausibilitätsprüfung unterziehen. Wer ist diese Person? Was sind ihre Quellen? Macht diese Beschreibung Sinn? „Think before you write“ sollte hier wieder in unsere Köpfe. Wer sich als kritisch denkend betrachtet, sollte auch gerne einmal ebenso kritisch schauen, von wem und von welcher Seite er Beiträge teilt und welche Motive dahinterstehen könnten. Wir haben alle ein Stück Verantwortung, wenn wir so etwas teilen.

Dies ist leider wichtiger denn je, Headlines und Stories reichen nicht aus, wir müssen immer mehr auf Narrative, Framing und Motive achten. Nicht jede* meint es halt nur gut mit uns, auch nicht, wenn die Geschichte in unser Weltbild passt. ZDDK (Zuerst denken, dann klicken), das alte Motto von Mimikama, sollte hier ebenfalls wieder oberste Maxime werden.

3. Verschwörungstheorien/Kontext/Motiv

Wir erfahren auf dem öffentlichen Profil der Verfasserin des FB-Beitrags neben der lächerlichen großen Weltverschwörung (Deep State, gesteuert von und mit Angela Merkel) ebenfalls folgende „Fakten“ und bösartige Thesen zu verschiedenen Themen.

• Juden regieren die Welt, Antisemitismus am Beispiel der „Rothschild-Verschwörung“ und „Mossad-Komplotten“
• Der menschgemachte Klimawandel ist nicht real. Gut, dass Russland andersdenkende Jugendliche ins Gefängnis steckt.
• Ausländerfeindliche Flüchtlingshetze am Beispiel der unbeliebten Rundfunkgebühr und deren Verwendung für multikulturelle Ausstrahlungen.
• Obama verschickt palettenweise Milliarden Dollar zur Wäsche in den Iran und soll dafür einen Anteil von 115 Mio Dollar bekommen.
• Trump und Putin bereiten die Weltrettung vor und wir sollen endlich wieder eine vernünftige Reichsverfassung bekommen (ja, wir reden hier von Reichsbürgergarn).
• Ein „erschossenes“ Opfer des Anschlags in Halle ist putzmunter (die „Frau von der Synagoge“), wir sind nur einer Inszenierung aufgesessen.
• Die letzten Amokläufe in Neuseeland und Texas waren ebenfalls nur eine Inszenierung.
• Stevie Wonder ist gar nicht blind und bekannte Politiker täuschen ihren Rollstuhl bzw. ihre Behinderung nur vor.

Wollt ihr eine derartige rechtsextreme und antisemitische Quelle und deren Verschwörungstheorien ernst nehmen? Dies (und noch viel mehr, was es dort so gibt) musste ich erst einmal sacken lassen…

4. Vermarktung

Ganz frisch nutzt ein britischer Laternenhersteller abstoßenderweise die Diskussion um das Unglück in Krefeld, um für seine Produkte zu werben. Und schlägt vor, in Gedenken an die 30 Krefelder Affen ebenso viele Himmelslaternen seiner besseren Qualität in den Himmel zu schicken.

Genau dies trifft den Tenor hier gut. Passt bitte gut auf, welche Art Mensch euch wie und wo vor den Karren spannen möchte. Wenn ihr trauert, seid ihr auch dies den Opfern schuldig. Aber teilt keine dubiosen Verschwörungstheorien einer antisemitischen und rechtsextremistischen Quelle. Der Beitrag wurde über fünftausend Mal geteilt und unzählige Male kopiert: Zeigen wir, dass Vernunft und Anstand mehr Menschen erreichen können.

Artikelbild: Kristin Smith, Screenshot facebook.com