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Impfgegner vergessen, dass viele Impfungen mehrfach gespritzt werden müssen – Faktencheck

von | Sep 2, 2021 | Aktuelles

Impfgegner:innen vergessen, dass viele Impfungen mehrfach gespritzt werden müssen

Es scheint längst nicht mehr zu überraschen, wird dadurch aber nicht weniger problematisch: Impfgegner:innen verbreiten erneut vermeintliche Informationen über die Corona-Impfung. Auf Fakten beziehen sie sich dabei kaum. Ganz im Gegenteil. Es werden Behauptungen aufgestellt und Tatsachen verdreht. Das neuste Ergebnis dieses kruden Zusammenwürfelns ist die Annahme, dass bei keiner Impfung – mit Ausnahme der Corona-Impfung – eine zweite Spritze erforderlich ist.

Um diese These zu verbreiten, kursiert in verschiedenen sozialen Netzwerken ein Sharepic (Quelle). Mit der Überschrift „Die eigentümlichste »Impfung« aller Zeiten“ soll darauf aufmerksam gemacht werden, dass das Corona-Vakzin anders als alle bisher bekannten Impfungen funktioniert. So soll angeblich jede Impfung, „die man in seinem Leben erhalten hat“, bereits durch einmaliges Impfen den vollständigen Schutz bieten. Doch bereits ein kurzer Blick auf andere Impfstoffe zeigt: Viele der Behauptungen sind haltlos und grundlegend falsch.

Auch wenn es den Impfgegner:innen in die Karten spielen würde: Die Corona-Impfung unterscheidet sich in vielen Punkten keineswegs groß von anderen. So ist eine Zweit- oder Drittimpfung nichts, was sich die Wissenschaft erst vor Kurzem aus dem Ärmel gezaubert hat, sondern ein gängiges Vorgehen. Etwa bei der Masern-Impfung. Zum Schutz vor der ansteckenden Infektionskrankheit empfiehlt die Ständige Impfkommission ausdrücklich, eine Zweitimpfung durchführen zu lassen (Quelle). Durch eine Kombinationsimpfung werden zudem Mumps und Röteln (MMR), manchmal auch Windpocken (MMRV), abgedeckt.

Auch mit Impfnebenwirkungen wird Panik geschürt

Im Sharepic der Impfgegner:innen wird auch die Impfung gegen Tetanus genannt. Und auch hier soll es nicht nötig sein, sich mehrmals impfen zu lassen. Damit liegen die Impfgegner:innen noch weiter daneben als bei der Masern-Impfung. Denn auch bei dieser Aussage wurden keinerlei Fakten herangezogen. So ist laut RKI die Impfung gegen Tetanus sogar in drei Teilimpfungen unterteilt – und wird demnach dreimal gespritzt. (Quelle).

Kaum verwunderlich scheint auch, dass das sehr beliebte Argument der Impfnebenwirkungen in dem Sharepic erneut aufgegriffen wird. Denn mit kaum etwas lässt sich in diesen Zeiten so viel Angst und Unsicherheit schüren wie mit möglichen Folgeschäden der Corona-Impfung: Herzprobleme, Blutgerinnsel und der Tod werden angeführt. Impfungen gelten laut Paul-Ehrlich-Institut allgemein jedoch als sehr sicher (Quelle). Dennoch können Impfreaktionen und Impfnebenwirkungen auftreten. Aber nicht nur bei der Corona-Impfung, wie das Sharepic suggerieren soll.

Denn auch bekannte Impfungen wie die Masern-Impfung können diese auslösen – in sehr seltenen Fällen (Quelle). Wie bei der Corona-Impfung gilt: Die Wahrscheinlichkeit, eine Nebenwirkung zu erleiden, ist im Vergleich zu den Symptomen und Folgen der Krankheit verschwindend gering. Es ist längst bekannt, dass auch bei der Corona-Impfung sehr seltene Nebenwirkungen auftreten können. Das ist nicht ungewöhnlich.

Corona-Impfungen bieten auch Schutz vor Delta-Ansteckung

Der Risiko-Rechner der Universität Cambridge zeigt aber: Selbst bei 20- bis 30-Jährigen ist bei hohen Inzidenzen die Gefahr, mit einer Corona-Erkrankung auf eine Intensivstation zu müssen, doppelt so hoch wie das Risiko einer ernsthaften Schädigung durch den Impfstoff. Im Alter zwischen 60 und 70 Jahren ist das Risiko sogar 600 Mal höher (Quelle). Das verdeutlicht, dass die Nebenwirkungen vor allem bei Risikogruppen in keinem Verhältnis zu schweren Verläufen und möglichen Langzeitschäden stehen (Quelle).

Zudem wird die These aufgestellt, dass geimpfte Personen eine genauso hohe Virenlast aufweisen wie Ungeimpfte. Da ist zwar etwas dran, weil auch Geimpfte das Virus bei einer Infektion weitergeben können, wie eine Studie der britischen Gesundheitsbehörde „Public Health England“ im Guardian zeigt (Quelle). Dennoch wird die Behauptung dann nicht weiter eingeordnet. Denn suggeriert werden soll, dass die Impfung keinen Schutz vor dem Virus bietet. Dies ist jedoch falsch. Denn die Impfung schützt vor schweren und tödlichen Verläufen.

Zudem schreibt das RKI, dass die Corona-Impfungen symptomatische und asymptomatische Infektionen in einem erheblichen Maße verhindern. Die Wahrscheinlichkeit, sich anzustecken, ist mit einer Impfung also niedriger, liegt aber nicht bei null (Quelle). Das variiert je nach Virusvariante. So zeigen aktuelle Studien, dass die Impfung auch bei der Delta-Variante einen Schutz gegen Infektionen bietet, dieser aber leicht reduziert zu sein scheint (Quelle).

Einschränkungen für Ungeimpfte sind nicht ganz neu

Das Sharepic behauptet außerdem, „man wurde noch nie als Ungeimpfter diskriminiert, wenn es um Reisen, Schule, Arbeit (…) ging“. Zwei Anmerkungen zu diesem Punkt: Auch wenn es den Rahmen des Artikels sprengen würde zu erklären, warum Ungeimpfte keine Diskriminierung erfahren, hier ein kurzer Versuch: Unter Diskriminierung versteht man einen Ausschluss, eine Herabwürdigung (Quelle). Ungeimpfte werden durch die derzeit in weiten Teilen Deutschlands geltenden 3G-Regelungen jedoch nicht vom öffentlichen Leben ausgeschlossen, sondern müssen lediglich einen negativen Test vorlegen.

Außerdem sind Einschränkung für Ungeimpfte sind nicht vollkommen neu: So ist im März 2020 das Masernschutzgesetz in Deutschland eingeführt worden. Demnach müssen Kinder gegen Masern geimpft sein, um Kindergärten und Schulen besuchen zu dürfen. Dies gilt auch für alle Angestellten dieser Einrichtungen (Quelle). Bestimmte Regelungen für Bildungs- und Betreuungsinstitutionen sind demnach nicht erst durch die Pandemie Teil des Alltags geworden.

Verkürzte Aussage

Doch wie steht es um die Behauptung, dass die Einwilligungserklärung von 12-Jährigen erstmals die eines Erziehungsberechtigten ersetzen könne? Auch diese Aussage ist sehr verkürzt dargestellt. So schreibt das RKI in Bezug auf Impfungen allgemein, „Jugendliche können selbst einwilligen, wenn sie die erforderliche Einsichts- und Entscheidungsfähigkeit besitzen“ (Quelle). Das sei in der Regel mit 16 Jahren der Fall. Dennoch gibt es eine Ausnahme: So kann die entsprechende „geistige und sittliche Reife“, die für eine Impfentscheidung notwendig ist, unter sorgfältiger ärztlicher Abwägung in Ausnahmen auch vor dem 16. Lebensjahr festgestellt werden (Quelle).

Das Sharepic schließt ab mit der kruden Behauptung, es habe noch nie einen Impfstoff gegeben, der „gar nichts konnte, nicht mal die Gefahr schwerer Erkrankung oder gar Tod zu verhindern.“ Wie gewohnt streuen die Impfgegner:innen auch hier bewusst Fake News. Dabei vernachlässigen sie den Kontext und lassen dabei vor allem eine wichtige Information weg: Die Impfung rettet sehr wohl Leben und wird uns schon bald die Rückkehr in die Normalität ermöglichen.

Seitdem die Inzidenzen getrennt ausgewiesen werden, ist klar: Corona-Infektionen unter Geimpften sind verschwindend gering. Geimpfte sind fast zwölf Mal besser gegen eine Infektion geschützt als Ungeimpfte (Quelle). Daran werden auch Schwurbel-Sharepics nichts ändern.

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Artikelbild: Screenshot

Unsere Autor:innen nutzen die Corona-Warn App des RKI.