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Impfpflicht: Was spricht dafür & was spricht dagegen

von | Jan 30, 2022 | Aktuelles

Impfpflicht – ja oder nein?

Erst lehnten die Parteien der alten Bundesregierung eine Corona-Impfpflicht kategorisch ab (Quelle), doch seit der Omikron-Welle wird sie von der neuen Regierung heiß diskutiert. Nun hat vergangenen Mittwoch eine erste Debatte im Bundestag dazu stattgefunden. Die Stimmung war gespalten, einen Gesetzesentwurf gibt es noch nicht (Quelle). Es liegen lediglich drei Entwürfe vor, eine generelle Impfpflicht ab 18, eine Impfpflicht ab 50 und ein Entwurf, der sich gegen eine Impfpflicht ausspricht. Zu einem Ergebnis ist die Debatte am Mittwoch noch nicht gekommen.

Quelle

Doch was würde überhaupt für oder gegen eine Impfpflicht sprechen? Eine kurze und einfache Gegenüberstellung.

Pro – Was für eine Impfpflicht spricht

Eine Impfpflicht verhindert Tote

Eine Modellierung des Robert-Koch-Instituts hat errechnet, dass im Jahr 2021 durch die Impfstoffe gegen Covid-19 über 38.000 Tode verhindert werden konnten (Quelle). Eine flächendeckend sehr hohe Impfquote würde also insbesondere jeden Einzelnen davor schützen, sich unnötig einem Sterberisiko auszusetzen. Das Virus kann nicht nur bei älteren und vorerkrankten Menschen zum Tod führen, auch junge Menschen, die an keinen Erkrankungen leiden, können an Covid-19 sterben, selbst wenn dieses Szenario selten ist.

Eine Impfpflicht schützt vulnerable Gruppen

Inzwischen beweisen etliche Studien die Wirkung der gegen Covid-19 zugelassenen Impfstoffe, dass sie sehr gut davor schützen, sich mit dem Virus zu infizieren, oder, falls doch eine Infektion stattgefunden hat, einen schweren Verlauf zu erleiden (Quelle, Quelle).

Eine Impfpflicht würde dazu beitragen, dass sich insbesondere Menschen, die zu den vulnerablen Gruppen gehören, impfen lassen und somit geschützt sind. Zu den vulnerablen Gruppen gehören neben Menschen ab etwa 50 Jahren auch Vorerkrankte und Schwangere. Daneben wären auch Menschen besser geschützt, die sich aufgrund von Erkrankungen oder Behinderungen nicht impfen lassen können oder keine ausreichende Immunantwort bilden können, gegen Covid19 also nicht ausreichend geschützt sind. Dann würde der Schutz der sogenannten Herdenimmunität greifen.

Eine Impfpflicht schützt das Gesundheitssystem

Wie bereits beschrieben, schützen die Impfungen sehr gut gegen eine schwere Infektion mit der Delta-Variante des Corona-Virus. Nur etwa 0,05 Prozent der Menschen, die mit dem Impfstoff von Biontech geimpft wurden, erkranken überhaupt an dem Virus (Quelle) In der Vergangenheit standen die Intensivstationen bereits unmittelbar vor einer Überlastung, teilweise mussten Patient:innen mithilfe von Bundeswehr-Flugzeugen in andere Krankenhäuser verlegt werden (Quelle). Die Situation auf den Intensivstationen ist zur Zeit zwar vergleichsweise entspannt, trotzdem arbeiten Pflegekräfte und Ärzt:innen seit inzwischen fast zwei Jahren an der Belastungsgrenze. Eine Impfpflicht könnte dem entgegensteuern und sowohl Intensiv- als auch Normalstationen wieder entlasten.

Die Beschränkungen könnten weitestgehend aufgehoben werden

Würde eine Impfpflicht eingeführt, könnten früher oder später alle Kontaktbeschränkungen aufgehoben werden. Eine Impfpflicht würde dafür sorgen, dass die Impflücke geschlossen werden kann und die Krankenhäuser nicht mehr so stark belastet werden.

So könnten und müssten weitestgehend alle Einschränkungen fallen gelassen werden.

Contra – Was gegen eine Impfpflicht spricht

Impfskeptiker könnten zu Impfgegnern werden

Wer sich bisher noch immer nicht sicher ist, ob man sich impfen lassen sollte, könnte durch die Einführung einer Impfpflicht eine noch stärkere Gegenposition einnehmen. Diesen Effekt zeigt auch eine Studie, die bereits 2015 erhoben wurde (Quelle). Eine eingeführte Impfpflicht, die ohne eine weitreichende Aufklärungskampagne daherkommt, könnte also einen gegenteiligen Effekt als den erwünschten mit sich bringen. Andererseits ist fraglich, ob der Anteil der „Impfskeptiker:innen“ an den Impfgegnern:innen  überhaupt so hoch ist, um relevant zu sein.

Eine Impfpflicht könnte zur Überforderung der Verwaltung führen

Bereits jetzt haben viele Gesundheitsämter die Nachverfolgung von Kontaktpersonen zu Corona-Erkrankten aufgegeben, weil den rasant steigenden Zahlen nicht mehr hinterherkommen (Quelle). In Mecklenburg-Vorpommern meldeten auch einige Gesundheitsämter, die berufsbezogene Impfpflicht im Gesundheitswesen ab März nicht durchsetzen zu können, da Personal und Kapazitäten für Überprüfung und Nachverfolgung fehlten (Quelle). Die Durchsetzung der Impfpflicht würde die Gesundheitsämter zwar mittelfristig davon befreien, Kontaktpersonen von Corona-Erkrankten nachzuverfolgen und zu kontaktieren, doch die Belastung durch die Überprüfung der Einhaltung der Impfpflicht ist bisher noch nicht absehbar, wird aber mindestens extrem herausfordernd.

Eine Impfpflicht ist rechtlich schwer durchsetzbar

Es gibt viele verschiedene Punkte, die bedacht werden müssen, um eine Impfpflicht durchzusetzen. Einige Politiker:innen, unter ihnen der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU, Sepp Müller, fordern einen Impfregister (Quelle), Karl Lauterbach ist strikt gegen die Einführung einer solchen (Quelle). Die rechtliche Frage, die sich bei einem Impfregister im Bezug auf den Datenschutz stellt, ist ebenso ungeklärt wie die des Eingriffs in die körperliche Unversehrtheit von jedem Menschen. Auch, wenn für einen effektiven Impfschutz regelmäßig nachgeimpft werden müsste, wäre eine generelle Impflicht nur schwer durchsetzbar.

Fazit: Keine leichte Entscheidung

„Omikron ist eine Chance“, sagte Prof. Christian Drosten in einem Interview mit dem Tagesspiegel Mitte Januar (Quelle). Auch wenn bisher noch keine ausreichenden Studien zu der Omikron-Variante vorhanden sind, zeichnet sich bereits ab, dass das Virus in seinem jetzigen Stadium zwar sehr viel ansteckender, aber auch milder ist. Und insgesamt zu weniger Krankenhauseinweisungen führt, auch wenn die schnellere Verbreitung mittelfristig auch zu einer Überlastung der Krankenhäuser führen könnte.

https://twitter.com/c_drosten/status/1473778881614295044

Das könnte eine Impfpflicht hinfällig machen, da sich bereits alle Menschen angesteckt haben könnten, bis die Pflicht im Bundestag durchgesetzt wurde. Prof. Drosten sagte in dem Interview jedoch auch, die Endemie könne nur eingeläutet werden, wenn sie durch Impfungen erreicht werde. Schuld daran sei der große Anteil von Älteren in der Bevölkerung (Quelle). Ob die Impfpflicht nun kommt oder nicht, ist wohl Sache einer langen Reihe an Verhandlungen und Debatten im Bundestag.

Wie man sieht, sind dabei einige Dinge zu bedenken, die eventuell nicht direkt auf der Hand liegen, aber eine weitreichende Wirkung haben könnten. Es ist klar, dass eine allgemeine Impfpflicht große Vorteile mit sich bringen würde, doch insbesondere die rechtlichen Fragen müssen ausreichend diskutiert und geklärt werden, damit die Pflicht nicht direkt wieder von einem Gericht gekippt werden könnte. Das wäre viel zu viel Wasser auf den Mühlen von Impfgegner:innen und Pandemie-Leugner:innen.

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Artikelbild: My Ocean Production

Unsere Autor:innen nutzen die Corona-Warn App des RKI.