Nein: Die Strompreise stiegen nicht wegen AKW-Ausfällen, wie manche deutsche Medien vermeldeten. Die immer unseriöse Berliner Zeitung schaffte es sogar, zwei komplett widersprüchliche Erklärungen zu liefern – vom gleichen Autor.
Am 01. Juli 2025 ging es heiß her. Die Thermometer zeigten die unangenehmen Werte des bis heute zweit heißesten Tages des Jahres an. Menschen schwitzten, Schienen und Autobahnen wurden durch die Hitze beschädigt. Im Internet war das jährliche Naturschauspiel zu bestaunen, bei dem sich viele tausend Menschen spontan zu verklärten Aussagen hinreißen lassen, dass es in ihrer Kindheit auch schon so warm war (war es nicht).
Solche Temperaturen wirken sich auch auf unsere thermischen Kraftwerke aus (Kohle-, Gas, oder Atomkraft), die ihre durch Stromerzeugung zwangsläufig angesammelte Abwärme irgendwie loswerden müssen, was bei 40 Grad im Schatten aufwändiger ist als sonst. Wenn das in Flüssen passieren soll, muss der Fluss ausreichend kühles Wasser führen, sonst müssen Kraftwerke ihre Leistung runterfahren.
Und so kam es dann auch, ein Block des AKW Golfech musste abgeschaltet werden, damit die in den Atlantik mündende Garonne nicht überhitzt. Auch für Bugey am Oberlauf der Rhône und das AKW Blayais bei Bordeaux hat der französische Kraftwerksbetreiber EDF Warnungen wegen möglicher Leistungsdrosselung herausgegeben.
Ein sicher berichtenswerter Umstand, der gerade im Hinblick auf die weitere Erwärmung und zukünftig wahrscheinlichere Hitzewellen und Dürren eine Herausforderung darstellt, denn die zurückliegende Hitzewelle war noch eher moderat im Vergleich zur Situation von 2022, als sowohl die Temperaturen als auch die wegen Dürre niedrigen Pegelstände den Kraftwerksbetrieb gefährdeten (auch in Deutschland).
„AKW-Hitzeflaute“ hat Preise nicht steigen lassen
Daraus sponnen mehrere deutsche Medien allerdings die Geschichte, die Drosselung sei so massiv gewesen, dass der deutsche Strompreis deswegen in die Höhe geschossen sei. Das Handelsblatt schrieb „Frankreich drosselt Atomkraftwerke – deutsche Strompreise steigen“. Die Frankfurter Rundschau behauptet „Strompreise steigen in Deutschland durch AKW-Drosselung in Frankreich“ und der Stern spricht von der „AKW-Hitzeflaute“ und setzt in seinem Artikel die französische Atomkraft in einen direkten Zusammenhang zu deutschen Preisen:
„Als EDF jetzt das Kernkraftwerk Golfech im Süden des Landes herunterfuhr, mussten die Deutschen, die einen flexiblen Strompreis nutzen, zeitweilig mit bis zu 75 Cent pro Kilowattstunde rechnen“.
Problem an all diesen Darstellungen: Die französische Atomkraft speiste auch nach den Abschaltungen ziemlich konstant ihre 38 Gigawatt ins Netz, weil andere Reaktoren im Land hochgefahren wurden.

In unserem Nachbarland ist nämlich nicht nur ein solches Kraftwerk am Netz, sondern 57. Ein einzelner Ausfall ist daher für das Gesamtsystem nicht wirklich ein Problem. Der EDF scheint aus 2022 gelernt zu haben, als so viele Kraftwerke gleichzeitig in Revision mussten bzw. hitzebedingt weniger leisteten, dass Deutschland mit Kohlestrom aushelfen musste. Die einzelnen Drosselungen wurden von den anderen Kernkraftwerken komplett ausgeglichen.
Die rote Linie in dieser Grafik zeigt den Preisverlauf in Deutschland:

Gegen 20 Uhr wurde der Strom am 01.07.2025 recht teuer (allerdings nur für eine Stunde). In dieser Zeit erzeugte Frankreich jedoch einen Überschuss und exportierte fluffige 2,5 Gigawatt Strom nach Deutschland. Ich würde daher meine Plattensammlung wetten, dass der gesamteuropäische Bedarf in der Abendhitze mit immer mehr Klimaanlagen bei wenig Windkraft den Preis getrieben hat. Die Schuld dafür ausgerechnet der französischen Atomkraft zu geben, die zu dem Zeitpunkt wie bestellt geliefert und den Preis mutmaßlich eher gesenkt hat, ist schon eher abenteuerlich.
Noch abenteuerlicher ist nur die Darstellung der immer unseriöser arbeitenden Berliner Zeitung. Dort eskalierte am Dienstagnachmittag ein gewisser Flynn Jacobs erst maximal und warnte „Frankreich schaltet AKW ab – deutscher Strompreis explodiert“. Abgesehen davon, dass das Preisplateau von 480 €/MWh sich gerade mal eine Stunde am Markt hielt, hatte das mit den AKW in Frankreich wie gesagt nichts zu tun.
Zwei Texte in der Berliner Zeitung, die sich komplett widersprechen – vom gleichen Autor
Nur 24 Stunden später verfasst derselbe Autor den Text „Strompreis-Explosion durch AKW in Frankreich? Experte kontert: „Erneuerbare Energien sind schuld“. Auch das ist in seiner Simplifizierung so nicht richtig, aber so stehen nun 2 Texte vom gleichen Autor bei der Berliner Zeitung online, die sich komplett gegenseitig widersprechen (lol). Dass man einen Artikel auch einfach mit neuen Informationen ergänzen kann, scheint dort nicht bekannt zu sein.
Wer sich nun fragt, was wir aus alledem für Konsequenzen ziehen sollen, kann einen Blick nach Kalifornien werfen: Die traditionelle Strompreisspitze gegen Feierabend verursacht dort keine besorgniserregenden Preissteigerungen mehr, weil das Netz dort über mehrere Stunden von 9 Gigawatt Batteriespeichern entlastet wird (entspricht der Leistung von 6 großen deutschen Kernreaktoren).
Der Batteriespeicher-Ausbau in Deutschland sieht für die kommenden Jahre noch mal deutlich mehr als das vor, einen gigantischen Ausbau, so dass wir uns um einzelne Preisspitzen im Sommer keine Sorgen mehr werden machen müssen. In Frankreich ist aktuell eine ganz ähnliche Entwicklung abzusehen, vermutlich weil auch dort mit mehr Leistungsspitzen gerechnet wird, wenn erst mal Millionen E-Autos und Wärmepumpen mit versorgt werden müssen und gegen 18 Uhr im ganzen Land Klimaanlagen eingeschaltet werden wollen.
Artikelbild: canva-com/Screenshot