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Typisch Alman: Glauben, „Alman“ wäre eine rassistische Beleidigung

von | Feb 4, 2020 | Aktuelles, Kolumnen, Schwer verpetzt

Almans wollen auch mal Opfer sein

Ich bin blond, blauäugig, weiß, Deutsch ist meine Muttersprache. Ich warte brav an einer roten Ampel auf einer leeren Straße und ich habe eine Payback-Karte. Ja, ich bin ein Alman. Ja, es ist furchtbar, ein Alman zu sein. Man wird bei Stellenangeboten häufiger übergangen, öfter von der Polizei angehalten, ständig auf der Straße als „Alman“ oder „Kartoffel“ beschimpft. Und immer heißt es: Das wird man ja wohl noch sagen dürfen! Oh halt warte. Nichts davon ist je passiert. Warum scheinen heute auf Twitter einige zu behaupten, der Begriff sei diskriminierend oder gar rassistisch?

„Alman“ kommt aus dem Türkischen und heißt schlicht und ergreifend: Deutscher. Als „Almans“ wurden vor allem Deutsche mit türkischem Migrationshintergrund von den Türken „in der Heimat“ bezeichnet und ironisch auch diejenigen, die sich schon „wie die Deutschen“ verhalten. So wurde der Begriff auch zur (selbst)ironischen Bezeichnung für das „typisch deutsche“ Klischee. Eine Liege mit seinem Handtuch reservieren ist halt schon der typische Alman-Move.



N-Wort & K-Wort

Klar, theoretisch kann jemand das Wort „Alman“ auch als Beleidigung gemeint werden. Und ist sicherlich auch schon mal passiert. Sicherlich gibt es auch Menschen, die Vorurteile gegen „Almans“ hegen. Das ist natürlich Diskriminierung, aber das ist kein struktureller Rassismus. Es gibt keine historische Unterdrückung von „Almans“, keine versklavten Deutschen, die „Alman“ genannt wurden. Und es gab keine terroristische Anschlagsserie, die gezielt „Almans“ zum Ziel hatte, weil sie keinen Migrationshintergrund haben.

Es gibt keine tausend kleinen Dinge im Alltag, wo „Almans“ mit Vorurteilen konfrontiert werden, von Jobsuche über Wohnungssuche bis hin zu Tramfahren. Klar wird damit ein Klischee reproduziert – aber Deutschen wird nicht täglich ernstgemeint mit diesen Klischees begegnet. Ich hab ein paar davon scherzhaft wiederholt. Und genau darin liegt der Punkt: Es wird vor allem (selbst)ironisch genutzt, um auf unsere eigenartigen kulturellen Eigenheiten aufmerksam zu machen.

Die extreme Mitte

Wer Witze oder Kabarett über Minderheiten achselzuckend hinnehmen kann, ohne darin Rassismus (oder Diskriminierung) zu sehen, der kann doch auch „Alman“ aushalten. Umso merkwürdiger ist, dass nicht wenige so eine Pseudo-Diskussion starten wollten. Ist es der Wunsch, so extrem in der politischen Mitte zu sein, indem man „jeden Rassismus“ gleichermaßen ablehnt, dass man einen „der anderen Seite“ konstruieren muss, von dem man sich „genau so“ distanzieren kann? Möchten sich Deutsche ohne Rassismuserfahrung auch unbedingt mal diskriminiert fühlen?

Das ist überspitzt formuliert, aber Menschen, die täglich Rassismus erfahren, fühlen sich regelrecht verarscht, wenn man behauptet, „Alman“ sei rassistisch. Da müssen sich Deutsche und hier lebende Ausländer, die fast täglich Anfeindungen wegen ihres Aussehens erfahren, anhören, dass sie ja genau solche „Rassisten“ sein sollten, weil sie mal einen Scherz mit „Alman-Klischees“ gemacht hätten. Das ist eigentlich schon unverschämt.

https://twitter.com/stefnhs/status/1224688870291378176

Ich glaube manchen, dass sie ernsthaft versuchen wollen, „jeden Rassismus“ vermeiden zu wollen. Aber die basteln auch nur an einer neuen Hufeisentheorie, die letztlich echten Rassismus verharmlost, in dem sie Dinge gleichstellt, die nicht miteinander vergleichbar sind. Von denjenigen, die diese Diskussion mit Absicht nutzen, um das Verwenden echter rassistischer Begriffe zu rechtfertigen und von ihrem eigenen Rassismus abzulenken, wollen wir gar nicht erst anfangen.

Typische Alman-Diskussion

Letztendlich ist es also eine typische Alman-Diskussion. Wir wollen wieder mal alles überperfekt machen und kommen dann am falschen Ende wieder heraus. Irgendwo mischen sich Nazis wieder ein. Und keiner versteht Spaß. Also alles beim Alten. Ich werd mich jetzt mal auch auf die Socken (in Sandalen) machen, um zu meinem nächsten Termin 15 Minuten zu früh zu kommen. Denn wie ein guter Alman so sagt: Was muss, das muss!

Artikelbild: pixabay.com, CC0