Kriminalität: Fakten gegen AfD
Nach dem tragischen Tötungsfall von Augsburg und dem Angriff auf einen Polizisten in München behauptet die AfD auf Facebook: „Unser Land versinkt in Gewalt.“ „Das ist grottenfalsch“, erklärt der Professor für Deutsches, Europäisches und Internationales Straf- und Strafprozessrecht, Medizin- und Wirtschaftsstrafrecht, Dr. Dr. H.C. Michael Kubiciel von der Universtität Augsburg auf Twitter.
Die @AfD schreibt „Unser Land versinkt in Gewalt“, aus Anlass des Messerangriffs vom Münchener Hbf (Tatverdächtig ist übrigens ein obdachloser Münchner, Daniel G.). Das ist grottenfalsch, wie eine wenig bekannte #Statistik zeigt.
— Michael Kubiciel (@m_kubiciel) December 10, 2019
Abgesehen von der Polizeilichen Kriminalstatistik, die einige Schwächen aufweist (Wir haben darüber geschrieben), verweist Kubiciel auf eine andere Statistik: Die der Sterblichkeitsrate durch Gewaltkriminalität. Die Statistik lässt sich hier finden. Kubiciel erklärt: „Anfang des 20. Jh. lag die Tötungsrate bei Männern bei ca. 2,5 bis 3,0 pro 100.000, die Rate weiblicher Opfer bei 1,0 bis 1,5. Bis in die Gegenwart sank der Wert auf die im internationalen Vergleich sehr niedrige Opferrate von ca. 0,6 pro 100.000 (Männer und Frauen weisen keine gravierenden Sterblichkeitsunterschiede mehr auf).“
„Wir leben in einem der sichersten Länder der Erde“
Kubiciel zitiert seine Quelle, wenn er sagt, dass man hier von einer „Pazifizierung des öffentlichen Raumes“ sprechen könne. Er stellt fest, dass die Tötungsdelikte vor allem seit 1990 dramatisch sinken.
Bevor Nachfragen kommen: Natürlich hat sich auch die notfallmedizinische Versorgung verbessert. Aber das erklärt den Rückgang der Sterblichkeitsquote nicht. Zieht man die polizeiliche Kriminalstatistik hinzu, sieht man, dass Tötungsdelikte v.a. seit 1990 dramatisch sinken.
— Michael Kubiciel (@m_kubiciel) December 10, 2019
Auch ein minimaler Anstieg von Straftaten gegen das Leben seit 2014 bleibt weit unter dem Niveau von 1990, welcher sich vor allem statistisch erklären lässt:
Seit 2014 ist ein Anstieg der Straftaten gegen das Leben in der PKS zu verzeichnen (2760 auf rund 3000). Dennoch: Die Zahlen bleiben ganz erheblich unter dem Stand von 1990 (mehr als 5000).
— Michael Kubiciel (@m_kubiciel) December 10, 2019
Um auch das gesagt zu haben: Die Statistik relativiert nicht das Unrecht einer einzigen Straftat. Sie rückt aber das von Populisten und Boulevard-Medien verzerrte Bild der Gesamtlage zu Recht.
— Michael Kubiciel (@m_kubiciel) December 10, 2019
Und schließlich: Es ist richtig, dass der Anteil von Migranten an Tatverdächtigen bei Delikten gg das Leben überproportional ist; sie werden allerdings auch überproportional häufig Opfer solcher Delikte.
— Michael Kubiciel (@m_kubiciel) December 10, 2019
Dass sich diese Überproportionalität durch Alters- und Geschlechterstruktur und Sozialisation erklären lässt, haben wir hier ausgeführt:
Kriminalstatistik: Messer-Martin dreimal so kriminell wie Chorknabe Chalid?
Realität vs „Lügenpartei“
Kubiciel kommt zum Schluss: „Dass „unser Land“ in „Gewalt versinkt“, ist daher schlicht falsch. Wir leben in einem der sichersten Länder der Erde, zu einer der besten Zeiten, die dieses Land auch im Hinblick auf die Kriminalitätsbelastung je erlebt hat.“ Fest steht: Die AfD versucht über mediale Überreizung, eine gezielte selektive Auswahl an Straftaten und auch gezielten Falschinformationen, ihren Anhänger*innen ein vollkommen realitätsfremdes Bild zu vermitteln. Widersprüche zur Realität in anderen Medien werden dann mit der Verschwörungstheorie „Lügenpresse“ weg erklärt.
Die AfD möchte sich somit zur alleinigen Quelle von Informationen und vermeintlichen Lösungsansätzen machen, um ihre Anhänger*innen bedingungslos an sich zu binden. Das ist höchst gefährlich, denn diese Menschen verabschieden sich teilweise endgültig von Fakten und der Realität und übernehmen oder festigen rassistische Weltanschauungen. Es ist wichtig, dass man sich trotz der Hetze und Instrumentalisierung von tragischen Einzelfällen nicht dazu manipulieren lässt, die Propaganda dieser Partei ernst zu nehmen oder ihr Raum zu bieten.
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Artikelbild: Screenshot twitter.com