#BTW21: Die Reaktion zur Wahl
Nach der Wahl ist vor den Koalitionsverhandlungen
Was eine Wahlnacht! Doch auch wenn die Wahl vorbei ist, bleibt weder Politiker:innen und Medien, noch der Bevölkerung Zeit zum Durchatmen. Die Parteien befinden sich sofort mittendrin im Machtpoker um das Kanzleramt und es ist schwierig, den Überblick über alle Entwicklungen zu behalten. Was feststeht: Es stehen aktuell vor allem zwei Modelle für die neuen Regierung in Deutschland zur Diskussion. Die Ampel (SPD, Grüne, FDP) oder Jamaika (CDU, Grüne, FDP). Noch am Wahlabend verkünden Scholz, wie auch Armin Laschet eine Regierung bilden zu wollen (Quelle). (Von der SPD kam die klare Ansage, nicht erneut mit der Union regieren zu wollen, Quelle.) Das führt dazu, dass Grüne und FDP anscheinend sicher in der nächsten Regierung vertreten sein werden. Die Frage sei nur noch, ob mit SPD in einer Ampel oder CDU in Jamaika an der Spitze regiert wird:
Vorläufiges Ergebnis dieses Wahlabends: Grüne und FDP suchen sich gemeinsam aus, wer Kanzler wird.
— Georg Restle (@georgrestle) September 26, 2021
Die Vorzeichen stehen eindeutig gegen die Union
Einige Kommentator:innen wunderten sich bereits am Wahlabend, wie Laschet aus dem Ergebnis – das schlechteste Wahlergebnis der Union in der Geschichte – einen Regierungsauftrag ableiten konnte. Die Verluste der Union sprechen eindeutig eine anderen Sprache:
Der Wählerwille zeige eindeutig Richtung SPD oder andersherum: richte sich eindeutig gegen die Union, heißt es.
Erstaunlich, dass Jamaika und Ampel in allen Debatten fast gleichwertig diskutiert werden. Zur Erinnerung: Die SPD liegt mittlerweile deutlich vor einer schwer gebeutelten Union. Und kaum jemand in Deutschland will Laschet als Kanzler. Schon gar nicht unter Grünen-Anhänger*innen.
— Georg Restle (@georgrestle) September 26, 2021
Zur Einordnung und des besseren Verständnisses, bieten wir hier eine kurze Übersicht an wichtigen Statements von Politiker:innen und aktuellen Meldungen zur Regierungsbildung in Deutschland. Eine Mischung aus ernsten Statements und satirischen Kommentaren zur Regierungsbildung. Fangen wir mit der Union an, bei der die Nerven offenbar blank liegen.
Die Union: Erste Anzeichen für Aufstand gegen Laschet
Wie bereits erwähnt hat es bei vielen für Verwunderung gesorgt, als Armin Laschet in der “Elefantenrunde” (“Berliner Runde”) gemeint hat, er würde eine Regierung bilden wollen, obwohl die SPD in Prognosen vor ihm lag.
Wenn Laschet immer noch Kanzler werden will #BerlinerRunde pic.twitter.com/4EInekTM37
— Thomas (@Thomas__2290) September 26, 2021
Hier ein überspitzter Vergleich zu Laschets eingebildetem Regierungsauftrag:
Nach ersten Hochrechnungen: Trump erklärt sich zum Sieger der Bundestagswahl #btw21https://t.co/MrJOFcdMvm
— Der Postillon 📯 (@Der_Postillon) September 26, 2021
Auch Satiriker Böhmermann kam nicht drum rum, Laschets Gebaren ironisch zu kommentieren:
Wer in der Union traut sich, es Armin zu sagen? #BTW21
— Jan Böhmermann 🤨 (@janboehm) September 26, 2021
Anders als Laschet, interpretierten die politischen Beobachter:innen einen klaren Auftrag für die SPD und Scholz, eine Regierung zu bilden. Noch am gleichen Abend fängt der Unionsministerpräsident aus Sachsen-Anhalt die Aussage Laschets wieder ein:
Oha, Reiner #Haseloff schert bei #AnneWill eindeutig aus #Laschet|s bisheriger Strategie aus und leitet aus den Zahlen der Hochrechnungen keineswegs einen eindeutigen Regierungsauftrag ab. Da kündigt sich was an, könnte heiter werden die kommenden Tage.
— Jana Wolf (@JanaAWolf) September 26, 2021
Und am nächsten Tag der Kollege Kretschmer aus Sachsen:
Der erste schert aus. https://t.co/Co2hRGwowR
— Anne Will (@annewill) September 27, 2021
Laut Ministerpräsident Kretschmer sei die Wahl ein Erdbeben gewesen und er ruft die Parteispitze auf, die klare Niederlage bei der Bundestagswahl einzugestehen. Ehrenwert könnte man meinen, doch der Positionierungsdruck erwächst eindeutig aus dem starken Ergebnis der AfD in Sachsen, dort wird sie stärkste Kraft und liegt deutlich vor der Union:
Mir fehlt die Kraft, um das hier mit einem zynischen/pseudo-witzigen Kommentar zu versehen. #Sachsen #btw21 pic.twitter.com/WxqG8LGU6t
— Aiko Kempen (@x_xjochen) September 26, 2021
In der Union gab es sogar Rücktrittsforderungen an Laschet – abgesehen von rechten Stimmen wie dem ideologisch der AfD-nahen Mini-Verein “WerteUnion”. Außerdem fordert die Junge Union in Sachsen seinen Rücktritt (Quelle).
Ich wünschte, dieser Tweet wäre überflüssig. Ich wünschte, es gäbe eine Selbsterkenntnis. Nach der bedenklichen PK eben bleibt mir leider nur zu sagen: @ArminLaschet, Sie haben verloren. Bitte haben Sie Einsicht. Wenden Sie weiteren Schaden von der #CDU ab und treten Sie zurück.
— Ellen Demuth (@EllenDemuth) September 27, 2021
Laschet lenkt ein und wendet sich
Der Druck aus den eigenen Reihen ist hoch, die Wahlergebnisse der Union nicht als Regierungsauftrag zu werten, sondern als Wahlniederlage. Diese müssten schonungslos aufgearbeitet werden, heißt es dann bald auch aus der Union.
Der CDU-Vorsitzende Armin #Laschet hat den am Sonntagabend erweckten Eindruck relativiert, er erhebe trotz der Wahlniederlage der Union einen Regierungsanspruch. #btw21 https://t.co/QrOwBssAY9 pic.twitter.com/MzuNaJV36Q
— RND (@RND_de) September 27, 2021
Man stünde also für Jamaika bereit, falls die Verhandlungen für eine Ampel scheitern sollten.
Schon krass, wie #Laschet heute seinen Anspruch von gestern verdreht. Da forderte er noch: „Wir als Union haben von unseren Wählerinnen und Wählern einen klaren Auftrag erhalten. Deshalb werden wir alles daran setzen, eine Bundesregierung unter Führung der Union zu bilden"#btw21
— Tina Hassel (@TinaHassel) September 27, 2021
Spannend zu beobachten wird sein, wie sich die einzelnen Akteur:innen innerhalb der Union gegenüber Laschet positionieren werden: Halten sie ihm die Treue, bis zu theoretischen Jamaika Verhandlungen? Oder kommt man mehrheitlich in der Union vielleicht doch zum Schluss, dass man sich in der Opposition gegen die Ampel neu für die Zukunft aufstellen könnte, wohlmöglich ohne Laschet an der Spitze, den man durchaus verantwortlich für die schlechten Ergebnisse machen kann? Gespannt darf man auf die Handlungen von Akteuren wie Söder und Merz in den nächsten Tagen sein.
Markus Söder denkt und taktiert bereits für 2025. #BerlinerRunde #btw21
— Jan Böhmermann 🤨 (@janboehm) September 26, 2021
Söder plötzlich eiserner Policy-Seeker. https://t.co/RjTQUjhvt5
— Marcel Lewandowsky (@mlewandowsky) September 27, 2021
Noch ist unklar, wer Deutschlands nächster Kanzler wird.
Friedrich Merz: pic.twitter.com/4YxMypM7AP
— ZDF heute-show (@heuteshow) September 27, 2021
Die Grünen: Alles, nur nicht mit der UNION!
Für die Grünen scheint klar, dass sie in der nächsten Regierung vertreten sein werden. Auch scheint klar, dass man zusammen mit der FDP regieren wird. So sollen erste Sondierungen zunächst zwischen Grünen und FDP stattfinden.
#FDP-Chef #Lindner kündigt Vorsondierungen mit den #Grünen an. #BTW21 #Bundestagswahl https://t.co/aNtG4nRMQU
— RND (@RND_de) September 27, 2021
Anton Hofreiter kündigt Gespräche mit FDP an #AntonHofreiter #Buendnis90/DieGruenen https://t.co/VN0z7hKrL7
— StN_News (@StN_News) September 27, 2021
Jetzt könnte man lange darüber schreiben, wie weit diese beiden Parteien an welchen Punkten von Umwelt-, Steuer-, Wirtschafts-, oder Sozialpolitik auseinanderliegen und wo sie eng beieinanderstehen, das würde aber den Rahmen dieses Artikels sprengen, man kann es woanders nachlesen:
Was Grüne und FDP eint – und was sie trennt https://t.co/xTmQNj5adl #btw21 #Bundestagswahl #Bundestagswahl21
— tagesschau (@tagesschau) September 27, 2021
Fest steht, man sei von beiden Seiten gesprächsbereit. “Völlig okay” für Scholz:
“Völlig okay” – SPD-Kanzlerkandidat @OlafScholz zu Gesprächen zwischen FDP und Grünen. #btw21 pic.twitter.com/9U1v8CFan5
— Bericht aus Berlin (@ARD_BaB) September 27, 2021
Dass die Grünen und die SPD Wunschpartner sind, ist kein Geheimnis. Ein kleiner satirische Beitrag dazu:
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an
Was jedoch offen bleibt, ist, wie die Grünen sich zu einer möglichen Jamaika Koalition unter Laschet verhalten, sollten Verhandlungen zur Ampel scheitern. Die Stimmen mehren sich, ein solches Vorhaben bloß sein zu lassen. Man möchte unbedingt die Ampel. Unmut wird laut:
#Habeck schließt im Interview #Jamaika erneut nicht aus. Wenn die #Grüne|n das machen, sind sie für mich gestorben. Ich habe euch nicht gewählt, damit ihr #Laschet zum Kanzler macht. #Bundestagswahl #btw21
— Claas Gefroi (@ClaasGefroi) September 26, 2021
Jetzt mal ernsthaft: wie um alles in der Welt wollen die Grünen denn im eigenen Lager #Jamaika verkaufen?
Bei der Konstellation muss man schon wenig Interesse an den eigenen Konzepten haben, wenn man etwas anderes als die #Ampel anstrebt.— Micky Beisenherz 🍌 (@MickyBeisenherz) September 27, 2021
Ich sag es ganz deutlich: #Jamaika mit #Laschet zum Kanzler oder prinzipiell die Union in der Bundesregierung mache ich nicht mit. Das ist politischer grüner Selbstmord. Und das werden viele aus de Stammwählerschaft und den kommenden Wählerschaft so sehen. #btw21
— @EinAugenschmaus (@EinAugenschmaus) September 27, 2021
Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Von Notz weist auf die schamlosen Attacken seitens der Union während des Wahlkampfes hin und darauf, dass die Union während ihren Annäherungsversuchen so tue, als wäre das nie passiert:
Monatelang wird man von CDU und CSU als linksradikale Verbotspartei geschmäht – zwei Stunden nach dem Schließen der Wahllokale robbt die Union an die Grünen für eine #Zukunftskoalition ran. Was für Leute… 🤷♂️ #btw21
— Konstantin v. Notz (@KonstantinNotz) September 26, 2021
Aus dem Süden Deutschlands meldet sich BW Ministerpräsident Kretschmann zu Wort, der keine Ampel, sondern eine Jamaika Koalition favorisiert.
Während viele #Grüne sich inhaltlich näher bei der SPD sehen, hat Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried #Kretschmann eine andere Präferenz. Der Grünen-Politiker favorisiert eine #Jamaika-Koalition unter Führung der Union.https://t.co/780nXuyEEc
— RND (@RND_de) September 27, 2021
Ein alter Tweet von CDU Generalsekretär Paul Ziemiak vom Januar zeigt, warum viele Grüne wenig Lust darauf haben, die Union zum Kanzleramt zu helfen.
Schlecht gealtert. pic.twitter.com/RtwB8APuGE
— Daniel Mühlenfeld 😷 (@muehlenfeld) September 26, 2021
In einem aktuellen Statement spricht Habeck davon, nicht in “Lagern” zu denken. Man könne es dann gleich sein lassen. Eine Ansage an die FDP.
"Es muss etwas Neues entstehen." – Grünen-Chef Robert Habeck über das Ende der politischen Lager und eine mögliche Ampel-Koalition. #btw21 pic.twitter.com/m3xPut9Pyb
— Bericht aus Berlin (@ARD_BaB) September 27, 2021
Neuesten Meldungen zu Folge, sollen die Grünen sich darauf geeinigt haben, Robert Habeck bei einer Regierungsbeteiligung zum Vizekanzler zu machen:
Nach dem enttäuschenden Ergebnis der #Grünen bei der #Bundestagswahl verschiebt sich das Kräfteverhältnis bei der Partei: Wird sie Teil der nächsten Bundesregierung, will sie Robert #Habeck zum Vizekanzler machen. https://t.co/XleDbwm2Jj #btw21
— Frankfurter Allgemeine (@faznet) September 27, 2021
Die FDP: Verkauft sich teuer und zockt
Letztendlich liegt vieles in den Händen der FDP, da SPD und Grüne relativ einfach ein Bündnis schmieden könnten. So sind es die freien Demokraten, die überzeugt werden müssen. Entsprechend tritt die FDP mit breiter Brust auf:
Nach der Bundestagswahl: Die FDP dreht an der Preisschraube https://t.co/D2clmA0ugE #btw21 #Bundestagswahl #Bundestagswahl21 #FDP
— tagesschau (@tagesschau) September 27, 2021
In mehreren Statements von führenden FDP Funktionären wie Johannes Vogel, Volker Wissing oder Marie-Agnes Strack-Zimmermann werden die Ansprüche der FDP nochmals untermauert:
Im Wahlkampf wurde zu wenig über die Megatrends Dekarbonisierung, Demografie & Digitalisierung gesprochen. Jetzt ist die Aufgabe, eine Modernisierungskoalition zu schmieden. FDP & Grüne kommen aus unterschiedlichen Richtungen, sie eint aber der Zukunftswille! @tagesthemen pic.twitter.com/UDLhL5101S
— Johannes Vogel (@johannesvogel) September 27, 2021
"Das sind Hürden, über die man reden muss" – FDP-Generalsekretär @Wissing über Gespräche mit den Grünen. #btw21 pic.twitter.com/aciL7RIG4V
— Bericht aus Berlin (@ARD_BaB) September 27, 2021
Die @fdp geht mit großem Selbstvertrauen in die Koalitionsverhandlungen. FDP-Politikerin @MAStrackZi verlangt im t-online-Wahlstudio von Union & SPD Zugeständnisse und merkt an: "So langsam kommt Kevin Kühnert hinter der Kulisse her und zeigt sein wahres Gesicht." pic.twitter.com/y8VRpMmezO
— t-online (@tonline) September 27, 2021
Die FDP macht also klar, dass sie viele Zugeständnisse erwartet, wahrscheinlich auch die entsprechenden Ministerien, wie zum Beispiel das Finanzministerium, als Preisschild für ein Bündnis. Die FDP sollte bei ihrem Pokern nur nicht vergessen, dass auch die Grünen ein ähnliches Verhalten an den Tag legen könnten: Egal in welcher Konstellation, die FDP kann ohne die Grünen ebenfalls keine Regierung bilden, einige Stimmen warnen die FDP davor, so zu tun, als sei dies ein Alleinstellungsmerkmal, um in Verhandlungen aufzutrumpfen.
Hier ein nicht ganz ernst gemeinter Vorschlag, wo sich alle 3 Parteien in einer Ampel treffen könnten:
Mein vorsichtiger Blick in die Glaskugel: Es wird ne Ampel. SPD kriegt 12 € Mindestlohn, die Grünen ein Klimaprogramm, die FDP eine Steuerreform, die die sogenannten Leistungsträger (Reiche) entlastet. Und am Ende wird Gras legalisiert, weil es 1, 2 Milliarden bringt. #btw21
— Simon Poelchau (@SimonPoelchau) September 27, 2021
Und die SPD? Hat alle Trümpfe in der Hand – Wartet auf Ampel
Die SPD bleibt ruhig, genießt ihr Ergebnis, lässt FDP und Grüne erstmal sondieren und schließt explizit eine erneute Regierung mit der Union aus:
https://twitter.com/KuehniKev/status/1442157392595128322
"Niemand will Armin Laschet als Kanzler" – SPD-Generalsekretär @larsklingbeil schließt Sondierungsgespräche mit der Union aus. #btw21 pic.twitter.com/vQij0dHGkp
— Bericht aus Berlin (@ARD_BaB) September 27, 2021
Fazit: Es kommt jetzt auf FDP und Grüne an
Nach all den harten Wahlkampfmonaten, ist der Wahlkampf nun rum. Die Ergebnisse liegen vor. Alle Augen sind nun auf die FDP und die Grünen gerichtet, die erste Gespräche miteinander führen.
Ein weiteres “Es ist besser nicht zu regieren, als falsch zu regieren”, wird Herr Lindner nur sehr schwer verkaufen können. Die Sorte “harter Hund” wird gerade nicht gebraucht, sondern eher Brückenbauer, die das Lagerdenken, tatsächlich auch mal weg lassen können.
Ab dieser Woche auf allen Kanälen:#btw21 pic.twitter.com/75FvAj7Lv5
— extra3 (@extra3) September 27, 2021
Bei den Verhandlungen wollen natürlich alle Parteien etwas für sich und ihre Anhängerschaft herausholen, entsprechend tritt man auf. Doch die Akteur:innen sollten nun vor allem die Interessen der Bürger:innen vertreten und nicht all zu sehr in Lagerdenken verfangen.
Die Stimmung scheint eine Wendestimmung zu sein: Für eine Regierung ohne die Union.
Artikelbild: Julian Stratenschulte/dpa
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