Die fanatische Ideologie der WELT-Redakteure ist letzte Woche wieder deutlich zum Vorschein gekommen: Da wurde der Abbau eines stillgelegten AKW in Gundremmingen ernsthaft mit der Sprengung von Buddha-Statuen durch die Taliban verglichen. Es sagt viel über die ideologischen Klimawandel-Verharmloser der rechten Zeitungen aus. Denn was dort später entstehen wird, ist in Wahrheit viel wichtiger.
Kommen ein Pfarrer und ein Redakteur in eine Kneipe. Sagt der Pfarrer: „Boah, diese Windräder, die sind so hässlich!“ „Und sündhaft teuer auch“, erwidert der Redakteur, „die ganze Landschaft verschandeln die“. „Richtig, die arme Landschaft, es ist eine Schande!“, ergänzt der Pfarrer. „Was machst du eigentlich morgen?“ „Oh, da werde ich ganz Deutschland damit vollweinen, dass der Abriss 160 Meter hoher Kühltürme ein barbarischer Akt religiösen Wahns ist“, antwortet der Redakteur (die sind nur 3 Meter kleiner als der höchste Kirchturm der Welt).
Diese Pointe wäre weniger traurig, wenn der Welt- „Chefreporter Wissenschaft“ diesen Witz nicht im echten Leben nachstellte, indem er sich hier zur wahnhaften Aussage versteigt, die Sprengung der Kühltürme des AKW Gundremmingen hätte etwas mit der Sprengung von Buddha-Statuen in Afghanistan gemein. Laut seines wirren Textes, in dem er mal wieder versucht, gegen den globalen Trend der Energiewende anzurennen, fußt sein Vergleich aber nicht auf der Religion, sondern auf dem Umstand, dass auch hier ein Zeichen gesetzt würde, das Weltanschauung gegen „Geschichte und Kompetenz“ setzte.
In Gundremmingen zerstöre man „nicht nur Bauteile“, sondern nicht weniger als ein Zeugnis von Hochkultur. Das geschehe ganz im Gegensatz zum österreichischen AKW Zwentendorf, das nicht so „hektisch“ gesprengt wurde wie das deutsche, sondern für Schulungen und Führungen genutzt würde.
Daran ist so vieles unfreiwillig witzig
Zunächst mal wurden in Österreich keine Kühltürme gesprengt, weil das AKW Zwentendorf schlicht gar keine hatte. Der Siedewasserreaktor war so konzipiert, dass er direkt das Wasser der Donau zur Kühlung hätte nutzen können. Die nicht existierenden Kühltürme wurden dann naheliegenderweise auch nicht gesprengt.
Die Abschaltung des Kernkraftwerks Gundremmingen fand bereits im Jahr 2021 statt. Dass Teile der Welt-Redaktion einen 4 Jahre (!) später erfolgenden Abriss zu „hektisch“ finden, klingt so, als müsse irgendwer regelmäßig im Büro von Herrn Bojanowski vorbeischauen und ihn aufwecken, damit er nicht das Weltgeschehen verschläft.
Wenn die Redaktion der Welt jetzt schon Denkmalschutz für schnöde Kühltürme fordert, weil sie ach so hochkulturig daherkommen, was dürfen wir dann überhaupt noch abreißen? Das ist ja nicht mal eine Maschine im eigentlichen Sinn. Wäre Deutschland in der Wunschwelt von Axel Bojanowski bald ein Land voller nicht abgerissener, aber unbenutzbarer Autobahnbrücken, ausrangierter Binnenhäfen voller zerbeulter Schiffswracks und halb eingestürzter Bürotürme? Wir können das ja nicht einfach alles abreißen, denkt hier auch mal jemand an die Hochkultur?!
Dürfen wir dann auch Windräder nicht mehr abbauen?
Ja doch, können wir und machen wir ja auch. Nicht nur in Deutschland, sondern in allen Ländern, weil es ziemlich unpraktisch und auch unsicher wäre, alle alten Strukturen einfach vor sich hin modernd stehen zu lassen. Dass wir diese wunderbar nützlichen, aber selten ästhetisch ansprechenden Strukturen nach ihrer Lebensdauer irgendwann abreißen, hat also vornehmlich praktische und damit ganz andere Gründe als der Umstand, wegen dem die Buddha-Statuen von Bamiyan immer wieder Ziele von Attacken waren.
Laut Bojanowskis Logik dürften wir übrigens auch unsere Windkraftanlagen nicht mehr abreißen, denn die sind im Vergleich zu einem passiv funktionierenden Kühlturm tatsächlich Wunderwerke der Technik: Wir montieren 170 Tonnen schwere Rotorblätter an die Seite 150 Meter hoher, filigraner Stahltürme, deren Enden sich bei starken Winden mit 300 km/h durch die Luft bewegen und 20 bis 25 Jahre halten. Dass die Anlage nicht aufgrund der enormen Kräfte komplett auseinanderfliegt, ist nur dank moderner Werkstoffe und einer Menge Grips möglich.
Erfundene und längst widerlegte Fantasiezahlen bei WELT
Dennoch vermute ich mal, dass der Vorschlag, sie alle als Zeugnis der Hochkultur für immer stehen zu lassen, gerade in der Welt-Redaktion zur spontanen Bildung von Mobs mit Fackeln und gewalttätigen Ausschreitungen in den Büroräumen führen würde. Windkraftanlagen sind halt die falsche Hochkultur.
Gegen diese macht der Autor nämlich im gleichen Atemzug, in dem er Kühltürme beweint, wie gewohnt Stimmung. Er nutzt schlecht erfundene und längst widerlegte Fantasiezahlen für die Kosten der Erneuerbaren, indem er sich auf die berühmt gewordenen Zahlen von Jan Emblemsvåg stützt, der in einem hochnotpeinlichen Artikel Investitionen und Zuschüsse für dieselben Investitionen als Kosten zusammengerechnet hat.
Die deutsche Forschungsszene hat das unterhaltsam zusammengefasst mit: „Nehmen wir an, ein Student kauft sich ein Auto und zahlt dafür monatliche Raten in Höhe von 300 Euro. Die Eltern unterstützen den Autokauf des Studenten mit 200 Euro im Monat. Emblemsvågs Logik folgend kostet das Auto nun monatlich 500 Euro.“ Bojanowski findet das offenbar trotzdem schlüssig, er verlinkt diesen Witz von einem wissenschaftlichen Aufsatz hier erneut.
Bauchgefühl statt Fakten beim rechten Ideologen
Ferner behauptet er, bei Beibehaltung der Kernenergie und Verzicht auf Wind- und Solarstrom stünde uns heute mehr CO₂-freier Strom zur Verfügung. Eine Quelle nennt er nicht für die abenteuerliche Behauptung, vermutlich weil wir letztes Jahr mit knapp 200 TWh Wind- und Solarstrom deutlich über der Rekord-Atomstromerzeugung des Jahres 2006 mit knapp 160 TWh lagen.
Ironischerweise tut dieser Text also genau das, was er Linken, Grünen, Intellektuellen, Journalisten, Lehrern und Künstlern vorwirft: Fakten durch Gefühle zu ersetzen. Anstatt zwei konkurrierende Technologien anhand von belastbaren Zahlen zu vergleichen – so wie Portale wie OurWorldInData es durchaus tun –, betreibt er Cherrypicking wie ein Vollzeitesoteriker und ignoriert krampfhaft die bereits jetzt stattfindende, weltweite Energierevolution hin zu Wind- und Solarkraft.
Dass diese weder mit Grünen noch Linken zu tun hat, verrät ein Blick nach China, wo letztes Jahr unter der nicht sonderlich linken Regierung 30-mal so viel zusätzlicher EE-Strom im Mix landete wie Atomstrom. Die von Bojanowski so sehr ersehnte Renaissance der Atomkraft bleibt vorerst aus, aber nicht, weil Linke finstere Pläne dagegen schmieden, sondern weil sie in den meisten Märkten schlicht zu teuer geworden ist.
Willkürliche Bewertung
Seine Bewertung gerät daher erwartungsgemäß willkürlich: Die Sprengung von AKW-Kühltürmen sei ein barbarischer Akt gegen die Hochkultur. Über die Sprengung von Kohlekraft-Kühltürmen verliert er hingegen kein Wort, und das, obwohl ein modernes Kohlekraftwerk rein von der Konstruktion her durchaus ein beachtliches Stück Ingenieurskunst darstellt.
Der Autor dieser Zeilen liebt übrigens alte Industrieanlagen, von Stahlwerken in Duisburg bis zu Chemiewerken in Frankfurt-Höchst, und würde sich wahnsinnig gern auch mal ein stillgelegtes AKW ansehen. Problem: Anlagen, die im Gegensatz zu Bojanowskis Positivbeispiel in Österreich schon mal in Benutzung waren, sind kontaminiert und müssen massiv entkernt werden. Die Kühltürme müssten regelmäßig überprüft und gewartet werden, weshalb sie auch im Ausland schlicht aus Kostengründen in den meisten Fällen gesprengt werden.
Gundremmingen bekommt Deutschlands größten Energiespeicher
Und dann sollte die Gemeinde selbst vielleicht auch noch ein Wörtchen mitzureden haben. Dass die Anlage, die bei Bojanowski sämtliche Logik-Schaltkreise durchbrennen lässt, nun abgerissen wird, hat nämlich auch einen rein ökonomisch sehr nachvollziehbaren Grund: Auf dem Gelände des AKW Gundremmingen entstehen nun Deutschlands größter Batteriespeicher, ein Gaskraftwerk und ein großer Solarpark. Das dürfte einfacher gehen, wenn nicht 7 Hektar der Fläche mit schattenwerfenden Kühltürmen belegt sind.
So ein Gelände eines ehemaligen AKW verfügt mit seiner Infrastruktur inklusive der dort bereits verlaufenden Hochspannungsleitungen plus Umspannwerk über ein paar zu wertvolle Strukturen, um einfach nur ein Museum daraus zu machen. Moderne Batteriespeicher können nämlich sowohl unseren Gasverbrauch senken als auch unsere Preisspitzen glätten und an windigen Tagen das Abschalten der Anlagen wegen zu hoher Überschüsse vermeiden. Davon profitieren sowohl Stromkunden als auch die Wirtschaft.
Schlussendlich ein eigentlich erfreulicher Vorgang für alle, die an günstigem Strom mehr interessiert sind als an Ideologie.
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