2.590

Warum naives Hoffen auf „Innovation“ das Klima nicht retten wird

von | Nov 21, 2019 | Aktuelles, Gastkommentar, Umwelt/Klima

Technologie allein wird uns nicht retten

von Maurice Conrad

Vor gut vier Wochen saß ich zusammen mit Bernd Ulrich und Boris Palmer auf einem Podium des Deutschlandfunk Kultur, genau genommen beim „Wortwechsel“ auf der Buchmesse. Und man wird es ahnen: Das mittlerweile omnipräsente Thema dieser Zeit, Klimaschutz, hat auch vor der Buchmesse nicht halt gemacht.

Und so sprachen wir darüber, worüber man heute eben so spricht: Klimaschutz.

Weder Boris Palmers Diskussionsstil noch sein Weltbild waren mir neu. Und doch hat mich diese Diskussion für eine ganz neue Art von Erkenntnis sensibilisiert. Während Verweise auf „Innovation“ in der Klimaschutzdebatte bisher immer nur ein Gefühl von Naivität erzeugten, war ich das erste Mal direkt mit diesem Glauben konfrontiert. Mir gegenüber saß ein Politiker, der sich wie an einen Strohhalm an die Verheißungen der Technik klammerte.

Immer genau dann, wenn Herr Ulrich oder ich konkrete Maßnahmen in Sachen Klimaschutz in den Raum stellten.



Die parareligiöse Hoffnung auf den Erlöser „Innovation“

Dass Christian Lindner diese Kassette immer wieder spielt, ist nichts neues mehr. Er spielt sie häufig ziemlich laut und unnachgiebig. Vielleicht kommt daher auch die Abgestumpftheit gegenüber diesem Schema. Aber der Streit mit Herrn Palmer hat mich zum Nachdenken gebracht.
Ich wollte verstehen, welche Ursachen ein solches Argumentationsmuster, trotz offensichtlicher Irrationalität, haben muss. Ich wollte verstehen, wie und warum durchaus intelligente Politikerinnen und Politiker sich solch naiver Argumente bedienen müssen.

Immer wieder tauchen in der Debatte um Klimaschutz genau diese ominösen parareligiösen Innovationen auf, die uns eines Tages retten werden, wenn man nur endlich in sie investieren würde. Dieser naive Glaube hat einen ernsten Hintergrund und ist ein Ausdruck unserer politischen Lagerbildung sowie der Unfähigkeit eigene Widersprüche als solche offen zu erkennen, geschweige denn anzusprechen.

Weshalb ein Christian Lindner, Boris Palmer oder diverse Vertreterinnen und Vertreter der CDU vehement und nahezu unbelehrbar von magischen Innovationen sprechen, ist eine psychologisch wie gesellschaftlich interessante Frage.

Innovation & Reduktion

Vorneweg: In dieser Analyse soll es nicht darum gehen, Innovation zu verteufeln. Innovation spielt bei der Lösung der Klimakrise sogar eine ganz existentielle Rolle. Dennoch aber ist sie keine magische Wunderwaffe sondern bleibt immer der technischen Machbarkeit unterworfen.

Sie darf niemals zur Handlungsalternative werden. Wie aber kommen Politikerinnen und Politiker in den Glauben, dass uns eine eine, nie ganz definierbare, Innovation wie eine magische Gottheit retten wird, bevor die Kippunkte der globalen Erderwärmung erreicht werden?

Es ist kein Geheimnis, dass, unter vernünftiger Betrachtung der Tatsachen, eine massive Reduktion unserer Treibhausgasemissionen von Nöten ist, um die unterschriebenen Ziele von Paris auch nur zu touchieren. Das Zeitfenster hingegen ist klein wie präzise.

Betrachtet man also die verschiedenen Sektoren unserer weltweiten Treibhausgasemissionen, betrachtet man Verkehr, Ernährung, Energie und ausschlaggebende Produktionsprozesse und setzt die derzeitige Zunahme der Emissionen in Kontrast zu diesem Zeitfenster sowie dem Restbudget an Treibhausgasemissionen der Welt oder der Bundesrepublik, stellt man relativ schnell fest: es sieht alles andere als gut aus.

Ein „Jahr der Emissionswende“

Die aktuelle Entwicklung zeigt nicht mal im Ansatz Richtung der nötigen Kurve, die eine Einhaltung der Pariser Klimaziele fordert. Sie zeigt in die komplett gegensätzliche Richtung. Aktuell emittiert Deutschland pro Jahr etwas mehr als 850 Millionen t Treibhausgasemissionen. Tendenz steigend. Um die Pariser Klimaziele zu erreichen, müsste es ein „Jahr der Emissionswende“ geben. Dieses Jahr ist das solche, in dem ein sichtbarer Knick des Graphs der Emissionen, tendierend zur X-Achse, sichtbar wird.

Je länger wir dieses Jahr aufschieben, desto härter ist dann logischerweise der Knick. Dieser mathematischen Logik ist heutzutage jeder 16-Jährigen mit groben Kenntnissen des Integrierens fähig. Umso bedauerlicher ist die Tatsache, dass sie hochrangigen Politikern noch unbekannt oder schlicht egal zu sein scheint.

Möchten wir als Bundesrepublik also beispielsweise unser Restbudget von 7,3 Gigatonnen CO2-Äquivalente einhalten, kommen wir um einen ziemlich deutlichen Knick dieser Emissionskurve nicht herum. Und beim aktuellen Stand der Forschung und Technik ist dieser Knick, wie bereits angeführt, nicht mal mit einer ordentlichen Portion Phantasie in Sicht. Es ist schlicht utopisch anzunehmen, dass bei aktuell forcierten Maßnahmen sowie der wirtschaftlichen und technologischen Situation der ausschlaggebenden Sektoren in der Bundesrepublik ein solcher
Knick in der Kurve auch nur in Reichweite wäre. Weder 2020 noch 2025.

Wir brauchen den „Knick“, sonst ist Paris unmöglich

Diese Erkenntnis mag bitter sein, sie entspricht aber der Realität. Und wendet man grundlegende Kenntnisse der Logik an, wird eine weitere Erkenntnis offensichtlich: Wenn wir unsere Klimaziele trotzdem erreichen möchten, müssen wir abseits eines „smoothen Wandels“ diesen Knick erzeugen. Nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Doch wie ließe sich dieser harte Knick erreichen? Eine so schnelle und harte Reduktion der Treibhausgasemissionen ist sicherlich nicht zu erreichen, indem man darauf hofft, dass Wirtschaft und Gesellschaft auf einmal ganz plötzlich anfangen, Treibhausgasemissionen zu sparen.

Wenn die notwendige Entwicklung also nicht von alleine kommt, benötigt es eine ungekannt ambitionierten Klimapolitik. Eine Klimapolitik, die genau vor Augen hat, was auf dem Spiel steht. Letztlich bedeutet es auch, im ersten Moment im Zweifel auf Dinge verzichten zu müssen. Nicht weil die Klimaschützerinnen und Klimaschützer dieser Welt das gut fänden sondern weil es rechnerisch nun mal nicht anders geht. Dafür ist der nötige Knick einfach zu hart. Dass Innovation im selben Atemzug auch klimafreundliche Produktion fördern muss, steht außer Frage. Im ersten Augenblick hat die harte Reduktion der Treibhausgasemissionen aber Priorität.

Die Einhaltung der Pariser Klimaziele ist für den Erhalt unserer wirtschaftlichen Ordnung und unseres Wohlstandes zu wichtig, um sie gegen akute und impulsive Interessen zu tauschen. Und wenn diese einen radikalen Wandel unseres Lebensstandard bedeutet, dann ist das so.

Dieser „Verzicht“ bedeutet nicht, dass wir alle in einem klimaneutralen Erdloch wohnen müssen aber eben doch, dass es erstmal nicht ganz so weitergehen kann wie bisher.

Wie die Politik mit diesem Fakt umgeht

Der politisch informierte Mensch, gleich welcher politischen Coleur, stellt diese Tatsache nun unbewusst oder bewusst fest. Die reine Feststellung einer Tatsache geht aber nicht zwangsläufig mit ihrer Kommunikation einher. Ganz im Gegenteil: Große Teile des politischen Spektrums
kommen in einen ganz elementaren Konflikt: Die notwendigen Maßnahmen für diese ambitionierte Klimapolitik sind schlicht nicht vereinbar mit ihrem politischem Selbstverständnis.

Es handelt sich um Maßnahmen, die unter dem Anspruch, die Ziele von Paris zu erreichen zwar alternativlos wären, dem eigenen politischen Kompass aber vermeintlich widersprechen und die Angst erzeugen, in der politischen Bedeutungslosigkeit zu versinken, weil das eigene politische Profil nicht mehr bespielt werden könnte. Der Politiker oder die Politikerin stellt also fest, dass er die nüchterne Erkenntnis über die Wirklichkeit nicht so kommunizieren kann, wie sie sich tatsächlich darstellt.

Schlicht, weil er dann in einer anderen politischen Ecke verortet werden würde, als er oder sie strategisch wie persönlich wünscht. Die Person stellt weiter fest, dass das, was nötig wäre um das eigentlich gute und unterstützenswerte Ziel, die Einhaltung von Paris, zu erreichen, dem eigenenSelbstverständnis, der eigenen Definition von politischen Werten auf eine substanzielle Weise widerspricht. Dieser innere Konflikt ist eine kognitive Dissonanz, aus der die Person psychologisch gerne entfliehen möchte. Unterliegt der- oder diejenige einem solchen innerlichen Konflikt, hat er bzw. sie im Prinzip drei Möglichkeiten:

Die drei Optionen, wie Politiker*innen damit umgehen können

1. Die Person spricht die wissenschaftlich und rechnerisch notwendigen Maßnahmen offen an und gibt zu, dass sie die einzig plausible und evidente Lösung darstellen. Auch dann, wenn sie dem eigene politischen Selbstverständnis zu widersprechen scheinen.

2. Die Person sagt offen, dass die Einhaltung der Pariser Klimaziele in ihrer Umsetzung nicht mehr mit dem eigenen Selbstverständnis von Politik kompatibel ist und man deshalb die Pariser Klimaziele nicht einhalten kann.

3. Die Person erfindet eine rettende Insel, ein externes Narrativ, welches in Funktion eines religiösen Erlösers von außen dafür sorgt, dass die eigenen Weltvorstellung nicht mehr mit der Realität kollidiert, da dieses auf magische Weise den benannten Konflikt beseitigt.

Dieses externe Narrativ ist, psychologisch gesehen, eine Art religiöses Konstrukt, dass so unwahrscheinlich und unlogisch das Eintreffen von selbigem und sein mag, den Gläubigen vor dem Konflikt schützt, dem er sonst unterlegen wäre.

Die Varianten 1 und 2 sind nicht realistisch.

Beide stellen sowohl ein Eingeständnis dar, als auch dass sie für Personen des öffentlichen Lebens ein Zeichen von Schwäche offenbaren würden. Mit den heutigen Anforderungen an mediale Vermarktung von Politikerinnen und Politikern ist eine offene und ideologiefreie Nennung der Tatsachen nicht immer kompatibel. Zu groß sind die eigenen Erwartungen, politisch nicht falsch zugeordnet zu werden. Im Fall eines selbsternannten „Liberalen“ bedeutet das im Zweifelsfall, dass Autobahnrasen verteidigt werden muss, so logisch die Argumentation für ein Tempolimit und so dünn die Gegenargumentation auch sein mögen.

Die zweite Variante, eine offene Kommunikation, dass die Pariser Klimaziele in letzter Konsequenz nicht mit dem eigenen politischen Verständnis vereinbar sind, wäre sicherlich ehrlich, scheidet aber ebenso aus. Zu gering wäre ihre Resonanz. Sie würde zwar die eigene Ideologie offen als widersprüchlich und suboptimal kommunizieren, die Sinnhaftigkeit der selben aber ebenso offen anprangern. Die Einhaltung der Pariser Klimaziele steht ja, so politischer Konsens unter den demokratischen Parteien, eigentlich nicht zur Debatte.

Insofern bleibt nur noch Variante 3: Die Erfindung einer rettenden Insel.

In der politischen Debatte um Klimaschutzmaßnahmen ist diese rettende Insel die „Innovation“. Die Irrationalität des ganzen wird spätesten dann klar, wenn die Innovations-Karte immer dann gezogen wird, wenn realpolitisch keine Antworten mehr existieren, wie stattdessen
Treibhausgasemissionen im nötigen Umfang (7,3 Gigatonnen) zu reduzieren wären. Der geneigte Politiker diskutiert also z.B. vehement gegen eine einzelne notwendige Klimaschutzmaßnahme.

Die Argumente können freiheitlicher, finanzieller oder prinzipieller Natur sein. In sich ist die Argumentation geschlossen und folgt dem eigenen politischen Selbstverständnis. Das Problem an ihrer Geschlossenheit: Sie klärt nur die Ablehnung einer notwendigen Maßnahme. Was sie nicht klärt, ist die Frage an welchem Hebel alternativ gezogen würde. Diese Form der Argumentation mag unsachlich und populistisch klingen, sie ist aber erstmal legitim. Spätestens wenn aber die ungeklärte Frage nach realistischen Alternativen im Raum steht, muss eine Antwort her. Und dann bleibt nur noch Variante 3: Das parareligiöse Narrativ einer erlösenden Innovation.

Das parareligiöse Narrativ einer erlösenden Innovation

Dass viele Politikerinnen und Politiker in der Debatte um Klimaschutzmaßnahmen wie zu einem letzten Strohhalm auf dieses irreale religiöse Konstrukt zurückgreifen müssen, ist verständlich wie logisch. Unter realistischer Betrachtung der Tatsachen wird ihnen vorgeführt, dass das eigene politische Selbstverständnis nicht kompatibel mit den Zielen von Paris ist. Das zuzugeben ist, wie gesagt, keine Option. Dieses Verhalten ist also psychologisch sowohl verständlich wie auch menschlich.

Es ist das Ergebnis eines psychologischen Konfliktes von Berufspolitikerinnen und Berufspolitikern. Dabei muss klar sein, dass die betroffenen Politikerinnen und Politikern selbstverständlich die Ziele von Paris als solche gut finden und als solche unterstützen. Anders würde auch keine kognitive Dissonanz ihres Selbstverständnisses entstehen. Eben, weil die betroffenen Personen eigentlichen hinter den Zielen stehen, wird die oft bittere Erkenntnis, dass ihre tatsächliche Einhaltung Maßnahmen fordert, die nicht mit dem eigenen politischen Verständnis
vereinbar sind, zum Konflikt.

Wieso die Liberalität an der Klimakrise scheitert

Das genannte politische Selbstverständnis kann z.B. der Begriff der „Liberalität“ sein. In der ständigen Angst vor politischer Bedeutungslosigkeit, wird vermeintliche „Liberalität“ als so substanziell für die eigene politische Wahrnehmung eingeschätzt, dass Positionen, so wissenschaftlich notwenig sie auch sein mögen, aus eben jenem psychologischen Konflikt heraus nicht benannt und dementsprechend nur abgelehnt werden können. Die einzige Lösung aus diese Konflikt ist die Innovation.

Sie schafft die Konflikte ab, denen die Wirklichkeit unterliegt. Die Innovation würde in diesem Fall, wenn man sie nur richtig fördern würde, all diejenigen Probleme lösen, vor deren effektiven Lösung sich der Politiker oder die Politikerin eigentlich fürchtet. Im Grunde ist die „Innovation“ in diesem Fall aus etymologischer Sicht eine religiöse Erlöserfigur, die vor der tatsächlichen Lösung komplexer Probleme schützt indem sie paradiesische Zustände schafft.

Menschen nur in Sicherheit wiegen

Im Fall der Klimakrise geht es also letztlich häufig nicht darum, echte Lösungen zur Einhaltung der Pariser Klimaziele zu finden sondern darum, Menschen in Sicherheit zu wiegen, dass das eigene politische Selbstverständnis nicht ins Wanken gerät. Dass die dafür erzeugten Hoffnungen teils völlig unrealistisch sind, ist zweitrangig. Solange die eigene politische Ideologie bestehen bleibt, ist die Welt in Ordnung. Die Überschneidungen zu religiösen Lehren sind dabei bitter wie wahr.

Die Lösung dieser Konflikte muss also sein, dass wir beginnen, Klimaschutzmaßnahmen ideologiefrei und abseits jeder politischen Ecke zu betrachten. Ein Liberaler ist nicht weniger liberal, weil er anerkennt dass eine Einhaltung der Klimaziele ohne Verbote nicht umsetzbar ist. Das macht ihn nicht zum Autokraten sondern schlimmstenfalls zu einem ernst zunehmenden Politiker. So lange wir diese Erkenntnis nicht gewinnen, wird sich die Debatte um die notwendigen Maßnahmen immer an politischen Selbstverständnissen und irrationalen Ängsten von Politikerinnen und Politikern aufhängen.

Die Angst, Wohlstand zu verlieren

Doch tatsächlich gibt es noch eine andere Form der Innovation, die wir anvisieren müssen. Schaut man sich die Gründe für das zaghafte Versagen unserer Politik im Klimaschutz an, kommt man recht schnell auf die Frage, warum wir eigentlich so viel Angst vor der notwendigen Veränderung haben. Und dabei stoßen wir auf die größte Angst und damit den vielleicht größtem Bremsfaktor im Sachen ambitionierter Klimapolitik: Die Angst, Wohlstand zu verlieren.

Es ist unser aktuelles Verständnis von Wohlstand, welches toxisch ist und der Lösung der Klimakrise im Weg steht. Fragt man die Menschen auf den Straßen dieser Republik nach dem, was für Sie Wohlstand ist, bekommt man viele Antworten: Medizinische Versorgung, ein Eigenheim, ein Auto, Reisen, das neuste Smartphone und ständig auf Höhe des Möglichen zu sein. Am Ende ist der größte Teil dieser Antworten aber auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen: Wachstum des Konsums.

Wir haben eine Gesellschaft geschaffen, die Wohlstand für den einzelnen dadurch definiert, dass der individuelle Konsum stetig wächst. Und weil Wachstum von Konsum zwangsläufig mit dem Verbrauch von Ressourcen einhergeht, ist es kein Wunder dass diese Kausalität toxisch ist. Sie kann in ihrer ganzen Grundidee niemals echt nachhaltig sein. Und vor allem kann sie die Transformation hin zu einer Nachhaltigkeit nicht in der nötigen Zeit erreichen. Sie steht sich sozusagen selbst im Weg. Denn an Ende führen die Umweltschäden durch die Klimakrise auch
dieses System in sein eigenes Paradoxon.

Auf einem zerstörten Planten gibt es weder Wirtschaft noch Wachstum

Jahrzehntelang war die Politik fest davon überzeugt, dass diese Art des Wohlstandsbegriffs tatsächlich letztlich eine bessere, gerechtere und schönere Welt erschafft. Ob das zwischenzeitlich wirklich je geklappt hat, mag zumindest bezweifelt werden, spielt aber auch keine entscheidende
Rolle. Entscheidend ist, dass spätestens die ökologische Krise dieses Model auflaufen lässt und ein neuer Wohlstandsbegriff gefunden werden muss. Das heißt nicht, alle Unternehmen zu verstaatlichen und eine stalinistische Räterepublik zu erschaffen.

Es bedeutet, die Maxime der Politik nicht mehr an ständigem Wirtschaftswachstum festzumachen, sondern an tatsächlichem Glück und Wohlbefinden der Bürgerinnen und Bürger. Hierbei müssen eine ganze Menge an Faktoren gezählt werden und wirtschaftliche Erfolge können ein Teil davon sein, aber eben nicht die Alleinigen.

Ein neues Verständnis von Wohlstand

Der Binnenstaat Bhutan hat mit der Einführung des Bruttoinlandglücks genau das getan. Die politische Maxime des kleinen Staats in Südostasien ist nicht mehr allein Wirtschaftswachstum und Konsum. Wir wissen wenig darüber, welche Erfolgskriterien im Modell Bhutan stecken, aber die Richtung könnte stimmen. Innovation ist ein treibender Faktor bei der Erarbeitung von effektiven Klimaschutzmaßnahmen.

Dennoch aber darf Innovation nicht von den notwendigen Maßnahmen ablenken oder sie gar ersetzen. Es gibt Maßnahmen, die erreicht man weder über Innovation noch über den erhobenen Zeigefinger, sondern lediglich durch mutige politische Entscheidungen. Diese Erkenntnis müssen auch diejenigen aussprechen, die sich krampfhaft an ihrem politischen Selbstverständnis festklammern.

Artikelbild: pixabay.com, CC0