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Enthüllt: Dieser interne Streit entblößt, wie die AfD wirklich denkt

von | Nov 1, 2019 | Aktuelles, Social Media

Die alternativen Wahrheiten der AfD

Wir bei Volksverpetzer schreiben fast täglich über Lügen der AfD. Seien es Falschmeldungen, reine Fake News, Dinge, die aus dem Kontext gerissen werden. Besonders beliebt: Dass demokratischen Politiker*innen irgendwelche Zitate in den Mund gelegt werden. So jüngst wieder neue über die Grünen:

Faktencheck: Rechte verbreiten wieder Fake-Zitate der Grünen

Bereits dort habe ich versucht zu erklären, dass für AfD-Wähler*innen der Wahrheitsgehalt absolut keine Rolle spielt. Dieser ist ihnen völlig egal. Und bei diesem Fundstück der Recherchegruppe #DieInsider kann ich es sehr schön beweisen. In einer Gruppe, in der ganz rechte AfD-Mitglieder gegen die „gemäßigten“ Rassisten der Partei hetzen kann man dieses Fake-Zitat und die anschließende Diskussion finden:



„Im übertragenden Sinne glaubhaft“

Für die AfD spielen nicht echte Zitate eine Rolle, sondern nur, was sich wahr anfühlt. „Also eher im übertragenen Sinne aber durchaus glaubhaft“ stellt einer fest, als er erfährt, dass es kein echtes Zitat ist. Und jemand, der sich zuerst beschwert „Das hat er nicht gesagt“ kommt nur zwei Sätze später zum Schluss: „So hat er es ungefähr gemeint!“

Die AfD argumentiert nie mit Fakten, mit echten Zitaten, mit Statistiken oder sonst etwas. Höchstens dann, wenn man durch Auslassungen und Falschdarstellungen es in ihr rechtsextremes Weltbild biegen kann. Für sie sind Fake-Zitate keine Lügen oder Propaganda, sondern nur Repräsentationen für das, was sie „fühlen“, was die Wahrheit ist. Was ihnen täglich erzählt wird.

Deswegen ist auch der Hass gegen das Nürnberger Christkind Benigna Munsi so völlig irre und dumm. Denn es geht nicht darum, dass Jesus definitiv nicht weiß oder blond war. Oder dass Munsi Christin ist oder gebürtige Nürnbergerin. Niemand interessiert sich wirklich dafür, wer denn das Nürnberger Christkind ist. Ganz ehrlich, warum denn überhaupt? Nein, sie ist nur nicht „ganz weiß“ und eine Repräsentation der rassistischen Vorstellungen dieser Menschen. Sie glauben, es gäbe immer weniger „Deutsche“ (und damit sind nur weiße, blonde Menschen gemeint), diese würden benachteiligt werden. Das ist total irre und extrem rassistisch. Aber Munsi ist nur das Symbol dafür. Auch wenn es völlig hirnlos ist, aber darum geht es nicht.

 

Rassistische Symbolpolitik

Deswegen ist es sinnlos zu versuchen, die AfD und ihre rassistischen Anhänger*innen auf dieser Ebene zu erreichen. Klar können wir darüber diskutieren, ob das Christkind blonde Haare haben soll aber.. wozu? Darum geht’s doch gar nicht. Damit spielen wir das Spiel der Symbolpolitik doch nur mit. Und nächste Woche wird es doch auch nur wieder um eine andere, nichtweiße Frau gehen. Denn es sind meistens Frauen und es sind meistens „nichtweiße“ (Das ganze Konzept von „Weißheit“ ist sowieso Schwachsinn), die für die „alten, weißen Männer“ eine Bedrohung repräsentieren.

Es wird nicht helfen, zu versuchen, diese Menschen aus dem Diskurs (oder aus dem Land) zu verdrängen. Es geht nicht um Abschiebungen, nicht um Kriminalität, nicht um Geld. Das sind alles Rechtfertigungen, die im Nachhinein kommen. Wir und viele andere haben diese ganzen Mythen unzählige Male widerlegt. Das sind sinnlose Scheindiskussionen. Und das sieht man bei Fällen wie Munsi sehr deutlich. Diese Menschen haben Abstiegsängste, obwohl es ihnen gar nicht so schlecht geht, statistisch gesehen. Sie sind sich unsicher wegen der Welt, die sich verändert und wissen nicht ihren Platz in der Welt. Hey, willkommen im 21. Jahrhundert, so geht es uns allen.

Sie haben ein Weltbild, das hierarchisch gegliedert ist (weil wir in einer Gesellschaft leben, die hierarchisch gegliedert ist) und sie glauben, dass es nur einen begrenzten Wohlstand gibt. Wenn jemand mehr hat, muss jemand anderes weniger haben. Aber sie glauben auch gleichzeitig, dass die an der Spitze ihren Wohlstand verdient haben müssen. Und da die an der Spitze meistens auch weiß und männlich sind, glauben sie, dass sie auch mehr verdient hätten als sie haben, wenn sie sich damit identifizieren können. Deswegen sind Menschen, die in ihrer Weltsicht „unter“ ihnen stehen, aber (vermeintlich) Erfolg haben so eine Bedrohung.

Daher kommt dieser Rassismus. Denn dass sie nicht mehr haben kann nur darin liegen, dass jemand ihnen etwas wegnimmt, dass dieser gleichzeitig nicht „verdient“ hat. Deswegen stört sie die extreme Ungleichheit in Deutschland nicht. Und deswegen möchten sie, dass es Menschen, denen es noch schlechter geht als ihnen geht, noch schlechter gehen sollte. Weil in dieser Weltsicht dann automatisch mehr für sie „übrig“ sein würde. Was dann wiederum gerechter wäre.

Was tun?

Das hat nichts mit Wahrheit zu tun, nichts damit, dass sie einmal zu oft „Nazi“ genannt wurden und jetzt aus Trotz AfD wählen. Wer versucht, mit ihnen auf dieser Ebene zu diskutieren, liefert sich Scheingefechte und widerlegt nicht das, was sie tief im Innern glauben. Ist diese rassistische Fake News echt oder nicht. Wir müssen ihren Rassismus definitiv nicht ernst nehmen. Und wir müssen eigentlich nicht einmal wirklich ihre Ängste dahinter ernst nehmen. Denn sie basieren auf einem Weltbild, das ebenfalls nicht mit der Realität übereinstimmt.

In gewisser Weise sollten wir sie vollkommen ignorieren. Und das ist vor allem an Liberale und Konservative gerichtet, die teilweise das hierarchische Weltbild teilen und die Vorstellung, dass manche es verdient haben, 71-mal mehr zu verdienen als ihre Angestellten. Wie DAX-Vorstände zum Beispiel. Mehr Wohlstand für alle ist möglich. Und das verstehen so viele nicht. Und das hat nichts mit Migration, mit Sicherheit oder sonst was zu tun. Ja, wir spielen alle ein riesiges Theater. Die ganze Zeit. Dabei sind die Antworten eigentlich relativ einfach. Wohlstand ist kein Nullsummenspiel. Und alle Menschen sind gleich viel wert und haben alle Wohlstand verdient. Das sind die Wahrheiten, die wir mehr kommunizieren sollten. Und weniger, ob wieder dieses oder jenes Sharepic Fake News sind.

Artikelbild: Straight 8 Photography, shutterstock.com