Haben “Linke” keinen Humor?
In rechten, aber teilweise auch konservativen Kreisen scheint es eine Binsenweisheit zu sein: Wegen dieser vermaledeiten “Political Correctness” darf man nicht einmal mehr ungestraft Witze über Minderheiten machen, die man diskriminiert. Sauerei! Diese “Linksgrünen” haben einfach keinen Humor! Das ist ganz offensichtlich die Schlussfolgerung. Rechte würden nämlich niemals die Freiheit des Einzelnen begrenzen, wenn es um Humor und Satire geht. Nicht wahr?!
Oh nein! Jacques Tilly hat bei seinem Mottowagen den vom Verfassungsschutz als “Verdachtsfall” (nicht Prüffall! Mehr dazu) eingeschätzten Führer (Höhö) des faschistischen Flügels der AfD, Bernd Höcke, als (geistiges) Kind Joseph Goebbels dargestellt?! Das dürfen Sie nicht! Sie haben misch ins Gesicht satiriert!! Dafür schicken wir jetzt (Mord-)Drohungen!
Die Kommentare dazu sehen dann so aus, wie Recherchen von #DieInsider zeigen:
Rechte Political correctness oder was jetzt
Halten wir also fest: Witze über Inter*Sex-Personen sind natürlich voll ok, “Indianer”-Kostüme zum Fasching natürlich auch, aber Bernd Höcke als Baby von Goebbels darzustellen, ist “geschmacklos” und “psychisch krank”? Der Wagenbauer, Tilly, der 2015 auch den berühmten “Charlie Hebdo”-Wagen gezeigt hatte, kriegt jetzt Morddrohungen und Anzeigen wegen Volksverhetzung. Satire darf nicht alles? Die ideologischen, rhetorischen und sogar inhaltlichen Parallelen von Höcke und Goebbels sind hingegen kein Geheimnis:
Da wirkt Tillys Wagen ja schon weniger wie eine Satire, als unangenehm realistisch. Vielleicht sind die Rechten deshalb so empört, weil jetzt das Geheimnis raus ist? Das sind übrigens auch die gleichen Leute, die gerne mal die Verschwörungstheorien verbreiten, dass Frau Merkel die Tochter Hitlers ist, also… (Mehr dazu)
NICHT EUER ERNST! Sie regen sich über einen NS-Vergleich auf, aber im nächsten Satz benutzen sie ihn selbst!! MERKT DENN VON DENEN KEINER MEHR WAS! “Nazi-Vergleiche sind ganz schlechter Stil” – Nur um im selben Bild einen Nazi-Vergleich zu machen! Diese Doppelmoral, das ist ja nicht mehr lustig!
Wir finden Nazi-Vergleiche unglaublich geschmacklos! Ihr immer mit eurer Nazi-Keule! Übrigens seid IHR die Nazis!! Oh, wow. Und warum ausgerechnet Heiko Maas? Und warum kann keiner einfach nur “Maas” schreiben? Ähnlich sehen sich die beiden nicht wirklich. Aber gut, wer den Unterschied zwischen einem Nazi und einem (Neo-)Nazi, sowie keinen Unterschied zwischen Nazi-Vergleich und einem Nazi-Vergleich sehen kann, von dem sollte man optisch nicht zu viel abverlangen.
Ok, was ist hier jetzt los?
Das war jetzt übrigens ganz viel Humor von mir. Also so auf die eingangs gestellte Frage, ob “Linke” Humor haben. Ich würde mich zwar nicht nur bedingt selbst als solcher bezeichnen, aber das spielt ja für die betreffenden keine Rolle. Ok, der ein oder andere mag jetzt sagen: Ja toll, “beide Seiten” hauen sich jetzt einfach Nazi-Vergleiche um die Ohren und jeder möchte nicht, dass über “seine Leute” Witze gemacht werden. Zwei Seiten der gleichen Medaille?
So einfach ist das nicht. Denn ich hab kein Problem, wenn Witze über mich gemacht werden. Wenn sie denn gut sind. Oder irgendwas an Substanz kritisieren. Und nicht einfach nur darauf hinauslaufen, dass ich beleidigt werden soll. Weil ich eine Brille trage (Was stimmt, und?). Oder angeblich weniger Follower habe (was nicht stimmt), wie es Ex-Pegida-Frau Festerling erfolglos probiert hat:
So hat Ex-Pegida-Frau Festerling auf unseren Artikel reagiert
Mobben und Beleidigen mag vielleicht in rechten Kreisen auch zu (Aus-)Lachen führen, hat aber nichts mit “Witz” oder gar “Satire” zu tun. Und das ist genau das, was zum Beispiel Annegret Kramp-Karrenbauer gemacht hat. Sie hat keinen Witz gemacht, sie hat diskriminierte Personen beleidigt. “Satire” ist auch nicht einfach nur ein anderes Wort für “Witz”, sondern ein Stilmittel, mit der Personen oder Zustände kritisiert werden sollen oder Missstände angeprangert werden. Meistens durch Übertreibung oder durch Sagen des Gegenteils dessen, was gemeint ist.
Rechte meinen stets alles ernst
Das Problem ist doch, dass wenn Frau Kramp-Karrenbauer sich über Inter*Sex-Personen lustig macht und sie mit “verweichlichten Männer” vergleicht, dann liegt der vermeintliche “Witz” darin, dass sie das außerhalb von Karneval auch genau so meint. Die Frau ist immerhin “Miss Homophobia” und bekannt für ihre Diskriminierung von Nicht-Cis-Personen und Nicht-Heterosexuellen.
Wenn Rechte mich als “Faschisten” bezeichnen ist das nicht witzig, weil es erstens absurd ist (An anderen Tagen bin ich für die ja “Antifa(schist)”) und zweitens ist das kein Witz, sondern ist nur als Beleidigung gedacht. Rechter “Humor” hat die Erniedrigung ihrer Opfer zum Ziel, um den inneren Zusammenhalt durch Abgrenzung zu “den anderen” zu stärken. “Die anderen”, die das Böse oder das Schlechte darstellen. Andere zu Erniedrigen und zu Diskriminieren wird von uns zu Recht kritisiert. Und dass es in einem Witz geschieht macht gar dabei keinen Unterschied.
Das hat halt nichts mit Humor zu tun. “Mobbing” zählt nicht zu “Humor”, sondern zu “Diskriminierung”. Und ich kann halt nicht desinteressiert daneben stehen, wenn Menschen, die jeden Tag Diskriminierung erfahren – Und ja, dabei unter anderem ganz im ernst als “nicht echte Männer” oder sonst was bezeichnet werden – schon wieder mit so einem Missverständnis und Verachtung angegangen werden. Egal, ob es ein “Witz” sein soll oder nicht.
Satire aber auch
Es gibt sehr sehr gute Gründe, Bernd Höcke mit Goebbels zu vergleichen. Die AfD ist keine neue NSDAP. Aber sie bedient sich der Sprache, der Ideologie (Mehr dazu) und des Rassismus der Nazis. Sie verharmlost oder verherrlicht die NSDAP. Manche Nazi-Vergleiche sind halt angemessener als andere. Und nein, nicht alle in der AfD sind faschistisch. Viele davon stören sich aber nicht an denjenigen, die das sind. Aber hey, die gab’s bei den Nazis halt auch.
21 Aussagen, die zeigen, wie rechtsradikal die AfD wirklich ist
Natürlich ist Höcke als Kind Goebbels eine Überspitzung – auch wenn es einen wahren Kritikpunkt anspricht. Das nennt sich nun mal Satire. Man mag das für überzogen halten oder nicht. Aber rechter Humor dagegen funktioniert nicht mit Nuancen oder mit Metaphern oder Überspitzungen. Für Rechte ist das, was gesagt wird, das, was gemeint wird. Das Label “Satire” ist nur ein Feigenblatt. Wenn ein Fake-Zitat von Claudia Roth verbreitet wird, wird das nämlich genau so geglaubt.
Fake-Artikel über Claudia Roth: Warum rechte Fakes keine Satire sein können
Und deshalb reagieren Rechte so empfindlich auf Tillys Rosenumzugswagen. Also abgesehen davon, dass es unglaubliche Heuchler sind. Aber für sie ist das nichts weiter als “Höcke = Goebbels”. Obwohl er ja nicht einmal gleichgesetzt wird, sondern nur als sein (geistiges) Kind dargestellt wird! Aber das ist dann halt zu viel. Deshalb müssen Morddrohungen her. Weil Rechte keinen Spaß verstehen.
Artikelbild: pixabay.com, CC0, Screenshots facebook.com