Wir haben ein Problem mit Ökofaschismus
Man hört das Wort „Ökofaschismus“ derzeit wieder häufiger, wenn es um die derzeitigen Klimademonstrationen geht. Allerdings ist es immer wieder beeindruckend, was damit gemeint werden soll und was der Begriff tatsächlich bedeutet. Bedeutungen von Begriffen können eine kuriose Eigendynamik entwickeln. Denn im Grunde ist klar: Natürlich gibt es Ökofaschismus. Die Frage ist nur: Was ist damit gemeint? Dafür müssen wir weit zurück, zu den Vorfahren der Umweltbewegung.
Wo man nun den eigentlichen Beginn des Umweltschutzes sieht, darüber kann gestritten werden. Wenn man es sehr weit auslegt, so waren es wohl die Adeligen vor einigen Jahrhunderten, die ihre Liebe zur Natur in der Romantik entdeckten: Raus in die Natur, in die Idylle. Ein Gegenpol zu den Städten, die schmutzig waren und voller Menschen, Anonymität und Kriminalität. Die Natur wurde als heilsam gesehen für die menschliche Seele – und so als schützenswert. Für solche Vorstellungen hatten Arbeiter in Städten keine Zeit, die sich um ihr Überleben kümmern mussten. Dasselbe galt aber auch für die Landbevölkerung, die Notwendigkeit über die Schönheit der Natur stellen musste.
Ökologie ist eigentlich konservativ
Denkt man daran, so ist es erstaunlich, dass die meisten mit Ökologie eher linksalternative Ideen verbinden. Denn was sich hier schon zeigte, änderte sich lange nicht: Umweltschutz war in seinen Ursprüngen ein konservatives Projekt. Nur wer es sich leisten konnte, konnte sich mit der Bewahrung der Natur befassen. Wer diesen Luxus nicht hatte, musste sie eben ausbeuten. So wird auch plausibel, warum proletarische Bewegungen Ende des 19. Jahrhunderts einen Begriff wie Umweltschutz eben nicht auf der Agenda hatten. Es ging darum, die Lebensumstände, gern auch auf Kosten der Umwelt, für Menschen zu verbessern. In bürgerlichen Kreisen dagegen etablierten sich die ersten Umweltbewegungen, die Elemente in sich trugen, die heute als reaktionär oder rechtsesoterisch bezeichnet werden.
Ein Beispiel wäre die Lebensreformbewegung, die eine Rückkehr zu einer „naturgemäßen Lebensweise“ forderte. Städtische Lebensweise mache krank, Landkommunen sollen heilsam wirken. Im Einklang mit der Natur sollte der Mensch leben. Solche Vorstellungen radikalisierten sich in völkischen Kreisen wie dem Artaman Bund, der die Lebensgrundlage des Menschen im Bauerntum sah – wo wir bei der Blut und Boden Ideologie sind. Diese betrachtet die Abstammung (das “Blut”) und den Boden, (um ihm mittels Landwirtschaft die Nahrung zu entziehen, sowie als Lebensraum). Die Nazis machten die Themen Natur, Heimat oder deutscher Wald zum Teil ihrer Ideologie, wobei zwischen Propaganda und dem faktischen Naturschutz natürlich Welten lagen.
Erst in den 60ern wurde Umweltschutz links
Erst mit der zweiten Umweltbewegung, die in den 60ern entstand, kann man linke Themen wie Bürgerrechte, Pazifismus usw. im Zusammenhang mit Umweltschutz finden. Ist man gehässig, so könnte behauptet werden, dass die Umweltbewegung immer noch konservativ gewesen wäre, da diese Bewegung vor allem in bürgerlichen Kreisen entstand, in denen existenzielle Sorgen nicht derart im Vordergrund standen und sich deswegen dem Postmateriellen zugewandt werden konnte.
So weit muss man nicht gehen. Dennoch fällt auf, wie einige Vorstellungen aus den völkischen Zeiten der Umweltbewegung auch heute Anklang in der eigentlich linksorientierten Umweltbewegung finden und dort auftauchen: Bioregionalismus wurde von einem seiner Begründer so definiert: „alles Leben, also Menschen Pflanzen und Tiere eine das Überleben sichernde Gemeinschaft bilden“. Die Parallele zum Blut und Boden ist offensichtlich. Die Tiefenökologie, nach eigener Aussage eine spirituelle, „ganzheitliche” Umwelt- und Naturphilosophie, die ein Leben im Einklang mit der Natur anstrebt, fordert im harmlosesten Fall eine nachhaltige Landwirtschaft und einen nachhaltigen ökologischen Fußabdruck. Dafür zieht man auch eine Bevölkerungsreduktion in Betracht. Arne Naess, der Begründer dieser Idee, sagte, dass „jeder Einwanderer von einem armen in ein reiches Land ökologischen Streß“ schaffe. Was das zu Ende gedacht bedeutet, muss wohl nicht weiter erläutert werden.
Der Nazi-Flügel der Grünen?
So etwas ist auch an den Grünen nicht spurlos vorbeigegangen: In den Gründungstagen hatten sie Mitglieder wie Werner Vogel, ehemaliges SA Mitglied, Baldur Springmann, selber völkischer Siedler, und andere. Heute ist dieser Flügel nicht mehr existent, hatte allerdings am Anfang durchaus einen nicht zu unterschätzenden Einfluss. Interessant ist es da, dass dieses Kapitel bei den Grünen heute kaum für Aufregung sorgt – während die dagegen verschwindend geringe Anzahl an Pädophilen in der Partei am Anfang, bis heute immer wieder Vorwürfe laut werden lässt. Es sagt natürlich viel über die aus, die den Grünen das immer wieder vorwerfen wollen – und bei anderen Punkten wie Faschisten in der Gründungsphase schweigen.
All das bedeutet natürlich nicht, dass die heutige Umweltbewegung rechts einzuordnen sei, es bedeutet, dass sich mit den eigenen Vorstellungen kritischer befasst werden sollte. Gefährlich wird es, wenn eine an sich zukunftsorientierte Bewegung sich auf regressive Grundsätze beruft, die im Kern einen gemeinsamen Nenner haben: Die Verweigerung, die Komplexität und Widersprüchlichkeit der modernen Welt anzuerkennen und sich dafür Weltanschauungsentwürfen zuzuwenden, die wissenschaftsfeindlich sind. Und das fängt schon bei Befürwortung der Homöopathie an, die nachgewiesenerweise nicht über den Placeboeffekt hinaus wirkt.
Ökofaschismus ist nicht das, was ihr denkt, dass er ist
Gleichzeitig verwundert es, dass behauptet wird, Rechte würden versuchen Themen wie Tier- oder Umweltschutz zu vereinnahmen. Sie waren leider von Anfang an dabei und manche Vorstellungen sind auch völlig kompatibel für Rechte. Heute gibt es übrigens die Neoartamanen, die Anastasia Bewegung und andere völkische Siedlergruppen, die Biolandbau betreiben, auf Handwerksmärkten handgemachte Keramik verkaufen und aussehen wie Althippies, weil sie ökologisch anmutende Textilien tragen. Allerdings mit Peace & Love wenig im Sinn haben. So ein Gedankengut gibt es nicht nur hier Mitten in Deutschland, der Attentäter von Christchurch nannte sich ebenfalls Ökofaschist – aus all den hier aufgeführten Gründen. Nicht, weil er ein “Linker” gewesen wäre.
Mit genau solchen Leuten sollte man ein Problem haben und deswegen Ökofaschismus als Problem benennen. Ebenso, wenn Ideen aus diesem in der Umweltbewegung rezipiert werden. Allerdings meinen diejenigen, die den Begriff heute verwenden, nicht das, sondern versuchen damit, Fridays for Future und Co zu diskreditieren. Wenden wir ihn doch lieber wieder so an, wie er mal gemeint war.
Quellen:
Andrea Röpke – Gefährlich Verankert Rechtsextreme Graswurzelarbeit, Strategien und neue Netzwerke in M-V
Friedrich-Wilhelm Haak – Wotans Wiederkehr – Blut- und Boden und Rasse Religion
Artikelbild: pixabay.com, CC0