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Rechtsextremer Blog ließ Privatadresse Lübckes & Drohungen in den Kommentaren stehen

von | Jun 3, 2019 | Aktuelles, Social Media

Walter lübcke tot

Kassels Regierungschef Dr. Walter Lübcke (65), CDU, wurde gestern im Garten seines Hauses tot aufgefunden. Die Todesursache war ein Kopfschuss, die genauen Umstände sind jedoch unklar. Eine Mordkommission ermittelt derzeit in alle Richtungen (Quelle). In seinem Umfeld und auch öffentlich wird viel Trauer und Entsetzen geäußert. In den rechtsextremen Facebookgruppen, die die Recherchegruppe #DieInsider beobachtet, wird allerdings hämisch gejubelt. Wir haben heute morgen darüber berichtet:

Grausam: So widerlich feiern Rechtsextreme den Mord an Lübcke

Lübcke setzte sich in der Vergangenheit für das Menschenrecht Asyl ein und verurteilte Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit. Bei einer Bürgerversammlung zu einer Erstaufnahmeeinrichtung 2015 entgegnete er empörten Zwischenrufern, die zum Teil aus dem Pegida-Umfeld stammten, Deutschland beruhe auf christlichen Werten wie der Hilfe in Not und fügte hinzu: „Wer diese Werte nicht vertritt, kann dieses Land jederzeit verlassen, wenn er nicht einverstanden ist. Das ist die Freiheit eines jeden Deutschen.“

Seit dem ist er ein beliebtes Hassobjekt der extremen Rechten. So berichtete seinerzeit ein rechtsextremer Blog ohne Impressum über jene Rede. Der Artikel bezeichnete Lübcke als „Volksverräter“. Die anscheinend nicht moderierte Kommentarspalte auf der Seite enthält das übliche Sammelsurium an Hass, Hetze und Mord- und Gewaltdrohungen. Hier ein kleiner Ausschnitt davon:



Privatadresse veröffentlicht

Was auffällt: Mehrfach wird nicht nur seine Email-Adresse veröffentlicht, mit der Aufforderung ihm zu schreiben (und es sind nachweislich viele Morddrohungen eingegangen, die zu Polizeischutz für Lübcke führten), sondern auch seine Privatadresse wird mehrfach geteilt. Teilweise sogar mit indirekten Aufforderungen.

Noch einmal: Zum jetzigen Zeitpunkt ist unklar, was passiert ist. Es gibt keinen Anzeichen für Suizid, aber wer und unter welchen Umständen Lübcke getötet hat, ist nicht bekannt. Dieser Artikel soll auch nicht unterstellen, dass der Täter hierüber die Privatadresse herausgefunden hat. Die Beiträge sind schließlich schon 3,5 Jahre alt. Diese Kommentare müssen rein gar nichts mit der Tötung zu tun haben. Doch gerade in Anbetracht dessen, dass das eine Möglichkeit ist, sollte so eine Verbreitung von Privatadressen zusammen mit Drohungen unterlassen werden. Eben damit nicht doch so ein Fall eintritt.

Nicht nur wird durch so eine Sprache die Grenzen des Sagbaren verschoben, sondern durch die systematische Entmenschlichung auch das Machbare. Und: Welchen anderen Zweck soll die Verbreitung der Privatadresse denn haben, wenn nicht, um irgendeine Form der Drohung oder Straftat zu begehen? Rechtsextreme fertigen seit Langem „Todeslisten“ an, oder verschicken reihenweise Bombendrohungen wie im Fall des „NSU 2.0“. Hass plus ein auffindbares Ziel sind eine gefährliche Mischung. Das trifft auch auf andere zu.

Jeder soll kritisiert werden können, aber das Anprangern von Leuten, erst Recht mit privaten Adressen ist ein Unding, das viel härter geahndet werden sollte. Eben weil es so gefährlich werden kann. Diese Kommentare und die Tötung Lübckes stehen vermutlich in keinem Zusammenhang, doch es ist nicht auszuschließen, dass so eine gewaltbereite Hasskultur irgendwann einmal tödlich enden könnte. Ob das beim verstorbenen Lübcke der Fall ist, muss sich erst noch zeigen. Bis jetzt gibt es noch keine Hinweise.

Update 4.6.:

Der Polizei ist der Sachverhalt bereits bekannt:

Artikelbild: Dean Drobot, shutterstock.com, Screenshot