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Winnetou-Fake: So peinlich fällt auch Söder drauf rein

von | Aug 27, 2022 | Analyse

Winnetou läuft halt jetzt im ZDF – so what?

Wenn die Twitter-Trends glühen, WELT sich empört und Unions-Spitzenpolitiker:innen sich so richtig ins Zeug legen, dann kann es nur eins bedeuten: Es wird endlich an den Lösungen für die wichtigen Themen (Klimakrise, Coronapandemie, Ukraine) gearbeitet. Ne Spaß. Während die Bevölkerung sich Sorgen macht, wie sie durch den Winter kommt, haben die Rechten und Konservativen „Wichtigeres“ zu tun. Es geht natürlich mal wieder um Cancel Culture. Diesmal soll es Winnetou erwischt haben – doch schauen wir erst einmal auf die Fakten.

Die Verfilmung des bekannten Karl May-Werkes wird bei der ARD seit 2020 schon nicht mehr ausgestrahlt, weil die Senderechte ausgelaufen sind, aber nicht erneuert wurden. Es hat also rein gar nichts mit der aktuellen, künstlich aufgeblasenen Debatte (um zwei Kinderbücher) zu tun. Stattdessen hat sich das ZDF nun die Senderechte gesichert. Der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk (ÖR) strahlt also weiterhin “Winnetou” aus. Nur eben im ZDF statt ARD.  

Eigentlich müssten die, die sonst immer fordern, dass der ÖR Geld sparen sollte, jetzt jubeln. Immerhin wäre es reine Geldverschwendung, wenn zwei Sender gleichzeitig Senderechte am selben Film einkaufen. Aber ihnen geht es nicht um konstruktive Kritik, sondern um Hetze und Zerstörung von Diskursen, mit allen Mitteln. 

Jeder seriösen Redaktion wäre der Fake aufgefallen

Obwohl das leicht mit ein paar Google Abfragen nachvollziehbar ist und sogar das ARD-Presseteam darauf hingewiesen hat, verbreiten BILD und WELT weiterhin die Falschmeldung, dass die ARD Entscheidung mit der aktuellen Debatte um Winnetou zusammenhänge. So steht immer noch auf BILD.de der komplett falsche Satz: “Winnetou ist auch bei den Öffentlich-Rechtlichen erst mal abgemeldet!”. Tatsächlich muss man, wie gesagt, einfach nur den Kanal wechseln, um Winnetou zu schauen.

Quelle: Screenshot bild.de

Dass das ganze überhaupt kein Skandal ist, weil ZDF die Filme weiterhin zeigt, erfährt man nur ganz kleinlaut am untersten Ende des Artikels. Die meisten Leser:innen (und auch Markus Söder?!) lasen aber vermutlich nur die große, reißerische Aufmachung mit Überschrift und Titelbild:

Quelle: Screenshot bild.de

Und auch WELT ist sich natürlich für keine Meldung samt irreführendem Zitat zu schade, solange es das eigene Narrativ bedient:

Leser:innen des Volksverpetzers sollte das nicht überraschen: Für beide Medien spielen in vielen Situationen Fakten keinerlei Rolle mehr, Berichte zu bestimmten Themen wie Gender oder Corona unterscheiden sich kaum noch von faktenfernen Fake-News Schleudern wie Reitschuster, Russia Today und Co. Das sollte man als führender Politiker eigentlich wissen und nicht darauf hereinfallen. Nur der bayrische Ministerpräsident (!) Markus Söder hat das offenbar nicht verstanden, er teilt den falschen Tweet der BILD-Zeitung. Nochmal: Es gibt beim ÖR keinen “Schlussstrich”, der Film hat einfach den Sender gewechselt. 

Schon irgendwie peinlich, wie ein führender Politiker hier offenbar nicht versteht, dass WELT und BILD keine seriösen Quellen sind, gerade bei von rechts “aufgeladenen” Themen.

Auch bei der Ravensburg-Debatte geht es nicht um Karl May

Ein wichtiges Detail ging auch bei der zuvor geführten Debatte um den Ravensburger Verlag etwas unter: Die ganze Diskussion drehte sich zu keinem Zeitpunkt um die Originale von Karl May. Sondern um Bücher zu einem neuen Kinofilm namens: “Der Junge Häutpling Winnetou”, welcher im August in die Kinos kam. Die Kritiken für den Film sind bisher vernichtend, er ist offenbar schlicht und ergreifend ein schlechter Film (auch mal ganz abgesehen von rassistischen Stereotypen darin). Auf Google erhält er nur 51% positive Bewertungen. Filmstarts.de vergibt 2.5 Sterne.

Dazu hatte Ravensburg nun ein Buch herausgegeben, welches ähnlich wie der Film von vielen Seiten kritisiert wurde. Ravensburg bezeichnete die Veröffentlichung schließlich als Fehler und zog sie zurück.

Es ist ja durchaus eine berechtigte Frage, warum die Winnetou-Reihe eine unreflektierte “Fortsetzung” braucht. Karl May war vor dem Verfassen seiner Bücher nie in den USA, er hat seine Geschichten frei erfunden ohne viele Kenntnisse über die Geschichte und Kulturen der Native Americans. Es ist eine Fantasy Geschichte, die vorgibt, einen realen Bezug zu haben. Außerdem war er beeinflusst von den rassistischen Vorurteilen seiner Zeit, wenn er auch einer der eher progressiven Autor:innen damals war. Seine Bücher enthalten auch im Bezug auf Antisemitismus schwierige Zeilen und Hitler und Himmler waren Fans seiner Bücher. Dabei sollte man auch beachten: Es wird ja nur höchst selten gefordert die Bücher komplett zu verbieten. In ihrem historischen Kontext sind sie eben ein Teil der deutschen Literaturgeschichte. In der aktuellen Debatte geht es aber um die Fortsetzung, die leider die buchstäblich 100 Jahre alten Fehler von May in seiner Darstellung von Native Americans eben nicht korrigiert.

Putin lacht sich ins Fäustchen über Winnetou-Debatte

Die meisten Menschen, die sich aktuell über die „böse Cancel Culture“ aufregen, sind sich vermutlich dieser Möglichkeit der differenzierten Auseinandersetzung überhaupt nicht bewusst. Diese Debatte ohne Faktengrundlage zu führen ist aber komplett sinnlose Zeitverschwendung. Der Axel Springer Verlag füllt damit Debattenräume, die wir eigentlich für viel viel wichtigere Themen brauchen würden. Wir steuern auf eine Energiekrise epischen Ausmaßes zu, die von einem irren Diktator orchestriert wird, der anderen Ländern die demokratische Selbstverwaltung absprechen möchte und dafür über Leichen geht. Irgendwie bedrohlicher und wichtiger als Pseudo-Debatten, die mit Blick auf die Fakten die Aufregung zu 0% Wert sind. Wir haben besseres zu tun.