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4 Gründe, warum das ewige Gleichsetzen von Linken und AfD Unsinn ist

von | Nov 1, 2019 | Analyse, Politik

Gut Zuhören, liebe CDU!

Nach der Wahl in Thüringen sind die Mehrheitsverhältnisse unklar. Während immer noch nicht klar ist, ob die FDP überhaupt in den Landtag kommt, ist auch das Ringen um die Regierung kompliziert. Am Anfang sah es noch so aus, als würde CDU-Landeschef Mike Mohring für eine Koalition zwischen Linken und CDU offen sein.

Doch nachdem die Bundespartei sich nicht bereit erklärte, diese Regierungsverantwortung zu übernehmen, platzte diese wohl stabilste, aber dennoch demokratisch hochinteressante Koalition. Warum CDU und LINKE unserer Meinung nach unbedingt ein Bündnis hätten anvisieren sollen, haben wir hier bereits dargelegt:

Traut euch! Warum Linke und CDU jetzt endlich zusammenarbeiten müssen

Doch es zeigt sich, dass das Problem viel fundamentaler und tiefer liegt. Die CDU-Bundestagsfraktion hat nämlich eine Zusammenarbeit mit Linken und AfD gleichermaßen ausgeschlossen. Und genau das ist der Knackpunkt. Denn wenn die CDU Thüringen jetzt ein Bündnis mit der Linken eingehen würde, dann könnte man mehr oder weniger berechtigt fragen: Wenn man den Beschluss den Linken gegenüber aufweicht, warum dann nicht auch gegenüber der AfD?

Der Fehler ist also, dass die CDU (wie übrigens auch viele andere, die sich für „konservativ“ oder „liberal“ halten) AfD und Linke gleichsetzt. Rechter Rand des Spektrums, linker Rand des Spektrums, alles dasselbe? Falsch. Wir zeigen, warum: Hier sind 4 Gründe, warum die Gleichsetzung von AfD und Linken Unsinn ist.



1. Vertrauenswürdigkeit und Verantwortung

Der Beschluss der Bundestagsfraktion suggeriert, dass man Linken und AfD gleichermaßen nicht vertrauen könne. Beide werden als zu „radikal“ und letztlich zu verantwortungslos dargestellt. Doch diese Gleichstellung ist nicht fair. Während die AfD bislang wirklich nur durch dumme Provokation, peinliche Aktionen und rechtsradikale Sprache auffiel, haben die Linke in vielen Fällen Verantwortung übernommen.

Das beste Beispiel ist ironischerweise Thüringen selbst: Dort hat Ministerpräsident Bodo Ramelow das Kunststück geschafft, trotz nur einer Stimme Mehrheit im Parlament 5 Jahre lang mit stabiler, sozialdemokratischer Politik Thüringen auf einen besseren Weg zu bringen, als es die CDU zuvor geschafft hatte. Aber auch in Brandenburg, Berlin und seit diesem Jahr in Bremen beteiligt sie sich an den Regierungen. Allein von dieser realpolitischen Perspektive ist es also falsch, AfD und Linke als gleichermaßen unzuverlässig einzuordnen.

2. Der „Flügel“ der AfD

Die stärkste Strömung innerhalb der AfD ist der „Flügel“, an dessen Spitze Björn Höcke steht – ein Mann, den man offiziell als Faschisten bezeichnen darf. Der also offen an der Abschaffung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung der BRD arbeitet. Das ist an sich schon schlimm genug – das Ganze mit der Linken gleichzusetzen aber noch einmal ein Skandal für sich. Ja, auch die Linke hat Ansichten, die als radikale Veränderungen gelten. Sie vertraut nicht derart dem freien Markt, wie es die CDU tut und kritisiert den starken Einfluss der Lobbyisten.

Davon kann man halten, was man möchte. Doch die Linke möchte die Grundrechte bewahren, die Demokratie in Deutschland beibehalten und sogar stärken. Etwas wie einen „stalinistischen Flügel“, der 40% der Partei durchdringt, gibt es in der Linken gewiss nicht. Wir haben also eine Partei, die den demokratischen Sozialismus – Sozialdemokratie – fordert gegen eine Partei, in der eine von Faschisten geprägte Strömung die stärkste ist. Diese beiden gleichzusetzen ist mindestens gewagt.

3. Der „SED Nachfolgepartei“-Mythos

Egal ob FDP, CDU oder AfD: Immer, wenn es um die Linke geht, fällt früher oder später die hämische Bezeichnung „SED-Nachfolgepartei“. Besonders für die CDU und ihre westdeutschen Wähler war es lange wichtig, sich vom „ach so bösen“ Sozialismus abzugrenzen. Und damit auch von der SED. Viele Wähler springen deswegen heute sofort an, wenn es gegen die „SED-Nachfolgepartei“ geht.

Doch ist das wirklich zeitgemäß? Würde Erich Honecker plötzlich die Macht übernehmen, wenn die CDU Zusammenarbeit mit der Linken zuließe?
Natürlich nicht. Die SED gibt es seit knapp 30 Jahren nicht mehr.

Allerdings stimmt es, dass rein rechtlich eine direkte Kontinuität von der SED zur heutigen Linken gibt. Als direkter Rechtsnachfolger der SED wurde nämlich die PDS (Partei des demokratischen Sozialismus) gegründet. Aus dieser ging 2005 die „Linkspartei.PDS“ hervor. 2009 verschmolz sie sogar mit einer Splittergruppe der SPD (die mittlerweile zur „politischen Mitte“ gehört) zur Partei „Die Linke“.

Auf dem Weg dahin hat sich innerhalb der Partei einiges radikal verändert: Im Dezember 1989, im Prinzip also noch zu DDR-Zeiten, verkündete Prof. Dr. Michael Schumann, Vordenker der neuen Linkspartei:

„Unser Parteitag hat schon am ersten Beratungstag mit Nachdruck erklärt: Wir brechen unwiderruflich mit dem Stalinismus als System.“ Quelle

Die Linke ist also mit dem Stalinismus, auf dem sich die SED gründete, nicht mehr zu vergleichen. Die Verschmelzung mit der Splittergruppe der SPD 2009 wurde dann sogar als Neugründung gewertet (Quelle). Auch wenn das rein rechtlich nicht stimmte, sondern eine Verschmelzung darstellte.

Die Linke hat also strukturell und organisatorisch bereits zweimal eindeutig mit der SED „Schluss gemacht“. Die jetzigen Parteivorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger haben keine SED-Vergangenheit. Das Argument, die Linke sei als „SED-Nachfolgepartei“ natürlicher Antagonist zur CDU, ist also nur rechtlich vage nachvollziehbar. Inhaltlich ist es mittlerweile einfach falsch und überholt.

Außerdem darf man ja auch nicht unterschlagen, dass die CDU ebenfalls eine DDR-Systempartei wie die Ost-CDU einfach eingliederte und deren Strukturen mitsamt deren Mitglieder übernommen hatte (Quelle). Das unter den Teppich zu kehren und nur auf die Linke zu zeigen ist ebenfalls unehrlich. Denn genau so gut kann man sie selbst in die Nähe der SED-Diktatur rücken.



4. Die Stufe der Radikalität / Extremismus

Beide Parteien werden als radikal wahrgenommen. Doch kann man das so einfach stehen lassen? Offensichtlich stehen Linke und AfD auf völlig verschiedenen Stufen der „Radikalität“. Die Linke versteht sich selbst als antifaschistisch. Sie lehnt also den Faschismus ganz klar ab. Menschen aufgrund von angeborener Merkmale (Hautfarbe, Herkunft, Geschlecht, sexuelle Orientierung) zu diffamieren oder gar niederzumachen, ist gegen den Parteikonsens.

Die AfD hingegen ist dagegen in großen Teilen offen rechtsextrem: Sie diffamiert Menschen prinzipiell. Wenn man die falsche Herkunft hat, ist man bei der AfD ja sowieso gleich „Messermann“ oder „sonstiger Taugenichts“ (siehe hier). Aber auch, wenn man LGBTQ+ ist, möchte einem die AfD das Leben schwer machen. Wie ernst die Situation tatsächlich werden könnte, haben wir hier nachgewiesen:

Landtagswahl-Spezial Teil 3: Die Kriegserklärung an die LGBTQ+-Community

Fakt ist: Die Linke ist radikal gegen die Ausgrenzung anderer Menschen. Sie ist radikal gegen Faschisten. Aber nicht gegen den Menschen dahinter, sondern gegen dessen Einstellung. „Nationalismus raus aus den Köpfen“ und ähnliche sind die Schlagworte. Die Linke ist nicht verfassungsfeindlich. Die AfD hingegen ist gegen Menschen an sich. Denn sie diffamiert aufgrund von Merkmalen, die man sich nicht aussuchen kann, wie Geschlecht, Herkunft und Hautfarbe. Deswegen ist der Schlachtruf hier „Ausländer raus“ oder es ist die Rede von „Gender-Gaga“.

Diese beiden Formen der „Radikalität“ gleichzustellen ist ein fahrlässiger Fehler. Denn „radikal“ und „extremistisch“ sind zwei verschiedene Dinge! Man kann schließlich auch radikal friedlich und demokratisch sein.

Fazit

Die CDU begeht einen schweren Fehler, indem sie Linke und AfD als gleichermaßen gefährlich und unzumutbar darstellt. Nicht nur die politische Stabilität in Thüringen ist damit in Gefahr gebracht worden. Nein, die Unverhältnismäßigkeit bezieht sich auch auf eine inhaltliche Ebene. Die Linke sind keine demokratiefeindliche Partei, in der es viele Befürworter autoritärer System gibt. Die AfD hingegen schon.

Liebe CDU (ich hoffe, ihr habt bis hier gelesen): Denkt doch mal darüber nach, euren Bundestagsfraktionsbeschluss zu ändern. Das Problem für unsere Demokratie sind nicht die Linken. Es ist die AfD.