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AfD-Manipulation: St. Martin wird wegen Rassismus nicht mehr gemietet

von | Nov 14, 2019 | Aktuelles, Analyse

Wie die AfD durch Auslassung und Verzerrung lügt

Faktencheck. Die rechtsextreme AfD und mehrere rechte Blogs instrumentalisieren derzeit einen Vorfall aus der Stadt Rheidt. Bereits am 6. November fand dort der St. Martinsumzug der Rheidter-Werth-Grundschule statt. An diesem Umzug nahm auch eine Muslima mit ihren drei kleinen Kindern teil. Der Darsteller des St. Martin soll, als er die Kopftuchtragende Mutter gesehen habe mit „Aggressivität und hasserfüllten Stimme“ zur erschrockenen Frau gesagt haben: „Sie wissen aber schon, dass es ein christliches Fest ist oder?“

Nachdem der dabeistehende Polizist den rassistischen Ausspruch nur weglachte, ebenso wie die Aussage der Mutter, dass sie trotz ihres Kopftuches gerne auch an christlichen Festen teilnehmen möchte und auch ihre Kinder an deutschen Traditionen teilnehmen möchte, wandte sie sich an die Schulleitung und später ihre Schwägerin schließlich an die Öffentlichkeit in einem Facebook-Post. Von dort erreichte der Vorfall die Zuständigen. Schließlich wurde eine öffentliche Entschuldigung an die Mutter und ihre Kinder ausgerichtet. Der rassistische Darsteller des St. Martin werde in Zukunft nicht mehr angestellt werden (Quelle, Quelle).



Und was rechte Hetzer derzeit aus dem Vorfall machen

Durch geschickte Manipulation, Auslassung und Verdrehung der Ereignisse versucht die AfD und ihr nahe stehende Medien den Vorfall jetzt auszuschlachten. Dreist behauptet die AfD in Facebook, der Mann habe nur die richtige Aussage, dass das St. Martin-Fest ein christliches Fest sei, getätigt und sei dafür „entlassen“ worden. Es wird so dargestellt, als habe er anscheinend einfach so laut vor sich hin gesagt, dass St. Martin ein christliches Fest sei und eine zufällig dabeistehende Muslima würde sich völlig willkürlich dadurch verletzt fühlen. Und natürlich sei dies ein „Kniefall“ vor dem Islam und „Terror“ der „Political Correctness“.

Die AfD-AnhängerInnen glauben diese falsche Darstellung selbstverständlich und hetzen dementsprechend rassistisch, wie die Recherchegruppe DieInsider belegt:

https://www.facebook.com/dieinsider/posts/513410499210764?__xts__%5B0%5D=68.ARD74G2hBs4Xw2YqatIpRNqkpRxJVax1JLJxLhYM0PadEFtyf4HKTxnOYKNBY5x8UHnr76BlcvH-cZCVoK6AGmBDA5wwIUGF1g_32lDO9be1A0tsdYdlra3TxfMy8OhBxsFgTqbxWwii15e_NNq42qqKagmq1pbZzfnXN7r-U9GGXBNwvXQOa4I-IsaZQwJZtHrs6wkhQzSquEjr5XqJJm2ciWgpObCKM_9vikgE0Cb8VzH2oy38zmXRux9RRXn7zH-9yurIWjs_Ki0KZJvEQhfB_FnwyQAsLrlZHqRz6VxHCFXsWzKupRFxxF4Ik4EoxiFSMgZ3vsoWTeRsLoCIY2k&__tn__=-R

Es ist besonders perfide: Aus einem Fall, in dem eine Muslima ihre Kinder Teil der christlichen Tradition sein lassen wollte (wörtlich „zeigen wie schön es ist ein Teil dieser Gemeinschaft zu sein egal welcher Glaube, Farbe oder Herkunft“, Quelle) – also genau das, was Rassisten wie die AfD sonst immer anprangert, das angeblich nicht geschehe – verdreht die rechtsextreme Partei einen Vorfall, der weiter Munition für Hetze und Rassismus liefern soll.

Der sprachliche Trick der AfD

Man merkt, die AfD hat nicht direkt gelogen, aber dennoch einen völlig falschen Eindruck hervorgerufen – mit Absicht. Das ist Framing. Sie tut so, als hätte der rassistische St. Martin-Darsteller die Aussage wertneutral getroffen. Denn natürlich ist es richtig, dass St. Martin ein christliches Fest ist. Jedoch ist es Manipulation, den Kontext und Subtext wegzulassen. Durch diese Entkontextualisierung soll die Reaktion der Mutter und der Verantwortlichen lächerlich dargestellt werden.

Denn natürlich hat der Darsteller das der Frau gesagt, weil er sie als Kopftuch tragende Frau „fehl am Platz“ empfunden hatte und ihr damit sagen wollte, dass sie bei dem Umzug nicht erwünscht sei, weil er ein Rassist ist. So hat es die arme Frau empfunden und anders lässt sich der Vorfall auch nicht interpretieren. Wenn eine sich zufällig daneben stehende Frau wegen einer wertneutralen Aussage aufgeregt hätte, wäre die Reaktion selbstverständlich übertrieben. Jedoch war das nicht der Fall. So redet die AfD ihren Anhänger*innen zwei Dinge ein:

Erstens sind Konsequenzen für Rassismus völlig übertrieben, die „Political Correctness“ sei völlig irrational und ist immer völlig irrational und sie müssen niemals auf jemanden Rücksicht nehmen. Und zweitens: Rassistische Aussagen sind in Ordnung, im Gegenteil, die rassistischen Einstellungen, die die meisten ihrer Anhänger*innen hegen sind nicht nur bestätigt worden, sondern es wird ihnen Mut gemacht, diese öfter und deutlicher zur Schau zu stellen. Diese ganze Manipulation dient dazu, Rassismus zu fördern und zu normalisieren. Wie man an den Kommentarspalten deutlich sehen kann.

Völlige Verdrehung der Realität

Es ist deutlich, wenn man das Statement der Schwägerin des Opfers liest: „Es ist schon traurig, alle reden von Integration aber wenn ein Mensch mit Migrationshintergrund sich integriert, muss er sich sowas anhören das auf diesen Festlichkeiten nur christliche Kinder willkommen sind [sic].“ Und genau das ist der Punkt: Nehmen Muslime nicht an christlichen Festen teil, wird ihnen vorgeworfen, sie würden sich nicht integrieren. Nehmen sie teil, wird ihnen gesagt, dass sie dort nicht erwünscht sind. Und andere Rassisten schlachten den Vorfall dann wiederum aus, um weiter Rassismus zu schüren.

Zur Integration gehören jedoch zwei. Für die Autorin des Posts ist der Vorfall jetzt beendet, nachdem eine Entschuldigung ausgesprochen wurde. Übrigens wurde der rassistische St. Martin-Darsteller nicht „entlassen“. Er stamme laut Pressesprecher der Stadt gar nicht aus dem Ort und werde schon seit mehreren Jahren für den Umzug speziell angemietet. In Zukunft wird er demnach nun einfach nicht mehr eingestellt, sondern jemand, der Menschen nicht anfeindet, nur weil sie andere Kleidung tragen als er, aber dennoch an dem Fest der Nächstenliebe teilnehmen wollen. Man stelle sich vor, St. Martin hätte dem Bettler nicht den halben Mantel gegeben, sondern ihm gesagt, dass er nicht in seinem Land erwünscht sei.

Artikelbild: Cookie Studio, shutterstock.com