8.600

Studie: Mehr als Hälfte der Nebenwirkungen nicht von Impfung wegen „Nocebo-Effekt“

von | Jan 21, 2022 | Aktuelles

Die meisten „Nebenwirkungen“ sind wohl gar keine

von Marie-Lena Nelle

Bei den verabreichten Vakzinen gegen SARS-COV-2 (BioNTech/Pfizer, Moderna, AstraZeneca und Johnson & Johnson) wurden diverse Impfreaktionen und Nebenwirkungen gemeldet. Nach Angaben des Paul-Ehrlich-Instituts handelt es sich dabei vor allem um „harmlose, vorübergehende Lokalreaktionen und Allgemeinreaktionen“, die bereits in klinischen Untersuchungen aufgefallen sind und nicht mit schwereren oder länger andauernden Erkrankungen verbunden sind (Quelle).

Geimpfte haben geringeres Sterberisiko von ALLEN Todesursachen, nicht nur Corona – Studie

Trotzdem sind mögliche Impfkomplikationen für viele Menschen weiterhin ein Grund, sich nicht gegen das Coronavirus impfen zu lassen.

Studie zeigt: Die meisten „Nebenwirkungen“ sind keine

Der Zulassungsprozess eines jeden Impfstoffkandidaten umfasst klinische Prüfungen der Phase 1 (Immunogenität), Phase 2 (Verträglichkeit, Dosierung) und Phase 3 (statistisch signifikante Daten zu Unbedenklichkeit und Wirksamkeit). Nach dem vorgeschriebenen Verfahren erhält in diesen randomisierten Studien nur die Hälfte der freiwilligen Testpersonen den zu erprobenden Impfstoff, die andere Hälfte dient als Kontrollgruppe und bekommt lediglich Kochsalzlösung, ein Placebo, injiziert. Die Zulassungsstudien sind zudem doppelt verblindet, um Verzerrungseffekten vorzubeugen. Somit haben weder die Testpersonen selbst noch die Testleitenden Kenntnis über die jeweilige Gruppenzugehörigkeit (Experimental- oder Kontrollgruppe).

Die im Fachmagazin Jama Network Open» erschienene systematische Auswertung einer Forschergruppierung um Julia Haas (Harvard Medical School, Boston), Ted Kaptchuk (Beth Israel Deaconess Medical Center, Boston) und Friederike Bender (Philipps Universität, Marburg) zeigt nun: ein großer Teil der empfundenen Symptome nach Corona-Impfungen kann auf den sogenannten Nocebo-Effekt zurückgeführt werden (Zur Studie).

Testpersonen erhielten keine Impfung, hatten aber trotzdem „Nebenwirkungen“

Für die Metaanalyse untersuchten die Forschenden zwölf klinische Corona-Impfstudien zu unterschiedlichen Vakzinen mit insgesamt 45.380 Teilnehmenden, die Impfreaktionen meldeten. Ungefähr die Hälfte davon – 22.578 Testpersonen – erhielt ein Scheinpräparat. Nach der ersten Dosis meldeten 35,2 Prozent der Placebo-Empfänger:innen systemische unerwünschte Arzneimittelwirkungen wie Kopfschmerzen oder Müdigkeit.

Zum Vergleich: bei der Gruppe der tatsächlich Geimpften meldeten 46,3 Prozent nach der ersten Dosis eben jene Symptome.

Das Verhältnis zwischen der Placebo- und der Impfstoff-Gruppe zeige, dass Nocebo-Wirkungen für 76 Prozent der systemischen unerwünschten Arzneimittelwirkungen nach der ersten Impfdosis verantwortlich waren, schlussfolgern die Wissenschaftler:innen.

Der weniger stark ausgeprägte Nocebo-Effekt nach der zweiten Impfdosis kann mit den statistisch häufiger vorkommenden Impfreaktionen beim zweiten Durchlauf erklärt werden. So klagten zwar weiterhin 31,8 Prozent der Kontrollgruppe über Beschwerden, doch die Zahl bei den tatsächlich Geimpften stieg nach der Zweitimpfung auf 61,4 Prozent.

Nocebo-Effekt für 51,8 Prozent der angeblichen „Nebenwirkungen“ verantwortlich

Dementsprechend ist der Nocebo-Effekt für 51,8 Prozent der systemischen unerwünschten Arzneimittelwirkungen nach der zweiten Impfdosis verantwortlich.

Die Ursache der empfundenen Symptome bei Testpersonen der Kontrollgruppe könnte den Wissenschaftler:innen zufolge die Aufklärung vor der Impfung über mögliche negative Folgen sein.

«Es gibt Hinweise darauf, dass diese Art von Information dazu führen kann, dass Menschen übliche tägliche Hintergrundempfindungen dann fälschlicherweise auf die Impfung zurückführen, oder Sorgen und Nervosität auslösen, die die Menschen hypersensibel im Hinblick auf mögliche Nebenwirkungen machen», schreibt Hauptautor Ted Kaptchuk in einer Pressemitteilung der Harvard Medical School. Auch über den Nocebo-Effekt müsse vor der Impfung besser aufgeklärt werden, so der Direktor des Programms für Placebostudien am Beth Israel Deaconess .

(Quelle: https://hms.harvard.edu/news/power-placebo)

Unerwünschte Nebenwirkungen nach einer Scheinpräparat-Vergabe sind übrigens nicht unüblich in randomisierten, placebokontrollierten Studien und beschäftigen Wissenschaftler:innen seit Jahren. So berichteten Forschende des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) vor einigen Jahren im Fachmagazin Science, dass vermeintlich teure Medikamente den Nocebo-Effekt sogar noch einmal verstärken. Testpersonen hatten bei der Studie gesagt bekommen, dass zu den möglichen Nebenwirkungen eines verabreichten Präparats ein erhöhtes Schmerzempfinden zähle. Jene Gruppe, die von einem teuren Mittel ausging, verspürte nach der Placebo-Behandlung mehr Schmerz als die übrigen Testpersonen (Quelle: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/28983051/).

Wir befinden uns im Kampf gegen ein Virus, das bisher über fünf Millionen Todesopfer gefordert hat. Wir haben gut wirksame Vakzine gegen Corona, die viel weniger Nebenwirkungen haben als die meisten anderen Impfstoffe. Und vor allem ist der Piks um ein Vieflfaches sicherer als eine unvorbereitete Infektion mit COVID-19. Schützt euch und andere, lasst euch jetzt impfen!

Zum Thema:

Fake-„Studie“ im Thüringer Landtag: Impfungen führen NICHT zu erhöhter Sterblichkeit

Artikelbild: My Ocean Production

Unsere Autor:innen nutzen die Corona-Warn App des RKI.