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E-Fuels: Was kann Lindners große Hoffnung?

von | Aug 26, 2022 | Aktuelles

Studie zeigt: Wenig Klimanutzen Durch E-Fuels

In der EU gilt ab 2035: Nur Elektrofahrzeuge dürfen neu zugelassen werden. Doch E-Fuels bieten möglicherweise einen Weg, Verbrennungsmotoren weiterhin zu nutzen –auf klimaneutrale Art und Weise. Ob dies in der EU auch nach 2035 zulässig ist, soll noch geprüft werden.

E-Fuels nutzen Kohlendioxid aus der Atmosphäre

E-Fuels sind synthetische Kraftstoffe. Mithilfe von Strom werden sie aus Wasser und Kohlendioxid hergestellt. Um die Entwicklung klimaneutral zu halten, wird auf erneuerbare Energien und Kohlendioxid gesetzt, das ohnehin in der Atmosphäre vorhanden ist. So können sowohl Methanol als auch Kerosin, Diesel oder Benzin entstehen – und in Verbrennungsmotoren weiterhin genutzt werden. Der Effekt: „Wer einen Verbrennungsmotor statt mit Benzin, Diesel oder Kerosin mit eFuels antreibt, stößt nicht mehr CO2 aus, als der Atmosphäre zur Herstellung der Kraftstoffe entnommen wurde“, so die Interessengemeinschaft eFuel Alliance.

Doch hier schon das erste, große Aber: Nicht jeder „synthetische Kraftstoff“ ist CO2-neutral. So bietet Shell aus Erdgas gewonnen synthetischen Kraftstoff an. Ein anderes Projekt nutzt CO2 welches bei der Zementherstellung entstanden ist. Auch der E-Fuel Partner von Porsche, HIF Global, will CO2 aus „industriellen Prozessen“ für die E-Fuel Produktion nutzen.

Das „reduziert“ zwar den CO2-Ausstoß, aber ist inkompatibel mit den „Netto Null“ Zielen der Staaten im Pariser Abkommen, denn am Ende kommt aus dem Auspuff ja wieder CO2 raus. Damit wird die Entwicklung klimafreundlicher Technologien verschleppt: Die Zementhersteller und andere Industriezweige sparen sich den Umstieg auf CO2-freie Technologie und auch die Autohersteller können an veralteten Technologien wie dem Verbrennungsmotor festhalten.  

E-Autos sparen mehr Emissionen als E-Fuels

Während FDPler wie Christian Lindner E-Fuels für eine „spannende Chance für klimafreundlichen Verkehr“ halten, bezeichnen einige Umweltschützer und Mobilitätsexperten sie als Irrweg. So nimmt Greenpeace-Vorstand Martin Kaiser die Option der E-Fuels als verwässerten Verbrenner-Ausstieg wahr. Kritikpunkte gibt es viele. Einer davon ist der hohe Strombedarf zur Herstellung von E-Fuels. Angenommen, zehn Prozent der Autos in der EU nutzten E-Fuels, würde die jährliche Nachfrage nach erneuerbaren Energien bereits um fast 40 Prozent steigen. Das hat das Thinktank Transport & Environment (T&E) berechnet, das den wachsenden Bedarf als größten Kritikpunkt sieht. Falko Ueckerdt vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung bezifferte den Strombedarf sogar so hoch wie die gegenwärtige jährliche Nachfrage in Deutschland.

Der Thinktank T&E hat sich darüber hinaus auch mit den Lebenszyklusemissionen der verschiedenen Autos beschäftigt. Ein Auto, das mit der Kombination aus E-Fuels und Benzin fährt, spart im Vergleich zu konventionellen Kraftstoffen lediglich 5 Prozent der Lebenszyklusemissionen ein. Zum Vergleich: Ein E-Auto erzeugt über seinen Lebenszyklus ganze 78 Prozent weniger Emissionen.

Quelle: Think Tank T&E

Auch bei einer Nutzung von reinem E-Fuel fallen die Ergebnisse übrigens nicht sonderlich erbaulicher aus: E-Autos stoßen laut Berechnungen während ihres Lebenszyklus 53 Prozent weniger Emissionen aus als Verbrenner, die mit reinen E-Fuels betrieben werden.

Quelle: Think Tank T&E

E-Autos kommen mit derselben Energiemenge weiter

Dazu kommt, dass die erneuerbaren Energien in E-Autos sehr viel effizienter angelegt sind – denn mit derselben Menge an Energie können Elektrofahrzeuge viel mehr anfangen. So berechnete T&E, dass ein batterieelektrischer Volkswagen ID.3 mit derselben Menge erneuerbarer Energien fünfmal so weit fahren kann wie ein VW Golf mit Verbrennungsmotor, angetrieben durch E-Fuels. Noch drastischer fällt das Ergebnis bei einem batteriebetriebenen BMW i4 aus, der gleich sechsmal so weit fahren kann wie ein BMW 4er mit E-Fuels.

Quelle: Thinktank T&E

Das liegt daran, dass bei E-Fuels aufgrund der stromaufwendigen Herstellung lediglich 13 Prozent der erneuerbaren Energien im Tank landen, während es beim E-Auto ganze 77 Prozent sind.

Quelle: Thinktank T&E (PDF, S. 19)

Nur scheinbarer Vorteil: Verbrenner würden weiterhin genutzt

Nun wären E-Fuels ein Weg, die Emissionen von bereits existierenden Verbrennungsmotoren zu reduzieren. „Bestandsfahrzeuge, die heute fast ausschließlich mit fossilen Kraftstoffen betrieben werden, können durch den Betrieb mit nachhaltigen Kraftstoffen ganz erheblich zu einer schnellen CO2-Absenkung beitragen. Nur auf diese Weise ist es möglich, dass auch die auf dem Markt befindlichen Fahrzeuge ihren Beitrag zur Klimaneutralität leisten“, zitiert der BR Ulrich-Peter Thiesen und Ingo Behr vom Labor Verbrennungsmotoren des Fachbereichs Informatik und Ingenieurwissenschaften der Frankfurt University of Applied Sciences. Deswegen sollte man jedoch nicht das europaweite Aus des Verbrennungsmotors verschieben. Denn dabei geht es um neu zugelassene Wagen, die ab 2035 keine Verbrennungsmotoren mehr haben dürfen. Der Plan sollte also sein, die Bestandsflotte mit E-Fuels zu betreiben, aber Neuzulassungen rein auf E-Autos umzustellen.

Die Herstellung von E-Fuels ist zwar aktuell noch sehr teuer – das könnte sich mit einer Strompreisentwicklung und Massenproduktion von E-Fuels ändern. Da E-Autos aber grundsätzlich wesentlich weniger Energie benötigen, wäre ihr Betrieb immer noch günstiger als ein Betrieb mit E-Fuels.

Fazit: Schlechte Umweltbilanz, nur in manchen Bereichen nützlich

Klar ist: E-Fuels sind weniger umweltfreundlich als E-Autos. Dennoch bieten E-Fuels die Möglichkeit, Bestandsfahrzeuge CO2-neutral zu betreiben. Zwar steht das Aus für die Neuzulassung von Verbrennerautos ab 2035 eigentlich schon fest, doch EU-Staaten und Europaparlament wollen über die Nutzung von Verbrennungsmotoren mit E-Fuels erst noch abschließend verhandeln. So oder so wird an der Entwicklung von E-Fuels weiter gearbeitet – denn für den Flugverkehr oder die Schifffahrt spielen E-Motoren aktuell noch keine Rolle, wobei auch hier bereits an Alternativen geforscht wird. Genau da könnten E-Fuels Teil eines umweltfreundlichen Wechsels sein. Für den PKW-Verkehr dürfte ihr Einsatz aber angesichts der hohen Kosten und der mangelnden Verfügbarkeit höchstens übergangsweise realistisch sein.

Von viel Halbwissen und so manchem Schnellschuss ist auch die Debatte um AKW-Laufzeitverlängerungen angesichts des drohenden Gasmangels geprägt. Wir haben für euch etwas Licht ins Dunkle gebracht: