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Ich spüre, der Rassismus wird wieder normal. Wir dürfen das nicht zulassen.

von | Jul 27, 2018 | Kommentar

Der Rassismus in Deutschland war nie besiegt.

Vor einiger Zeit jedoch war er von der Bildfläche verschwunden. Es schien, als könne man Rassismus nun gesellschaftlich offiziell ablehnen. Zumindest, was den offensichtlich erkennbaren Rassismus anging. Auch wenn die Betroffenen stets ihre verletzenden, respektlosen oder brutalen Erfahrungen machen mussten, in solch einer Menge, dass sich Diskriminierung für sie inzwischen normal anfühlt.

So war es dennoch wenigstens öffentlich möglich, rassistisches Gedankengut zu verurteilen. Und das ist sehr wichtig. Es darf nicht sein, dass einige Menschen nicht feiern gehen können, weil sie nicht wissen, ob sie in den Club gelassen werden. Ich hatte das Privileg, nur wenige Erfahrungen mit Rassismus zu machen. Zumindest wenige, die mir selbst als solche aufgefallen sind.



Ich wurde aufgrund meiner Hautfarbe nicht in einen Club gelassen

Sei es das eine mal, als ich mit anderen „ausländisch aussehenden“ Menschen auf einem Platz von der Polizei umstellt wurde und wir alle nacheinander abgetastet und identifiziert wurden, nur um anschließend des Platzes verwiesen zu werden mit der Androhung einer Anzeige, wenn wir in den nächsten 24 Stunden zurück kämen. In der Zeitung stand am nächsten Tag, es seien über 50 Menschen mit Migrationshintergrund vom Platz verwiesen worden. Sie hatten aber leider vergessen zu erwähnen, dass das völlig grundlos geschah.

Das Mal, als ich nicht in eine Discothek gelassen wurde, tat erstaunlich doll weh. Ich hätte nicht gedacht, dass das so schmerzt, „grundlos“ abgewiesen zu werden. Und als ich zur Polizei ging und fragte, ob Discotheken sowas überhaupt dürften, bzw. was ich machen könne, hatte man mich abgewimmelt und die Discothek verteidigt.

Das Gefühl der Machtlosigkeit

Ich hätte nicht erwartet, dass so eine zunächst banal wirkende Situation ein solch mächtiges Gefühl der Machtlosigkeit und Ungerechtigkeit auslöst. Eine völlig neue Erfahrung war es auch, als man mir in einem Jobgespräch die Tätigkeiten des Familienunternehmens erläuterte. Und die Mutter des Sohnes,
der alles erklärte, ihn bat, doch etwas langsamer zu sprechen.

Natürlich meinte die Dame das nicht böse, aber ich war dennoch total sprachlos. Ab diesem Moment konnte ich nachvollziehen, wie es sich anfühlt, wenn man spürt, dass man „anders“ aussieht. Im Vergleich zu dem, was andere täglich erfahren, sind das sehr wenige und banale Geschehnisse. Ich hatte immer ein stabiles Umfeld, das hinter mir stand. Und ich wusste, wenn etwas passiert, erhalte ich seelischen Beistand und wird man sich mit mir über entsprechende Ungerechtigkeiten empören.

Ich hatte also allgemein stets das Gefühl, dass die Gesellschaft hinter mir steht.

Bis vor einiger Zeit

Es scheint, als ist es nicht mehr so trivial, Rassismus zu verurteilen. Man muss plötzlich darüber diskutieren. Rassistische Meinungen soll man plötzlich tolerieren. Auch von jenen gefordert, die sich „links“ sehen. Es kann nicht die Lösung gegen Rassismus sein, es wieder zu tolerieren, es ist vielmehr die Ursache, warum es plötzlich wieder „normal“ wird.

Ich glaube, links hat sich zu sehr ausgeruht. Die Mitte der Gesellschaft war menschenfreundlich. Aber wir haben uns zu sehr darauf ausgeruht. Wir haben vergessen, warum wir Rassismus so strikt abgelehnt haben und wir haben nicht bedacht, dass diese ethisch anspruchsvollere Haltung Energie erfordert, um sie aufrecht zu erhalten. Steckt man keine Energie mehr rein, Rassismus klar abzulehnen, dann kommt er langsam wieder.

Wir dürfen Intoleranz nicht tolerieren

Und es klingt so wunderschön harmonisch, wenn man sagt „wir wollen keine Menschen ausschließen.“ Es darf nicht vergessen werden, dass eine tolerante Gesellschaft nicht nur Intoleranz ablehnen darf, sondern auch muss. Wir müssen uns klar positionieren und die Stille darf es nicht mehr geben.

Rechts kommt nicht mit Warnleuchte bzw. Springerstiefeln und Glatze. Rechts kommt langsam, schleichend, unbemerkt und sogar freundlich. Und deshalb brauchen wir wieder ein klares „Nein!“ zu Rassismus, egal in welcher Verkleidung.

Text: Bastian Plohr. Artikelbild: Bastian Plohr (c), Der Originalbeitrag erschien auf Facebook.