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AfD & Burschenschaft: Abmahnung gegen Mainzer Kommunalpolitiker gescheitert

von | Jun 16, 2021 | Aktuelles

Abmahnung gegen Kommunalpolitiker gescheitert

GASTBEITRAG VON MAURICE CONRAD

Mein Name ist Maurice Conrad, ich bin Kommunalpolitiker aus Mainz und Aktivist bei Fridays for Future. Vor einigen Wochen habe ich über die Verbindungen lokaler AfD-Politiker in rechtsextreme Kreise getwittert und die Umtriebe der Burschenschaft Germania Halle zu Mainz offengelegt. Was darauf folgte, war eine beispiellose Folge aus Abmahnungen und Versuchen, mich zum Schweigen zu bringen. Nach ein paar Wochen nun nochmal die ganze Geschichte im Rückblick. Spoiler: Es wurde noch absurder, als ich es für möglich gehalten hätte.

Es war ein eigentlich ruhiger Tag. Ich schloss gerade mein Fahrrad in der Nähe des Rathauses auf und blickte kurz in mein E-Mail-Postfach: „Abmahnung Conrad / Mehlhose“. Der Fraktionsvorsitzende der Mainzer AfD-Fraktion Lothar Mehlhose hatte tatsächlich über seinen Anwalt, Dr. Matthias Brauer (zu ihm später mehr), eine Abmahnung verschickt, die mich aufforderte, einige Dinge aus meinem Tweet nicht mehr zu sagen. Aber der Reihe nach: Mein ursprünglicher Tweet schilderte verschiedene Vorkommnisse verschiedener Burschenschaften in Deutschland – darunter die Germania Leipzig und die Germania Hamburg, die im selben Dachverband wie die Mainzer Germania organisiert sind.

Es ging mir dabei um rechtsextreme Waffenlager, rechtsextreme Preppergruppen, geplante Anschläge auf Politiker:innen der Linken oder um Hitlergrüße auf Fotos durch die Germania Leipzig sowie diverse Verbindungen zu anderen Burschenschaften in Deutschland (eben auch zur Germania Mainz). (Quelle).

Was hat die Burschenschaft Germania Mainz damit zu tun?

Lothar Mehlhose, der AfD-Politiker, der mich abmahnte, ist Vorsitzender des Altherrenverbandes der Burschenschaft Germania Mainz. Die Burschenschaft Germania Mainz ist natürlich nicht rechtsidentisch mit anderen Burschenschaften in Deutschland. Auch nicht mit den Burschenschaften Germania Leipzig, Germania Hamburg oder der Frankonia Erlangen (dazu gleich mehr). Allerdings ist die Mainzer Burschenschaft sehr wohl dem rechten Flügel der „Deutschen Burschenschaft“ zuzuordnen und scheint kein Problem damit zu haben, sich beispielsweise der Burschenschaft Germania Leipzig (die mit der rechtsextremen Preppergruppe) im selben Dachverband zu organisieren. Das ergibt sich zum einen aus der Tatsache, dass die Germania Mainz aktiver Teil der “Deutschen Burschenschaft” ist, obwohl der Dachverband innerhalb weniger Jahre knapp die Hälfte seiner Mitglieder verlor, die aus Protest gegen die rechtsextremen Verbindungen in der DB den Verband verließen (Quelle, Quelle).

Zum anderen bildet die Germania Mainz als Teil eines Dreigespanns gemeinsam mit der Germania Hamburg und der Frankonia Erlangen das sogenannte „Schwarz-Weiß-Rote Kartell“ (Quelle, Quelle). Das “Schwarz-Weiß-Rote Kartell” werde als Rechtextrem eingestuft und sei weitgehend völkisch orientiert (Quelle). Die beiden verbrüderten Burschenschaften Germania Hamburg und Frankonia Erlangen werden beide vom Verfassungsschutz beobachtet. Zur Kartellbildung mit diesen beiden offenbar rechtsextremen Organisationen führt die Mainzer Germania auf ihrer Webseite aus: „[…] Burschenschaften mit vergleichbarer Ausrichtung hatten sich zu sogenannten Kartellen zusammengeschlossen. […]“ (Quelle, Quelle).

Dass die Mainzer Burschenschaft also kein kleinbürgerlicher Gartenverein ist, der zufällig im Rechtsaußen-Teil der „Deutschen Burschenschaft“ vernetzt ist und ein Kartell mit zwei rechtsextremen Organisationen bildet, dürfte spätestens hier klar werden. Im Gegenteil: Diese Verbindungen sollten den rheinland-pfälzischen Verfassungsschutz alarmieren, eine Beobachtung der Mainzer Germania Halle zu Mainz umgehend zu prüfen. Lothar Mehlhose, Fraktionsvorsitzender der AfD Mainz, scheint diese Verbindungen zu teilen – er sitzt dem Altherrenverband der Germania Mainz schließlich vor. Auch ließ er bis dato offenbar keine Distanzierung oder Ähnliches verlauten.

„Hail White Power!“

Dass der Mainzer AfD-Politiker Lothar Mehlhose wenige Tabus zu kennen scheint, zeigt mir auch die Wahl seiner Anwälte: die erste Abmahnung kam, wie gesagt, von der Kanzlei Brauer aus Bonn. Anwalt Dr. Matthias Brauer ist deshalb bekannt geworden, weil er laut Medienberichten im Garten seines Verbindungshauses ein Holzkreuz abbrannte und dazu „Hail White Power!“ schrie, ganz im Sinne des Klux-Klux-Klan (Quelle).

Brauer positioniere sich zudem „[…] gegen jede Bestrebung, die Abstammung als notwendige Voraussetzung deutscher Volkszugehörigkeit allgemein oder in Einzelfällen für entbehrlich zu erklären […]“ und möchte laut eigener Aussage „[…] jeder weiteren Aushöhlung des Volkstums- und Vaterlandsbegriffs entschlossen entgegentreten […]“, wie er 2011 in einem Aufsatz schrieb (Quelle: Stuttgarter Nachrichten, wie oben). Er tritt oft in Zusammenhang mit äußerst rechten Mitgliedern der AfD auf und scheint allgemein nicht nur in der Mainzer AfD als guter Kontakt zu gelten (Quelle). Welche Aussagekraft die Wahl des ersten Verteidigers von Herrn Mehlhose über seine politischen Positionen zulässt, lasse ich hier einmal im Raum stehen.

Wenige Stunden vor Verhandlung wechselte der Anwalt

Sie wird aber zumindest noch von der Wahl des zweiten Verteidigers in den Schatten gestellt: Wenige Stunden vor der Verhandlung wechselte Mehlhose nochmal den Anwalt. Anstelle des Bonner Anwalts Brauer trat nun der „[…] flügelnahe[..] Anwalt […]” (Quelle) Andreas Schoemaker. Schoemaker schockte mich mit anderen Verbindungen: So verteidigte er nicht nur den aus der AfD ausgeschlossenen Rechtsextremisten Andreas Kalbitz (Quelle) und den „[…] einflussreichen Flügel-Mann Pasemann […]” (Quelle), sondern ist angeblich selbst auch Teil der Burschenschaft der Raczeks (Quelle), ebenfalls aus Bonn.

Raczeks wurden bereits in der Vergangenheit mehrfach die Nähe zum Rechtsextremismus vorgeworfen (Quelle). Die Burschenschaft wurde u. a. bekannt, als sie 2011 einen Antrag innerhalb der „Deutschen Burschenschaft“ formulierte, der den Ausschluss der Burschenschaft Hansea zu Mannheim forderte, da diese ein Mitglied aufgenommen hatte, das zwar in Deutschland geboren und aufgewachsen war, jedoch chinesische Eltern hatte. Es sei „[…] besonders in Zeiten fortschreitender Überfremdung nicht hinnehmbar, dass Menschen, welche nicht vom deutschen Stamm sind, in die Deutsche Burschenschaft aufgenommen werden […]“ begründete die Burschenschaft von Schoemaker den Antrag (Quelle, Quelle, Quelle).

Raczeks schmissen außerdem 2012 den Burschenschafter Christian Becker raus. „[…] Nicht aufgrund von Meinungsverschiedenheiten, sondern aufgrund der Verstöße gegen Vereinsprinzipien, wie es von den Racezeks formuliert wurde. Becker hatte das Netzwerk Burschenschafter gegen Neonazis gegründet […]” schreibt der Deutschlandfunk damals über den Rauswurf (Quelle, Quelle; Quelle, Quelle).

Die Verhandlung

Doch was wurde aus den Vorwürfen? In der Tat hat das Landgericht Herrn Mehlhose dahingehend recht gegeben, dass mit Blick auf die von mir getätigten Aussagen in Bezug auf die Burschenschaft Germania Leipzig aufgrund der unscharfen Differenzierung der Eindruck erweckt werden könnte, dass die Germania Halle zu Mainz rechts-identisch mit der Burschenschaft Germania Leipzig sei, die die konkreten Beispiele von Waffenlagern und versuchten Anschlägen zu verantworten hatte. Zu betonen ist an dieser Stelle natürlich, dass auch nach wie vor keine Distanzierung der Germania Mainz oder gar ein Austritt aus dem gemeinsamen Dachverband in Aussicht stehen würde. 😉

Nun ja, die besagte Unschärfe hatte ich ja auch bereits im Vorfeld richtiggestellt und so war auch der Schluss des Landgerichts keine große Überraschung für mich. Das Ende vom Lied war ein Vergleich zwischen beiden Parteien, der die Missverständlichkeit der Aussage festhält und Herrn Mehlhose in diesen Punkten recht gab. Die Abmahnung von Herrn Mehlhose gegen mich ist allerdings nicht zustande gekommen. Auch Burschenschaft Germania Halle zu Mainz ist mit ihrer eigenen Abmahnung nicht weiter gekommen und konnte den vermeintlichen Anspruch auf Unterlassung augenscheinlich nicht einmal vor Gericht bringen.

Weiter recherchieren!

Ich finde es wichtig, selbstkritisch zu bleiben und richtigzustellen, wenn Dinge missverständlich oder falsch waren (das ist auch das Ziel des Volksverpetzers). Daher ist es mir neben der Richtigstellung noch vor ein paar Wochen besonders wichtig, hier meine Recherchen weiter auszuführen und die Verbindungen von Herrn Mehlhose und der Mainzer AfD in rechtsextreme Kreise faktisch zu untermauern. Die gute Nachricht: Erst durch den offenkundigen Versuch, mich zum Schweigen zu bringen, entstand eine deutlich umfassendere Recherche zur Germania Halle zu Mainz und den Verbindungen in das „Schwarz-Weiß-Rote Kartell” – der Streisand-Effekt lässt grüßen. Motiviert durch diese Recherchen plane ich eine fraktionsübergreifende Veranstaltung zu Rechtsextremismus und rechten Burschenschaften gemeinsam mit der Fraktion DIE LINKE.

Korrekturhinweis: In einer ersten Fassung lautete der Titel „Unterlassungsanspruch gescheitert“, „Abmahnung“ ist jedoch genauer. Artikelbild: Maurice Conrad

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