300

Wer sind die Führer der „Neuen Rechten“ und was wollen sie?

von | Jan 31, 2018 | Aktuelles

Die Neuen Rechten finden wir auf der ganzen Welt: In der AfD in Deutschland, in Trump in den USA, in Putin in Russland, in Erdogan in der Türkei. Sie alle bedienen sich der gleichen Narrative. Sie alle sind kulturimperialistisch, fremdenfeindlich, patriarchalisch und autoritär. Was versuchen sie zu erreichen? Wir erklären es in unserem dritten Teil von „Die Neuen Rechten verstehen“.

Nachdem in den ersten Artikeln dieser Reihe (Hier und hier) ein strukturelles Problem angesprochen wurde, woraus sich einige Probleme und Missverständnisse bei der politischen Einordnung und der politischen Ausgangslage ergeben, möchte ich mir jetzt ansehen, wer die politischen Führer der Neuen Rechten sind und was diese wollen – Und das ist nicht unbedingt das, was diejenigen wollen, die ihnen folgen.

Natürlich stehen Führer und Anhänger in Verbindung zueinander und haben einen besonderen Austausch, aber hierbei handelt es sich viel eher um eine zeitweilige Allianz, die aufgrund einer zufälligen Schnittmenge funktioniert und durch kompatible Weltanschauungen. Man muss zwischen den Ambitionen, Visionen und Strategien der Anführer und den Ängsten und Vorurteilen der Anhänger unterscheiden. In diesem Artikel werden wir uns ersteres ansehen.

Wer sind die „Rechtspopulisten“?

Sie pflegen typischerweise einen fremdenfeindlichen, patriarchalen und autoritären Stil und greifen genau in der Zeit nach der nationalstaatlichen Macht, in der die nationale Souveränität in einer Krise steckt. Wie ich im ersten Teil dieser Reihe beschrieben habe, hat sich das Wirtschaftssystem in den letzten Jahrzehnten im Zuge der Globalisierung von den Nationalstaaten entkoppelt und zu einem globalen Wirtschaftssystem entwickelt. Während gleichzeitig die politische Kontrolle größtenteils immer noch national begrenzt ist, mit Ausnahme vielleicht der EU, die zumindest europaweit teilweise diese supranationale Übersicht aufbaut.

Wie im Artikel beschrieben besitzt demnach kein Nationalstaat der Welt mehr wirklich Kontrolle über das, was man seine Volkswirtschaft nennen könnte: Ein beträchtlicher Teil der US-amerikanischen Wirtschaft ist im chinesischem Besitz, diese sind von Rohstoffen in Afrika und Lateinamerika abhängig, und in gewisser Weise wir alle vom Öl aus dem Nahen Osten. Nicht zu vergessen die Rüstungsgüter der größten Waffenexporteure, darunter Deutschland (Vgl. Appadurai 2017).

Während die einen nach internationalen Institutionen und suprastaatlichen Lösungen streben, um den entfesselten globalen Markt zu kontrollieren, versucht die andere Seite interessanterweise, weniger nationale Souveränität zurück zu gewinnen und die wirtschaftliche Globalisierung rückgängig zu machen, auch wenn beispielsweise ein Trump von „America First“ redet und dies oft in ihrer Rhetorik vorkommt. Nein, stattdessen wird der Verlust ökonomischer Souveränität mit dem Versuch, kulturelle Souveränität zu reinszenieren, kompensiert.

Chauvinistische Leitkultur, Autokratische Führer

Die reaktionäre, patriarchale, xenophobe und neonationalistische Antwort auf einen progressiven Meinungskonsens (mehr dazu in Teil 2) wird also auch als Ausgleich für den Verlust der nationalen Identität auf wirtschaftlicher Ebene genutzt. Die Inszenierung einer starken nationalen Kultur wird wichtiger als die Souveränität über die eigene Volkswirtschaft. Dazu aber später mehr, zunächst möchte ich einige Beispiele nennen. Russland unter Putin hat eine staatliche Kulturpolitik verordnet, die sich deutlich von westlicher Kultur abgrenzen möchte.

Die westliche Kultur, die, wie in Teil 2 festgestellt, progressiv geprägt ist, bezeichnet Putin sexuell abfällig als „kastriert und unfruchtbar“. Als Gegenmodell und typisch für die Neuen Rechten propagiert er (russische) Männlichkeit als politische Kraft, weshalb man ihn des Öfteren oben ohne auf PR-Fotos sehen kann. Der Kern der Sache: Die Rückkehr zu „traditionellen Werten“, nach außen gegen den Westen, aber auch nach innen: Es wird Einheit und Einzigartigkeit propagiert und dazu gehört der Bürgerkrieg in der Ukraine wie auch die Schikanierung der Popgruppe „Pussy Riot“.

In der Türkei unter Erdogan das Gleiche: Träumereien von der vergangenen Größe des osmanischen Reiches, Widerstand gegen die russischen Einmischungen im Nahen Osten, aber auch gegen die EU und den ganzen Westen. Darüber hinaus ein Kampf gegen Atatürks säkularen Nationalismus, um die Türkei zu einem theokratischen und imperialen System umzubauen. Dazu gehört ebenfalls die massive Zensur und die gewaltsame Unterdrückung des politischen Widerstands.

Ein weniger bekanntes Beispiel außerhalb des Westens wäre auch Narenda Modi in Indien: Der Premierminister bekennt sich offen zum Hindu-Nationalismus hindutva, die extremen Kulturnationalismus mit neoliberalen bzw. marktradikalen Positionen verbindet. Sexuelle, religiöse, kulturelle und künstlerische Freiheiten wurden stark beschnitten, ebenso werden die muslimische Minderheit und die Dalits, die auf der untersten Stufe des indischen Kastensystems stehen und früher die „Unberührbaren“ genannt wurden, systematisch schikaniert und sehen sich Übergriffen ausgesetzt.

Und das gleiche im Westen: Trump, Orban, AfD

Genau wie alle anderen Beispiele setzen die Neuen Rechten auch im Westen auf Kulturnationalismus, patriarchale und xenophobe Positionen. Wobei selbstverständlich Trump kein Autokrat ist. Bei den Neuen Rechten im Westen, die größtenteils auch derzeit nicht in den Regierungen sitzen, beschränken sich die Parallelen bisher größtenteils lediglich auf die Rhetorik und die Ideologie selbstverständlich. Die far-right der USA fürchten sich vor der Abschaffung christlicher Traditionen und Trump möchte die USA wieder „great again“ machen. Die Schuld gesucht wird bei dem progressiven status quo der politischen Eliten und Muslimen und illegalen Einwanderern, deshalb Forderungen nach einer Mauer an der Grenze zu Mexiko.

UKIP und inzwischen die Torys in Großbritannien mit Brexit, Dudas Polen, Orbans Ungarn, die FPÖ in Österreich und auch die AfD in Deutschland arbeiten alle nach dem gleichen Muster: Die nationale Leitkultur aus einem idealisierenden Blick in die Vergangenheit wird groß neu inszeniert, um Stärke und Unabhängigkeit zu präsentieren. International wird ein Ethnopluralismus propagiert – die Menschen in differenzierbare Völker teilt und trennt – und innenpolitisch jede intellektuelle und kulturelle Opposition diskreditiert und unterdrückt.

Natürlich wird nichts davon dabei helfen, die Kontrolle über ihre Volkswirtschaften zurück zu gewinnen. Aber das wissen die Anfrührer. Sie sind hingegen eng verflochten im globalen Netz der Eliten und bereichern sich und ihre Verbündeten. Teilweise sind es diese Oligarchen und Milliardäre selbst, die führende Regierungspositionen besetzen. Das ist auch ein Grund für ihren Erfolg: Sie haben gewaltige finanzielle Unterstützung. Trotzdem preisen sie nationale kulturelle Reinigung als Weg zur Macht, während der marktradikale Kapitalismus unberührt bleibt. Sie versuchen, ihre weiche Macht in harte Macht umzusetzen und sie haben keine Skrupel, Minderheiten und Menschen mit anderer Meinung zu unterdrücken oder als Feindbild zu bekämpfen.

Vergleiche auch: Appadurai, Arjun „Demokratiemüdigkeit“ in: Die Große Regression. Berlin, 2017.