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Flucht aus „Diktatur“ Deutschland: Paraguay schließt Grenze für Querdenker

von | Jan 31, 2022 | Aktuelles

Schluss mit dem vermeintlichen Paradies für Wunderheiler, Impfgegner und Reichsbürger

von Clara Hoheisel

Ein kleiner Binnenstaat in Südamerika: Paraguay ist die eine Zieldestination für deutsche Verschwörungsideolog:innen und Demokratiefeinde. Doch nun zieht die Regierung den Schlussstrich.

Im Trend: Paraguay als Mekka für deutsche Impfgegner

Alleine zwischen Januar und Oktober 2021 siedelten 1.077 Deutsche nach Paraguay über. Damit bilden deutsche Neubürger:innen dort nach Brasilianer:innen und Argentinier:innen die drittgrößte Bevölkerungsgruppe (Quelle). Der häufigste Grund für den Entschluss Deutschland zu verlassen: die Corona-Maßnahmen. Viele Auswanderer:innen folgen den Rufen aus dubiosen Chatgruppen: eine Entscheidung auf Basis von Halbwissen und Fake News.

Doch auch in Paraguay erreichen die Inzidenz-Zahlen einen Höchststand, sodass die Regierung eine längst überfällige Entscheidung trifft: Ungeimpfte dürfen die Landesgrenze nicht mehr passieren. Die Leiterin der Einwanderungsbehörde, María de los Ángeles Arriola, betätigte, dass bereits mehr als zwei Dutzend Einreisewillige ohne vollständigen Impfschutz an der Grenze abgewiesen worden sein. Darunter befanden sich auch sechs Deutsche (Quelle). Seit dem Beschluss dürften nur noch diejenigen einreisen, welche eine Impfung mit mindestens zwei Dosen nachweisen können (Quelle).

Auswanderungs-Business: Kühne Versprechungen zu horrenden Preisen

Dubiose Telegram- oder Facebook-gruppen mit tausenden Mitgliedern dienen als Austauschplattform für die Einreisewilligen. Dutzende Influencer:innen werben auf YouTube und Instagram mit Steuervorteilen um Aussteiger:innen­ und sind damit erfolgreich: Im südamerikanischen Querdenker-Exil entstanden sektenähnliche Siedlungen. Der ehemalige Scientologe Erwin Annau ist der Gründer einer solchen Kolonie. Mit rechtspopulistischer Angstmache wirbt er auf seiner Website für die Ausreise. Seit Ausbruch der Corona-Pandemie brummt das Geschäft: Seine Strategie, Demokratie mit Unfreiheit gleichzusetzen, das kommt an. (Quelle)

Auch andere Alteingesessene in Paraguay erkannten das Potenzial des neuen Geschäftsmodells und verkaufen Grundstücke zu überteuerten Preisen. Die Einheimischen können sich keins der Angebote leisten. (Quelle) Unter den deutschen Geschäftspartner:innen in Paraguay tummeln sich außerdem zahlreiche Betrüger:innen: Sie bestätigen den Ausgewanderten den Kauf eines Grundstücks. Nach paraguayischem Recht wird das Eigentum allerdings gar nicht überschrieben. (Quelle)

Katastrophale Ironie: Corona-Freiheit = Fehlanzeige

Die in den Telegram- und Facebook-Gruppen angepriesene „Corona-Freiheit“ in Paraguay entpuppt sich für viele Querdenker:innen überraschend als falsches Versprechen. Eine angebliche „Impf-Diktatur“ wie in Deutschland herrscht auch dort: Erst kürzlich wurde das Pandemiegesetz 6699 verlängert. Dieses regelt die Maskenpflicht in Innenräumen und im Außenbereich, wenn der Abstand von zwei Metern nicht gewährleistet werden kann. Bei Verstößen gegen das Gesetz drohen harte Strafen: ein Bußgeld, Sozialdienst für maximal 30 Tage und für Inhaber:innen eines Geschäfts eine 10-tägige Ladenschließung. (Quelle) Je nach Inzidenz-Lage können nächtliche Ausgangssperren verhängt werden. Kultur-Veranstaltungen und private Treffen sind nur bis zu einer festgelegten Teilnehmer:innenzahl erlaubt. (Quelle)

Bezeichnend: Rund zwei Drittel der Paraguyaner:innen sprechen sich für eine Impfpflicht aus.­ Doch die meisten haben keinen Zugang zu den Dosen

Die mehr als 500.000 Infizierten und 17.000 Corona-Toten haben bei den sieben Millionen Einwohner:innen Paraguays Spuren hinterlassen (Quelle). Einer Umfrage der Tageszeitung Lanacion zufolge, sprechen sich 71 Prozent der Paraguyaner:innen für eine Impfpflicht aus, um die dritte Welle abzuschwächen. (Quelle) Das paraguayische Gesundheitsministerium möchte eine solche Regelung in Erwägung ziehen. (Quelle)

In Paraguay sind aber nur knapp über 40 Prozent der Menschen geimpft. Erst im Rahmen der Covax-Initiative für Entwicklungsländer erhielt Paraguay Vakzine, doch die Impfdosen erreichten den Binnenstaat viel zu spät. Zunächst war Paraguay deshalb auf Spenden der Nachbarstaaten, Indiens und den USA angewiesen. (Quelle) An dieser Stelle wird die perfide Ironie deutlich: Deutsche Demokratiefeinde und Querdenker:innen wandern aus, um die Impfung zu umgehen, während die Menschen vor Ort nur beschränkten Zugang zu den ersehnten Vakzinen haben.

Unheilvoll: Eine gemeinsame Vergangenheit

Deutschland und Paraguay vereint eine grausame Historie: 1886 gründete der Antisemit Bernhard Förster ein Dorf mit dem Namen „Nueva Germania“ in Paraguay. Der Ort sollte als Anlaufstelle für Personen der ‚arischen Rasse‘ in Südamerika dienen. Doch das Vorhaben scheiterte und Förster beging Selbstmord. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs flohen ebenfalls einige Nationalsozialist:innen in das südamerikanische Land, wie beispielsweise Josef Mengele, ehemaliger KZ-Arzt in Auschwitz (Quelle).

Wird der Zustrom deutscher Verschwörungsideolog:innen in das südamerikanische Land jetzt versiegen? Vermutlich minimiert die Regelung der paraguayischen Regierung zumindest vorerst die Zahl der Einreisenden. Das Fallbeispiel Paraguay zeigt mit erschreckender Deutlichkeit, wie naiv Querdenker:innen auf Halbwissen und Fake News aus dubiosen Chatgruppen vertrauen.

Artikelbild: Mirza Kadic

Unsere Autor:innen nutzen die Corona-Warn App des RKI.