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Keine Waffen, keine Angriffe auf Polizisten: Was wirklich in Ellwangen geschah

von | Mai 5, 2018 | Aktuelles

Ellwangen ist für manche der Inbegriff des „Versagens“ des Staates geworden, wenn es um Asylbewerber geht. Doch zum einen wird der Fall medial aufgebauscht, zum anderen wundere ich mich, warum kein größeres Staatsversagen zum Beispiel bei der Aufarbeitung der Dieselskandale und manipulierter Software angeprangert wird?

Damit wir zuerst einmal alle auf dem gleichen Stand sind: Was ist in Ellwangen passiert? Die ersten Medienberichte waren vage und übertrieben, dazu mischen sich die üblichen Fake News aus rechten Kreisen, sowie die schweren, verbalen Geschütze des Innenministers, der mit Blick auf die Landtagswahl in Bayern meint, viel Härte gegen Asylbewerber zeigen zu müssen. Doch die Wahrheit ist viel harmloser als behauptet, wie eine Recherche der taz zeigt:

In der Nacht auf Montag sollte ein 23-Jähriger Mann aus Togo abgeschoben werden, doch dieser wehrte sich gegen die Abschiebung nach Italien, da er laut seinem Anwalt Klage gegen den Abschiebebescheid eingereicht hatte und dieser Fall noch gar nicht entschieden war. Sein Anwalt bezeichnete diesen Abschiebeversuch deshalb als rechtswidrig. Dementsprechend verhinderten die Bewohner des Asylbewerberheimes die versuchte Abschiebung am Montag. Lediglich mit „drohenden Verhalten“ wohlgemerkt, keinen physischen Angriffen auf die Polizisten. Nur ein Streifenwagen wurde leicht eingedellt, ein Schaden, der „jetzt nicht so immens“ gewesen sei, laut Sprecher des Polizeipräsidiums Aalen. Auch der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg findet dazu deutliche Worte.

Und darauf reagierte man mit hunderten Polizisten?

Die Polizei brach deshalb den Abschiebeversuch am Montag ab, um die „aufgeheizte“ Stimmung zu „deeskalieren“, sagt der migrationspolitische Sprecher der grünen Landtagsfraktion. Doch der Vorfall wurde medial aufgebauscht: Von physischen Angriffen auf die Polizei war die Rede (Gab es nicht), von Missachtung des Rechtsstaats (Die eigentliche Missachtung war es doch, den Mann abzuschieben, bevor seine Klage abgewiesen wurde, oder?).

So reagierte die Polizei mit voller Härte, wohl auch mit dem Bewusstsein im Hinterkopf, dass viele Menschen, die ideologisch manipuliert aus AfD Kreisen inzwischen glauben, der deutsche Staat könne oder wolle nicht gegen Straftaten von Asylbewerbern vorgehen. Bei dem Vorfall am Donnerstag wurden mehrere Flüchtlinge (von der Polizei) verletzt, und ein Polizeibeamter (NICHT von den Flüchtlingen, sondern durch Eigenverschulden, wie ein Sprecher der Polizei Aalen zugibt) ebenfalls. Waffen wurden KEINE gefunden.

Doch die rechten Fake News-Produzenten, aber auch ein Innenminister, der meint, auf eine Situation reagieren zu müssen, wie sie größtenteils nur in den Köpfen eben dieser existiert, spricht jetzt von „rechtsfreien Räumen“ und davon, dass der „Rechtsstaat in Gefahr“ sei. Angeblich wehren sich Flüchtlinge jetzt mit „Waffengewalt“ gegen Abschiebungen. Das ist alles falsch.

Die Doppelmoral ist unerträglich

Ich will jetzt nicht wirklich den Mann aus Togo oder seine Mitanwohner in Schutz nehmen, die teilweise wegen der Vorwürfe des erwerbsmäßigen Diebstahls oder Drogenhandels festgenommen worden sind (3 Männer), auch verurteile ich selbstverständlich Gewalt gegen Polizeibeamte. Aber so, wie es aussieht, hat es diese nicht wirklich gegeben. Bei keinem der Fälle wurden die Beamten (durch Asylbewerber) verletzt, und auch wenn ich persönlich jetzt glaube, dass der Togoer wohl nicht Recht bekommt, so muss doch zuerst Recht gesprochen werden, bevor eine Abschiebung umgesetzt wird. Und da kann ich einen Widerstand durchaus nachvollziehen.

Ich wünschte mir nur, dass hartes Durchgreifen gegen Straftäter nicht nur auf Asylbewerber begrenzt gewesen wäre. Erst vor ein paar Tagen habe ich geschrieben, dass die Polizei regelmäßig Anschläge auf Asylbewerberheime, die Millionenschäden verursacht haben, verschweigt. Wo war unser Rechtsstaat, als der NSU jahrelang unbehelligt Menschen ermordete? Sind es rechtsfreie Räume, wenn gewalttätige Fußball-Hooligens jedes Wochenende Polizisten angreifen und Widerstand gegen die Staatsgewalt leisten? Wo ist unser Rechtsstaat, wenn bei den Abgasskandalen Millionen deutsche Bürger um Geld und Gesundheit betrogen wurden, von den Schäden an der Umwelt ganz zu schweigen?

Rücken hunderte Polizisten in den VW-Vorstand ein, um die Verantwortlichen zu verhaften? Nein, diese bekommen Millionen Euro als Abfindung und gehen unbehelligt von dannen, auf den Kosten bleibt am Ende der Verbraucher noch selbst sitzen. Was sollte jetzt der größere Skandal sein?