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Anzeige gegen Merkel: Volksverpetzer will Höcke verklagen!

von | Feb 11, 2020 | Aktuelles, Kolumnen, Medien, Schwer verpetzt

Ja gut, wollen können wir viel, wenn der Tag lang ist

Auf Twitter (oder auf einem Blog) kann ich alle möglichen Behauptungen aufstellen. Wie zum Beispiel, dass ich irgendwelche Pseudo-Anzeigen erstatte, die keinerlei Aussicht auf Erfolg haben. Also ja, wir würden gerne Björn Höcke verklagen, wegen seines unehrlichen Manövers bei der Wahl in Thüringen oder seines durchschaubaren PR-Stunts jetzt gegen Frau Merkel.

Wir würden eine Strafanzeige wegen Nötigung anstellen, denn er hat mit seinen Social-Media-Posts die Medien genötigt, seinem Framing und seinem PR-Stunt Aufmerksamkeit zu geben, welche er nicht verdient hat. Natürlich wäre diese Anzeige Blödsinn. Und keiner würde uns dafür ernst nehmen – zu Recht. Aber bei Faschist Höcke und Frau Merkel ist das leider anders.



Warum berichten die Medien darüber?

Wer es noch nicht mitbekommen hat: „Wegen Thüringen: AfD zeigt Merkel gleich doppelt an“ (Link), „Björn Höcke stellt nach Thüringen-Wahl Strafanzeige gegen Angela Merkel“ (Link), „AfD will Bundeskanzlerin Merkel gleich doppelt verklagen“ (Link). So berichten es alle auf und ab der Medienlandschaft.

Kurzfassung: Faschist Höcke hat auf Twitter angekündigt, Strafanzeige gegen Frau Merkel zu stellen. Ja, wirklich. Die AfD behauptet, Merkel hätte „Amtsmissbrauch“ (lol) begangen und FDP-Mann Kemmerich „genötigt“, von seinem mit Stimmen der Faschisten gewählten Ministerpräsidentenposten zurückzutreten. Das ist natürlich für jeden klar denkenden Menschen offensichtlich lachhaft.

Merkel hat Kemmerich mit nichts gedroht, sie hat nur ein allgemeines Statement gesagt – wie so ziemlich jede*r Demokrat*in aller demokratischen Parteien (Mehr dazu). Eine Forderung ist noch keine Nötigung. Eine Forderung, die auch viele Liberale hervorbrachten, insbesondere FDP-Chef Lindner (wenn auch relativ spät). Kemmerich ist eher deswegen zurückgetreten.

„Reiner PR-Trick“

Führende Rechtsexperten halten die Vorwürfe für haltlos. „Das ist ein reiner PR-Trick“, sagte der Münchner Rechtswissenschaftler Walther Michl (Quelle). Der ehemalige Richter Peter Nagel erklärte uns, dass „jegliche Kausalität“ fehle, die für einen Taterfolg spreche. Der Mittel und Zweck von Merkels Forderungen sind beide juristisch legitim. Er sieht auch keinen Anfangsverdacht. Die Anzeige von Höcke ist also ziemlich aussichtslos. Warum stellt er sie dann?

Weil die Medien darüber genau so berichten werden, wie sie es getan haben. Es ist eigentlich nicht üblich, von einer Ankündigung einer Anzeige zu berichten – Wie gesagt, das kann ja jeder behaupten. So wie wir das vorhin gemacht haben. Richtig relevant wird es erst, wenn die Staatsanwaltschaft den Eingang der Anzeige bestätigt und erst recht, wenn wirklich Ermittlungen aufgenommen würden. Denn Anzeige stellen kann ja jeder wegen allem, das heißt erst einmal nichts.

Höcke wird nicht gewinnen, wenn die Anzeige Erfolg hat – das wird sie nicht. Sondern er hat schon gewonnen, wenn die Schlagzeilen so lauten wie da oben dargestellt. Denn Faschisten versuchen nicht, mit Fakten und Argumenten zu gewinnen – sondern indem sie die Meinungshoheit im öffentlichen Diskurs gewinnen. Das ist keine Behauptung, das hat der enge Vertraute Höckes und Vordenker der AfD, Götz Kubitschek ganz offen so zugegeben

Der Drahtzieher hinter der AfD & der rechtsextreme Plan zur Machtergreifung

Narrativ und Framing

Was ist das Problem daran, dass die Medien (so) berichtet haben? Naja, wer von uns hat genug juristische Kenntnis, um auf Anhieb zu sehen, dass die Anzeige nur ein PR-Gag ist? Intuitiv werden wir alle denken: Wenn Höcke Frau Merkel anzeigt, wird er wohl seine Gründe dafür haben. Vielleicht sogar gute Gründe. Und selbst wenn nicht: Wir diskutieren darüber, wie „schuldig“ Frau Merkel ist.

Bedenkt: Frau Merkel hat nie etwas falsch gemacht. Die Diskussion geht eigentlich darüber, wie die Faschisten der AfD die Öffentlichkeit getäuscht haben, um einen Coup in Thüringen zu landen. Sie sind die Täter. Durch den Stunt von Höcke sprechen wir aber darüber, ob und wie „schuldig“ Merkel ist. Bemerkt? Höcke hat mit dem Unsinn die Art des Gesprächs geändert. Wir sprechen über Merkel als (potentielle) Verbrecherin.

Und das ist genau das, was die AfD will: Sie will, dass wir uns daran gewöhnen, über Frau Merkel als „Verbrecherin“ zu denken. Und die AfD als Streiterin für die Gerechtigkeit. Nichts ist aber ferner von der Wahrheit. Das ist Framing. Doch wenn man schon darüber berichten will, dann kann man es schlauer machen. So wie einige andere Medien, die gleich klargestellt haben, dass die Anzeige Höckes nur heiße Luft ist:

Die meisten Leser*innen lesen nur die Überschrift und bilden sich darüber (auch unbewusst) eine Meinung. Wenn von Anfang an klar ist, dass es ein reiner PR-Trick“ ist, dann ist das näher an der Wahrheit als die Darstellung, in der diese Klarstellung fehlt. Man sieht es auch daran, dass alle Zeitungen und Blogs der Neuen Rechten genau so ihre Überschriften gestaltet haben. Also: Man sollte die AfD nicht zu ernst nehmen und nicht über jedes bisschen heiße Luft berichten. Und wenn schon, dann so, dass klar ist, wer Täter ist und wer nicht.

Artikelbild: knipsdesign, shutterstock.com